Türkei-Turbulenzen: „Schwere Krise wäre noch vermeidbar“

18 Prozent Inflation zwingen Notenbank zu handeln – Banken in Spanien und Italien zittern mit.

Spät aber doch wird die türkische Notenbank im Kampf gegen den drohenden Finanzkollaps aktiv. Eine Inflationsrate von 17,9 Prozent im August, der höchste Wert seit 2003, hat die Währungshüter aufgeschreckt. Bei der Sitzung am 13. September wolle man die Geldpolitik anpassen, um die „Preisstabilität zu unterstützen“, hieß es.

„Noch hätte es die Notenbank in der Hand, eine schwere Krise abzuwenden“, sagt Richard Grieveson, Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Eine Rezession (zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung) hält er inzwischen für wahrscheinlich.

Die Türkei hatte ihr Wachstum jahrelang über Auslandsschulden finanziert, viele Firmen haben Kredite in Dollar angehäuft. Und tun sich jetzt, wo die türkische Lira abstürzt, schwer diese zurückzuzahlen. Besonders heftig trifft das den Bau- und Immobiliensektor, die nicht auf Dollar-Einkünfte bauen können.

Streit mit den USA

Um den Kursverfall der Lira zu stoppen, wäre eine kräftige Zinsanhebung um mindestens vier Prozentpunkte nötig (aktuell: 17,75 Prozent). Das Problem: Präsident Erdoğan geißelte hohe Zinsen im Mai als „Mutter allen Übels“. Entgegen der Meinung so gut wie aller Ökonomen sieht er Inflation nicht als Folge zu niedriger, sondern zu hoher Zinsen. Und kündigte an, die Geldpolitik an sich zu reißen.

Seither vertraut kein Investor mehr auf die Unabhängigkeit der Notenbank. Die Lira hat zum Dollar heuer 40 Prozent an Wert verloren – wofür Erdoğan „Devisenspekulanten, die Zinslobby und Feinde der Türkei“ verantwortlich macht. In einem hat er recht: Die Sanktionen, die US-Präsident Trump wegen des Streits um einen in der Türkei inhaftierten US-Priesters verhängte, haben die Krise verschärft. Eine Sanktionsspirale könne die Türkei anders als Russland nicht so leicht wegstecken, warnt Grieveson.

Wegen der Währungstalfahrt droht eine Flut von Firmenpleiten. Die türkischen Banken sind zwar relativ solide aufgestellt: „Nach der Krise 2001 wurde kräftig aufgeräumt.“ Sie könnten aber nicht unbegrenzte Ausfälle verkraften.

Spanische (BBVA), italienische (UniCredit) und französische Banken (BNP Paribas) zittern mit. Sie sind an türkischen Geldhäusern beteiligt. Ein Überspringen der Probleme auf andere Länder in Osteuropa hält Grieveson indes für unwahrscheinlich: In diesen Ländern sei der Euro nämlich wichtiger als der Dollar, die noch länger fortdauernde Tiefzinspolitik der EZB wirkt hier als Unterstützung.

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