Tourismusmesse ITB: Wenn Förster und Scheichs um Gäste buhlen

Kenia wirbt in bunten Gewändern um Safari- und Badetouristen
10.000 Aussteller aus 181 Nationen haben ein gemeinsames Ziel: In der nächsten Saison mehr Urlauber ins eigene Land holen.

Das Partnerland Malaysia sorgte auf der ITB, der größten Reisemesse der Welt, gleich zum Auftakt für Aufregung. Auf die Frage, ob Homosexuelle in seinem Land sicher seien, wusste der zur Eröffnung angereiste Tourismusminister keine rechte Antwort. Auf Nachfrage sagte er zum Thema Homosexualität: „Ich glaube, wir haben so etwas nicht in unserem Land.“ Überhaupt sei die ITB nicht der richtige Ort, um solche Themen zu diskutieren.

Auf der ITB in Berlin geht es – zumindest offiziell – nicht um Politik oder gar Probleme. Hier geht es um die Illusion der heilen Welt. Die Malediven werben mit haushohen Bildern unberührter Unterseewelten, in Botswana laufen in Endlosschleife Videos von Löwen und Elefanten in freier Wildbahn, Peru präsentiert sich als „reichstes Land der Welt“. Gemeint ist die Natur, die man wahlweise am Rad, im Boot oder in Wanderschuhen erleben kann. Aktivurlaub abseits der touristischen Trampelpfade ist derzeit ein Top-Seller.

Ziel Eiserner Vorhang

„Die Zielgruppe 50-Plus hat schon viel gesehen und will wissen, was es zwischen den touristischen Highlights noch gibt“, sagt Hannes Weitschacher vom Weinviertel Tourismus. Der Österreicher steht am Stand der Tschechen und wirbt für den „Iron Curtain Trail“ (ein Radweg entlang des gesamten ehemaligen Eisernen Vorhangs) – genauer gesagt für den Abschnitt entlang der österreichisch-tschechischen Grenze. Mehr als zwei Millionen Euro sind in den Abschnitt geflossen, auch dank EU-Förderungen. „Wir erwarten bis zu 10.000 Gäste im Jahr“, sagt Weitschacher. Derzeit radeln viele entlang des Eisernen Vorhangs durchs Baltikum. Der finnisch-russische Teil ist mehr etwas für Abenteurer – Hotels sucht man oft vergeblich.

Waldbader aus der Stadt

So viel Natur ist dem wohlstandsverwahrlosten Großstädter tendenziell suspekt. Viele wissen gar nicht mehr so recht, was sie im Wald tun sollen. Sie gehören zur Zielgruppe von Helmut Wolf, der zum Waldbaden ins Saarland einlädt. Nicht nur Familien kommen zu seinen fünftägigen Seminaren in den Biosphärenpark Bliesgau, auch Firmen schicken ihre Mitarbeiter in den Wald. Zum Teambuilding, Baum fällen und Floß bauen inklusive.

Auf der ITB kann man sich am Saarland-Stand als Einstieg schon einmal eine Weißtanne aussuchen, die der Förster später im Stadtwald einpflanzen wird. Die GPS-Koordinaten bekommt der Baumpate später per eMail zugestellt – für den Fall dass er den Baum besuchen oder zumindest seinen genauen Standort googeln will.

Die Österreich-Werber setzen derweil verstärkt auf Radfahrer. Sieben Bundesländer haben sich wie berichtet zu einer gemeinsamen Kampagne entschlossen, die ÖW machte ein Sonderbudget locker. Einziges Problem: Radeln kann man so gut wie überall auf der Welt. Das afrikanische Königreich Lesotho wirbt mit „dem härtesten Mountainbike-Rennen der Welt“. Italien, Israel, Rumänien oder die Kanalinseln haben Räder in ihren Kampagnen. Quasi jeder Touristiker auf der ITB lobpreist auf Nachfrage seine grandiosen Radstrecken. Selbst in Kenia seien immer mehr Radler unterwegs. „Touristen wie Einheimische“, sagt eine Kenianerin, die für die Strände und Safaris wirbt.

Wirrwarr an Angeboten

Am Oman-Stand zeigt Abdul Videos von Touristen, die bei 40 Grad bis zu 120 Kilometer am Tag abspulen. „Ihnen gefällt das, sie machen zwei Wochen nichts anderes“, zuckt ein Landsmann von ihm mit den Schultern. Die meisten dieser verrückten Leute würden übrigens aus dem deutschsprachigen Raum kommen. Das liegt wohl auch an einer Kooperation mit einem Schweizer Reiseveranstalter – die Tourismusindustrie funktioniert längst länderübergreifend.

Das Urlaubsangebot auf der ITB ist entsprechend unübersichtlich. Veranstalter und Hotelketten aus aller Welt werben in aller Welt. Dazu kommen zig Regionen, Städte und Verbände. So wird am Stand von Norwegen für die größten Skigebiete Skandinaviens geworben – und für St. Johann in Tirol. Was der Tiroler Skiort mit Norwegen zu tun hat, erklärt die skandinavische Skistar-Gruppe: „Wir haben die Liftanlagen vor zwei Jahren übernommen, deswegen machen wir hier Werbung, sonst machen das aber die Tiroler selbst.“

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