US-Schuldenstreit: Stell dir vor, es fließt kein Geld mehr

US-Schuldenstreit: Stell dir vor, es fließt kein Geld mehr
Wie sich ein Zahlungsausfall der größten Volkswirtschaft der Welt auf die Finanzwelt auswirken würde.

Die Uhr tickt wieder einmal. Bis 1.Juni müssen sich Republikaner und Demokraten auf einen Kompromiss für eine neue US-Schuldenobergrenze einigen. Ein Hick-Hack mit Tradition. Seitdem die USA 1940 erstmals eine konkrete Höhe für die Staatsverschuldung festlegten, wurde diese bereits 80-mal angehoben, fünfmal gesenkt und fünfmal ausgesetzt. Kein einziger US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg kam mit dem ihm gesetzten finanziellen Limit aus.

„Auch dieses Mal ist zu 100 Prozent davon auszugehen, dass eine Einigung gelingt. Die Folgen wären viel zu dramatisch“, sagt USA-Expertin Monika Rosen im Gespräch mit dem KURIER. Die verkürzte Reise von US-Präsident Joe Biden, der nach dem G7-Gipfel in Japan am Wochenende umgehend die Heimreise antritt und wegen der Verhandlungen mit den Republikanern im Kongress Australien und Papua Neuguinea nicht besucht, gilt unter Beobachtern als klares Signal der Annäherung.

Am Mittwoch gab auch der republikanische Gegenspieler von Biden, Kevin McCarthy, Entwarnung: "Ich denke, am Ende wird es nicht zu einem Zahlungsausfall kommen", erklärte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses im Gespräch mit dem Sender CNBC. Auch von den Demokraten kamen ähnliche Signale.

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Kevin McCarthy, Vorsitzender des Repräsentantenhauses

Verhandlungspoker

Noch aber, sagt Rosen, hielten beide Parteien ihre Verhandlungschips im politischen Schuldenpoker fest in der Hand. Die Republikaner pochen angesichts der kräftig gestiegenen Zinsen auf Sparmaßnahmen und haben dabei ganz klassisch Bereiche wie Soziales oder Gesundheit im Visier. Die Demokraten wiederum wollen angesichts des Konflikts mit Russland keinesfalls ein Schwächesignal aussenden, sondern Stärke demonstrieren.

US-Verfassungsjuristen würden laut Rosen darüber diskutieren, ob der Präsident nicht notfalls per Dekret und ohne den Kongress die aktuelle Schuldenobergrenze von 31.400 Milliarden US-Dollar (28.857,64 Milliarden Euro) anheben dürfte. Begründen dürfte er dies damit, wonach die Kreditwürdigkeit der USA keinesfalls in Zweifel gezogen werden dürfe. Wie auch immer: Bis 1. Juni muss eine Lösung her, sonst droht die Zahlungsunfähigkeit – mit unabsehbaren Folgen für die Finanz- und Wirtschaftswelt.

Die wichtigsten Fragen

Warum droht überhaupt ein Zahlungsausfall?

Theoretisch könnten die USA jederzeit Geld drucken, aber ein Gesetz legt fest, dass das Parlament bestimmt, wie viel Geld sich der Staat leihen darf. Zudem gibt es seit 1917 eine gesetzliche Schuldenobergrenze, um den Handlungsspielraum der Regierung zu erweitern. Mittlerweile ist der Deckel von rund 31.400 Milliarden US-Dollar erreicht und das Finanzministerium muss bereits Kapitalreserven anzapfen.

Was passiert bei einem Zahlungsausfall?

Der Staat wäre nicht mehr in der Lage, einen Großteil der Rechnungen oder Gehälter zu zahlen. Wie bei vorigen Shutdowns müsste die Regierung wohl einen Teil der rund zwei Millionen Bundesbeschäftigten vorübergehend beurlauben oder in unbezahlte Arbeit zwingen. Militär, Justiz, Post oder Luftsicherung könnten nur eingeschränkt aufrecht erhalten werden. Museen oder Nationalparks würden geschlossen.

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Was droht an den Börse?

US-Finanzministerin Janet Yellen warnt gar vor einer möglichen globalen Finanzkrise samt wirtschaftlichem Abschwung. US-Staatsanleihen bilden quasi die Grundlage des globalen Finanzsystems. Ein Zahlungsausfall würde vor allem die Derivate-, Hypotheken- und Rohstoffmärkte schwer beuteln. Schon ein kurzfristiges Überschreiten des Schuldenlimits könnte zu einem sprunghaften Zinsanstieg und Kurseinbruch an den Aktienmärkten führen. Die Risikoaufschläge auf kurz laufende US-Staatsanleihen (Laufzeit: 1 Monat) sind bereits deutlich angestiegen.

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US-Finanzministerin Janet Yellen

Wie bereitet sich die Finanzwelt darauf vor?

Banken, Makler und Handelsplattformen wappnen sich bereits für mögliche Ausfallsszenarien. Es gilt vor allem hohe Handelsvolumina (technisch) zu bewältigen sowie die Liquidität zu sichern, um heftigen Kursschwankungen standzuhalten und Panikverkäufe zu vermeiden. Der Wall-Street-Lobbyingverband Sifma hat ein eigenes Handbuch für den Worst Case erstellt, in dem auch die Kommunikation nach außen geregelt ist.

Die Sifma rechnet damit, dass das Finanzministerium Zeit für die Rückzahlung an die Anleihegläubiger gewinnt. Dabei würde es vor einer Zahlung ankündigen, dass es die fälligen Wertpapiere verlängern wird, indem es sie je um einen Tag verlängert. So könnte der Markt weiter funktionieren, aber es würden wahrscheinlich keine Zinsen für die verzögerte Zahlung anfallen.

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