Ungarn: Steuer auf Telefonate

Ein Mann mit Mütze telefoniert mit einem Nokia Eseries Handy.
Mit einem Bündel neuer Steuern will die Regierung Orban das finanziell marode Ungarn wieder sanieren.

Ungarn braucht Geld. Das rechtskonservative Kabinett von Viktor Orban will daher eine Reihe neuer Steuern einführen. Denn Beginn soll mit 1. Juli eine neue Steuer für Telefonate und SMS im Fest- und Mobilnetz machen, wobei jede angefangene Gesprächsminute mit zwei Forint (0,0067 Euro) besteuert wird. Ab Jänner 2013 soll die Finanztransaktionssteuer gelten und alle finanziellen Transaktionen - von Überweisungen bis zu Geldbehebungen per Bankomat - mit 0,1 Prozent belasten.

Mit diesem Programm will Budapest sein verschuldetes Budget weiter sanieren aber auch die Kommission von der Ernsthaftigkeit der Bestrebungen überzeugen. Die neuen Steuern sollen den Schuldenberg um insgesamt 600 Milliarden Forint (2,02 Mrd. Euro) verringern.

Offene Fragen

Telekom-Unternehmen kritisieren bereits die "vielen offenen Fragen" der Telefonat- und SMS-Steuer, wie die Verrechnung von vertraglich garantierten Gratis-Gesprächsminuten sowie die Umstellung des Rechnungssystems innerhalb so kurzer Zeit, betonte Istvan Kutas, Kommunikationsdirektor der ungarischen Tochter des norwegischen Mobilfunkanbieters Telenor. Margit Racz vom Forschungsinstitut für Weltwirtschaft betont wiederum den "Doppelsteuer-Charakter" der Transaktionssteuer, die bereits versteuerte Gelder - etwa Gehälter - erneut belaste.

Premier Orban vergaß bei seinem Besuch in Brüssel am Dienstag nicht zu betonen, dass es die EU sei, die derartige Sparmaßnahmen von Ungarn fordere, erinnern Stimmen aus den Reihen der oppositionellen Sozialisten (MSZP).

Frist bis 22. Juni

Gegen Ungarn werden von der EU-Kommission derzeit ein Defizitverfahren und drei Vertragsverletzungsverfahren geführt. Die EU-Kommission wirft der ungarischen Regierung vor, nicht genug zu unternehmen, um ihr Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Die Brüsseler Behörde hatte kritisiert, dass die ungarische Neuverschuldung 2011 zwar unter der vorgegebenen Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung lag - dies aber nur wegen der Berechnung auf Basis von Einmalmaßnahmen wie der Verstaatlichung der privaten Pensionskassen. Brüssel drohte Ungarn mit der Streichung von Geldern aus dem Kohäsionsfonds und räumte eine Frist bis zum 22. Juni ein, um das neue Sparprogramm einzureichen.

Im Zeichen des Schlagabtauschs mit Brüssel wurde der Start für die seitens Ungarns angestrebten Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU über ein Kreditabkommen immer wieder verschoben. Dabei würden die erneuten Sparmaßnahmen keinen Einfluss auf den Verhandlungsbeginn haben, da die Vertragsverletzungsverfahren keine Wirtschafts- und Finanzfragen betreffen, erinnerte Racz am Mittwoch in einem Interview mit dem Nachrichtensender "InfoRadio". Bei diesen Vertragsverletzungsverfahren geht es um die Souveränität der Notenbank (MNB), der Datenschutzbehörde und des Justizwesens.

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