US-Sanktionen: Russland will an Nord Stream 2 weiterbauen

US President Trump signs National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2020
US-Präsident Trump setzte das Sanktionsgesetz in Kraft. Erste Firmen ziehen sich zurück. OMV nach eigenen Angaben nicht betroffen.

Die USA wollen die Gaspipeline Nord Stream 2 kurz vor der Fertigstellung stoppen und haben trotz des Widerstands Deutschlands Sanktionen gegen beteiligte Firmen erlassen. US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitagabend (Ortszeit) auf einer Luftwaffenbasis bei Washington ein Gesetzespaket zum Verteidigungsbudget, in dem das Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 festgeschrieben ist.

Die US-Maßnahmen des "Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zielen auf Investoren und Firmen ab, die am Bau beteiligt sind. Die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen die Rohre durch die Ostsee verlegt, reagierte umgehend und setzte ihre Arbeit an der Pipeline vorerst aus. Das Nord-Stream-2-Konsortium will sie dennoch so bald wie möglich weiterbauen. Die österreichische OMV ist nicht am Bau, sondern an der Finanzierung beteiligt und nach eigenen Angaben von den Sanktionen nicht betroffen.

Aus Sicht Russlands werden die Sanktionen die Umsetzung des Projekts nicht gefährden. "Russland hat seine Wirtschaftsprojekte umgesetzt und wird sie weiter umsetzen - unabhängig von irgendwelchen Sanktionen", teilte das Außenministerium am Samstag in Moskau mit.

Deutschland verurteilt "Einmischung"

Die deutsche Regierung verurteilte den Schritt als "Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten". Die Bundesregierung lehne "derartige extraterritoriale Sanktionen" ab, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin, Ulrike Demmer, am Samstag mit. Man verzichte aber auf Gegensanktionen.

Demmer erklärte weiter, die US-Maßnahmen würden insbesondere mit dem Schutz der Ukraine begründet. Sie verwies in dem Zusammenhang auf die am Donnerstag in Berlin erzielte Grundsatzeinigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Die Inkraftsetzung der US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 sei vor diesem Hintergrund "besonders unverständlich", erklärte Demmer.

Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend. Russland sparte unterdessen nicht mit Kritik und erwartet Widerstand seitens der europäischen Wirtschaft. Der Kreml war zuletzt aber davon ausgegangen, dass die Amerikaner die Pipeline nicht verhindern können. Erwartet wird jedoch, dass der Bau nun teurer wird und sich verzögert, weil Russland keine eigenen Spezialschiffe für solche Arbeiten hat und Ersatz suchen muss.

Die USA versuchten damit, Russland als Konkurrenten vom europäischen Energiemarkt zu verdrängen und amerikanische Firmen zu etablieren, sagte der russische Parlamentsabgeordnete Dmitri Nowikow am Samstag der Agentur Interfax. Ziel sei es, die Europäer zum Kauf des teuren Flüssiggases aus den USA zu zwingen, obwohl das unwirtschaftlich sei. "Aber es gibt auch noch größere politische Aufgaben im Zusammenhang mit einer maximalen Schwächung Russlands", sagte Nowikow. Der Außenpolitiker erwartet, dass ein Teil der europäischen Wirtschaft mit politischer Hilfe gegen die Sanktionen Widerstand leisten werde.

Trump will "Europas Energiesicherheit" vor Russland schützen

Die US-Strafmaßnahmen des "Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zielen auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Washington argumentiert, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde. Ins Visier der USA ist die Schweizer Firma Allseas geraten. Zwei prominente US-Senatoren forderten den Offshore-Pipelinespezialisten zum sofortigen Stopp der Arbeiten auf.

"Wir verstehen, dass die russische Regierung Allseas eine sehr bedeutende Geldmenge dafür bezahlt, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen", hieß es in einem Brief der republikanischen Senatoren Ted Cruz - der das Sanktionsgesetz eingebracht hat - und Ron Johnson an Allseas-Chef Edward Heerema. Sollte die Firma die Arbeiten aber "auch nur für einen einzigen Tag" nach Unterzeichnung des US-Sanktionsgesetzes fortführen, drohten ihr "potenziell vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen".

Die Firma kündigte dann am frühen Samstagmorgen - "in Erwartung der Verfügung" - auf ihrer Homepage in einem kurzen Statement an, die Pipeline-Arbeiten zunächst aussetzen zu wollen. Man werde die Arbeiten wieder aufnehmen im Einklang mit der Gesetzgebung und erwarte Orientierungshilfe der zuständigen US-Behörde - bestehend aus nötigen regulatorischen, technischen und ökologischen Klarstellungen, teilte Allseas mit. Vor Unterzeichnung des Gesetzes hatte der Kreml allerdings deutlich gemacht, nicht davon auszugehen, dass die Fertigstellung der Pipeline von Russland nach Deutschland noch zu verhindern ist.

Umgehung von Polen und Ukraine

Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bisher wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2.100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Allseas hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, man spekuliere nicht über potenzielle Auswirkungen von Sanktionen.

In dem Schreiben verweisen die beiden Senatoren unter Berufung auf das Nord-Stream-2-Konsortium darauf, dass Allseas mit der "Pioneering Spirit" mindestens ein Schiff im Einsatz habe, das Rohre für die Pipeline verlege. In dem von Cruz' Büro veröffentlichten Schreiben heißt es, dass die US-Regierung dem Kongress zwar erst 60 Tage nach Unterzeichnung des Gesetzes berichten werde, gegen welche Firmen Sanktionen verhängt würden. Allerdings würden dann bei Verstößen rückwirkend Strafmaßnahmen auch für diesen Zeitraum verhängt.

USA: Pipeline darf nicht fertiggestellt werden

Eine 30-tägige Übergangsfrist nach Inkrafttreten gelte nur, wenn Unternehmen überzeugend darstellten, dass sie ihre Arbeiten an dem Projekt abwickelten, warnten die Senatoren. "Sollten Sie versuchen, die Pipeline in den nächsten 30 Tagen fertigzustellen, würden Sie ihren Aktionärswert vernichten und die künftige finanzielle Existenzfähigkeit ihres Unternehmens zerstören." Ziel der Sanktionen sei es, sicherzustellen, dass die Pipeline nicht fertig werde.

Die Senatoren verwiesen auf die Konsequenzen, sollte Allseas gegen die Sanktionen verstoßen: Wer Schiffe für die Verlegung der Rohre zur Verfügung stelle, werde bestraft, hieß es in dem Brief. Gegen betroffene Personen würden Einreiseverbote in die USA verhängt. Etwaiger Besitz von Allseas in den Vereinigten Staaten würde eingefroren. Das würde auch das Vermögen von Allseas USA mit Sitz in Houston (Texas) sowie Schiffe des Unternehmens betreffen, die US-Hoheitsgewässer befahren sollten.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte die US-Sanktionen scharf. Der US-Kongress habe mit seinem Sanktionsbeschluss bereits erheblich in die energiepolitische Souveränität der Europäischen Union eingegriffen, sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die unmittelbare Inkraftsetzung durch Präsident Donald Trump sei nun ein zusätzlicher Schritt, der das transatlantische Verhältnis weiter belasten werde. "Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen." Eigenständigkeit werde sanktioniert. "Diesen erpresserischen Methoden werden wir uns nicht beugen", sagte der SPD-Fraktionschef.

Kommentare