Ungarn nutzten Ost-Öffnung

Im Vorjahr gab es trotz 16.000 zusätzlicher Ost-Arbeitskräfte im Tourismus auch 2700 neue Arbeitsplätze für Inländer.
Seit der Liberalisierung im Mai 2011 kamen rund 35.000 Arbeitskräfte aus Osteuropa, fast die Hälfte davon aus Ungarn.

Am 1. Mai 2011 fielen die letzten Hürden für Arbeitskräfte aus Osteuropa. 70.000 waren schon längst da, 20.000 bis 25.000 sollten nach Expertenschätzungen durch die vollständige Liberalisierung jährlich noch dazu kommen. Ein Jahr später fällt die Bilanz recht nüchtern aus: Es kommen vor allem Ungarn. Die meisten davon pendeln ins Burgenland, nach Wien oder Niederösterreich und arbeiten im Tourismus oder in der Baubranche.

Laut Beschäftigungsstatistik des Hauptverbandes von Ende März (aktuellste Daten) stieg die Zahl der Arbeitskräfte aus den osteuropäischen EU-Ländern im Jahresabstand um 35.000 Personen oder 47 Prozent auf 108.000. Fast die Hälfte des Zuwachses entfällt auf die Ungarn. Ende März arbeiteten in Österreich um 16.000 ungarische Staatsbürger mehr als vor einem Jahr, das ist ein Plus von fast 57 Prozent und mehr als die Tschechische Republik, Slowakei und Slowenien gemeinsam. Was auffällt: Der Zuzug der Ungarn hat sich über die Wintermonate verstärkt, während er bei den übrigen Ländern in etwa gleich blieb.

IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer führt dies auch auf die schwierige wirtschaftliche Lage in unserem Nachbarland zurück. Aber auch saisonale Effekte mögen eine Rolle spielen. Grundsätzlich sei die Ost-Öffnung "wie erwartet" verlaufen, resümiert Hofer: "Die Freigabe kam zum richtigen Zeitpunkt, der heimische Arbeitsmarkt konnte die zusätzlichen Arbeitskräfte locker verkraften".

Neue Jobs

Eine Grafik zeigt die Anzahl der Beschäftigten aus osteuropäischen EU-Ländern im März 2012.

Auffällig sei, so Hofer, dass der gesamte Beschäftigungszuwachs zu 60 Prozent auf die neuen EU-Länder entfällt. Einen Verdrängungseffekt sieht der Experte dennoch nicht, vielmehr dürften viele illegale Beschäftigungsverhältnisse legalisiert worden sein. Hans Schenner, Obmann der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskammer, verweist auf eine IHS-Studie. Demnach gab es im Vorjahr trotz 16.000 zusätzlicher Ost-Arbeitskräfte im Tourismus auch 2700 neue Arbeitsplätze für Inländer. Randbelegschaft zur Sicherung der Stammbelegschaft, oder wie es Schenner ausdrückt: "Ein Spitzenkoch kann ohne seine Küchengehilfen einfach nicht existieren".

Eine Linderung des von der Wirtschaft beklagten Fachkräftemangels durch Ost-Arbeitskräfte blieb dennoch aus. Vor allem die Industrie und die IT-Branche drängt daher auf eine vorzeitige Öffnung des Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren sowie eine rasche Ergänzung der Rotweißrot-Card, um leichter Fachkräfte aus den Nicht-EU-Ländern holen zu können.

Dass nicht alle ausländischen Arbeitskräfte auch fair behandelt werden, zeigt ein verstärkter Andrang ungarischer Staatsbürger bei der Rechtsberatung der Arbeiterkammer (AK). „Wir haben derzeit Hunderte Fälle von Unterentlohnung von ungarischen Bauarbeitern, das nimmt zu“, sagt Hans Trenner, Leiter der AK-Rechtsabteilung. Während laut Trenner auch österreichische Firmen unter den schwarzen Schafen sind, klagt Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes über importiertes Lohndumping: "Wir haben zunehmend Beschwerden über ungarische Arbeitspartien, die jetzt verstärkt im Burgenland tätig werden und sich dabei nicht an Gesetze halten". Frömmel fordert mehr Kontrollen gegen Lohn- und Sozialdumping.

Ost-Öffnung: Acht neue EU-Länder Teil 1 Seit 1. Mai 2011 können alle Arbeitskräfte aus den 2004 der EU beigetretenen Ländern ungehindert in Österreich arbeiten. Für Zypern und Malta galt dies bereits 2004. Teil 2 Die später beigetretenen Länder Rumänien und Bulgarien sollen 2014 folgen.

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