Studie: Einkommensungleichheit in Deutschland hoch wie nie

Studie: Einkommensungleichheit in Deutschland hoch wie nie
"Immer mehr Menschen von Armut betroffen": Die untersten 10 Prozent der Haushalte verdienen sogar weniger als 2010.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auseinander. Im Vorjahr erreichte sie sogar einen neuen Höchststand. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Dier Bericht spricht von einem "Armutszeugnis für Deutschland".

"Immer mehr Einkommen konzentriert sich bei den sehr Reichen", heißt es in der Studie. Denn die hohen Einkommensgruppen profitierten von den in der Hochkonjunktur sprudelnden Kapital- und Unternehmenseinkommen. Dagegen seien die 40 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkommen weiter zurückgefallen - auch im Vergleich zur gesellschaftlichen Mitte, die von der guten Arbeitsmarktlage und spürbaren Lohnsteigerungen profitiert habe. Zwar wachse die Ungleichheit aktuell deutlich langsamer als noch zu Beginn des Jahrtausends, betonte die WSI-Expertin Dorothee Spannagel. Doch die Lücke zwischen den ganz Armen und den ganz Reichen werde immer größer.

"Immer mehr Menschen sind von Armut betroffen", heißt es in der Studie. Die Zahl der Haushalte, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben und deshalb nach gängiger wissenschaftlicher Definition als arm gelten, sei zwischen 2010 und 2016 von 14,2 auf 16,7 Prozent gewachsen.

Armutslücke

Und den Haushalten unterhalb der Armutsgrenze gehe es immer schlechter. Die Armutslücke - der Betrag, der dem durchschnittlichen armen Haushalt fehlt, um über die 60-Prozent-Hürde zu kommen - sei beträchtlich größer geworden. Lag der Fehlbetrag 2005 noch bei 2873 Euro im Jahr, so erreichte er 2016 inflationsbereinigt schon 3452 Euro - eine Steigerung um fast 30 Prozent.

Lohnspreizung

Einer der stärksten Treiber der Entwicklung sei die zunehmende Spreizung der Löhne in Deutschland. Eine wachsende Bevölkerungsgruppe am unteren Rand habe den Anschluss an die Lohnsteigerungen in der Mitte der Gesellschaft verloren. Die untersten zehn Prozent der Haushalte im Einkommensranking hätten 2016 inflationsbereinigt sogar weniger Einkommen gehabt als 2010, berichteten die Forscher.

Um der wachsenden Ungleichheit entgegenzuwirken, empfehlen die WSI-Experten ein ganzes Bündel von staatlichen Maßnahmen: von der Stärkung der Tarifbindung über die Erhöhung des Mindestlohnes bis zu einer stärkeren Besteuerung von Spitzeneinkommen und sehr hohen Erbschaften.

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