Spindelegger: "Wieder Schilling? Schwachsinn"

Ein Mann im Anzug gestikuliert vor der Kulisse von Salzburg.
Der ÖVP-Chef ist seit über einem Jahr im Amt. Das Prädikat "farblos" konnte er dabei nicht ablegen. Die Korruption hat ihn "menschlich enttäuscht". Jetzt ist er durch starke Sprüche zum Euro aufgefallen.

KURIER: Herr Vizekanzler, Sie drohen Ländern mit dem Rausschmiss aus dem Euro. Wurde aus Spindelegger ein Populist?

Spindelegger: Nein, aber wer sich nicht an die Regeln hält, kann nicht in der Eurozone bleiben. In Zukunft soll jeder wissen: Wer sich nicht an die Regeln hält, kann langfristig nicht in der Währungsunion bleiben. Das muss klar sein.

Strache will den Nordeuro, Stronach den Schilling und Sie kommen mit neuen Regeln für den Euro. Glauben Sie, dass Sie den Euro dadurch wieder populärer machen?

Der Euro hat nur Zukunft, wenn er eine vertrauenswürdige Währung ist. Sonst kauft doch niemand unsere Anleihen.

Die Amerikaner haben mehr Schulden als die Europäer, aber niemand diskutiert die Zukunft des Dollar. Wir schaden uns doch mit der Diskussion über den Euro.

Nein, auch über den Dollar wird diskutiert. Da muss man nur mit den Chinesen reden. Aber wir brauchen ein anderes Selbstbewusstsein, um diese Krise zu bewältigen. In Wirklichkeit müssen die Europäer den anderen zeigen, wo der Bartel den Most holt.

Bundeskanzler Faymann hat sich im KURIER für eine gemeinsame Bewirtschaftung der Schulden in Europa ausgesprochen. Wäre das eine Lösung?

Jetzt muss einmal jedes Land seinen Haushalt in Ordnung bringen, nur das bringt Vertrauen. Das Anlegergeld muss sicher sein. Ich will keine Schuldenunion. Das würde bedeuten, dass Länder aus dem Süden etwas bestellen und die Rechnung in den Norden schicken. Wir brauchen eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik, aber doch nicht, bevor wir diesen Schritt geschafft haben, eine Schuldenunion.

Faymann sagte zum KURIER auch, am Ende würde Frau Merkel nachgeben, und es würde doch gemeinsame Schulden geben.

Die Frau Merkel macht genau das Richtige, sie macht mit Hausverstand Europapolitik. Sie ist eine ausgezeichnete Vertreterin der steuerzahlenden Bürger in Europa, auch der in Österreich.

Wir als Österreicher brauchen die deutsche Kanzlerin?

Deutschland und Österreich haben hier ähnlich gelagerte Interessen. Sie passt vielleicht besser auf unser Geld auf als andere.

Besser als Faymann?

Wir Christdemokraten verstehen mehr von Wirtschaft.

Das heißt aber auch, dass die österreichische Bundesregierung, was die Rettung des Euro betrifft, völlig unterschiedlicher Meinung ist. Kann das gut sein für unser Land?

Wir haben bisher eine gemeinsame Linie gehabt. Wir haben den neuen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt gemeinsam unterstützt und das auch im Parlament, gemeinsam mit den Grünen, beschlossen. Wenn der Bundeskanzler diese Union verlassen und eine Schuldenunion machen will, dann muss er den Konsens dafür suchen – den wird es mit mir aber nicht geben. Ich bin dafür, dass wir eine gemeinsame Linie haben, das kann aber nur die Fortsetzung der bisherigen sein.

Ein Mann in Anzug gestikuliert vor einem Gebäude in Salzburg.

Frank Stronach will überhaupt gleich zurück zum Schilling.

Ich habe noch niemanden außer ihm getroffen, der das will. Fragen Sie irgendeine exportorientierte Firma in Österreich, ob sie zurück zum Schilling will. Es hängt ja jeder zweite Arbeitsplatz vom Export ab. Das wäre für unseren Export ein brandgefährliches Unternehmen, mit acht Millionen Einwohnern eine eigene Währung zu haben.

Die Rückkehr zum Schilling halten Sie also für völlig undenkbar?

Unser Schilling hat sich doch immer an der Deutschen Mark orientiert. Und jetzt sollen wir auf einmal weg von Deutschland und den anderen europäischen Exportländern gehen? Schwachsinn.

Strache wiederum spricht vom Nordeuro, also einer Währungsunion der wirtschaftlich starken Staaten. Da wäre Deutschland dabei. Könnte das gehen?

Und was ist mit den anderen Ländern, wo wir auch hin exportieren? Unser zweitwichtigster Handelspartner ist Italien. Das würde die Unternehmen, die nach Italien exportieren, gefährden. Dazu kommt, dass ich noch keinen deutschen Politiker gesehen habe, der mit Strache einen Nordeuro machen will. Der Herr Strache steht ja nicht im Verdacht, international so vernetzt zu sein, dass er von der Vorbereitung eines Nordeuros wüsste.

Wie wird das denn im Wahlkampf sein? Strache für den Nordeuro, Stronach für den Schilling und die Regierung: uneinig?

Wir als ÖVP setzen auf eine Stabilitätsunion in Europa. Da müssen wir bei dem bleiben, was wir ausgemacht haben. Alle Länder reduzieren ihre Schulden, wir halten uns an die Stabilitätsziele.Wer das nicht tut, muss mit Konsequenzen rechnen.

Kennen Sie Herrn Stronach persönlich?

Ja, er hat sich in der Vergangenheit Lorbeeren verdient, das ist unbestritten, aber jetzt tritt er sehr populistisch auf. Er will halt die 30 Prozent, die in Österreich immer gegen Europa waren, anziehen. Aber das passt alles nicht zusammen. Wer ein wirtschaftlich gesundes Österreich will, kann nicht negieren, was sich rundherum tut.

Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?

Vor ein paar Monaten.

Wollte er Sie abwerben?

(lacht) Nein. Den Versuch würde ich nicht einmal ihm zutrauen. Er hat mir erzählt, dass er bei den nächsten Nationalratswahlen 20 Prozent machen wird.

Zuletzt hat er 20 bis 30 Prozent gesagt.

Ja, so ändert sich das, das nächste Mal sagt er vielleicht 5 Prozent.

Werden auch Schwarze zu ihm wechseln?

Er hat es bei vielen versucht, das weiß ich, weil sich diese bei mir gemeldet haben. Aber es gibt keine Anzeichen dafür. Nur kann ich für die Hunderttausenden ÖVP-Mitglieder natürlich nicht die Hand ins Feuer legen, oder für einen Gemeinderat von Tripsdrill.

Soll er sein gesamtes Einkommen in Österreich versteuern, wenn er hier kandidiert?

Wenn man sagt, aus diesem Land mache ich etwas Besseres, kann man auch nicht woanders seine Steuern zahlen.

Ein Mann im Anzug überquert eine Straße in einer Stadt.

Im Wahlkampf wird das Thema Steuern eine große Rolle spielen. Die SPÖ verlangt schon Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern, von der angekündigten Steuerreform der Frau Fekter habe ich bisher nichts gehört.

Wir werden ein Steuersystem vorschlagen, das einfacher ist, leistungsorientierter – und die Familien fördert. Dieses Programm werden wir rechtzeitig vorlegen.

Und das wird sicher keine Vermögenssteuern enthalten?

Sicher nicht, und auch keine Erbschaftssteuern. Aber das Konzept verrate ich Ihnen jetzt sicher noch nicht. Es kann bei der Lage unserer Staatsfinanzen keine große Entlastung geben, aber wir können etwas für die Steuerzahler, vor allem für die Familien machen.

Man kann den Eindruck kriegen, der Bundeskanzler flirtet mit den Grünen, er wird im Sommer sogar gemeinsam mit der Grünen-Chefin Eva Glawischnig auftreten. Stört Sie das?

(lacht) Das stört mich nicht. Aber wir sagen ja schon lange: Rot-Grün ist eine wahre Bedrohung für Österreich. Wer Umverteilung will, ist bei Rot-Grün zu Hause.

Aber früher hatten Sie eine strategische Option mit der FPÖ, das scheint nach  den vielen Skandalen nicht mehr der Fall zu sein.

Niemand weiß, wie nach den nächsten Wahlen das Parlament zusammengesetzt ist.

Aber mit der FPÖ werden Sie ja wohl keine Mehrheit bekommen und mit Stronachs Europapolitik wird es auch keine Zusammenarbeit geben können, also weniger Optionen für die ÖVP, oder?

Bei der Wandlungsfähigkeit des Stronach ... da werden wir ja sehen.

Lassen wir die Parteitaktik, kommen wir zur Jugend. Jugendforscher meinen, junge Leute seien eher angepasst, sogar mutlos und nicht sehr unternehmungsfreudig.

Da habe ich persönlich eine ganz andere Wahrnehmung. Wir haben so viele Leute, die hervorragend qualifiziert sind, besser, als es früher der Fall war.

Aber trotzdem glauben Sie geringere Chancen als frühere Generationen zu haben.

Nur dann, wenn wir nicht mutige Reformen angehen. Generell beschäftigen wir uns im alten Europa zu viel mit uns selbst – wir müssen hinausschauen! Wir müssen aufhören damit, dass wir uns selber kleiner machen, als wir sind.

Nach den internationalen Rankings werden unsere Universitäten immer schlechter. Wie sollen da die jungen Leute Mut bekommen?

Deswegen müssen wir in diesem Bereich etwas tun.

Zwei Männer in Anzügen sitzen auf einer Terrasse mit Blick auf Salzburg.

Aber die Wissenschaftsminister sind ja schon lange ÖVPler. Warum tun die nichts?

Was tut der Töchterle nicht alles! Er erstellt einen Hochschulplan, er will Studiengebühren, was gut wäre für die Universitäten. Aber auch die Studenten sollen etwas beitragen

Aber die SPÖ ist gegen Studiengebühren.

Da sind wir schon beim Problem.

Aber nur wegen eines Streits über die Stu­diengebühren kann man doch nicht sagen: Wir machen keine besseren Unis.

Es gibt drei Voraussetzungen für gute Unis: frisches Geld, das machen wir auch – ab 2013 gibt es die Uni-Millarde. Dann muss es für jede Universität eine Leistungsvereinbarung geben und zum Dritten muss es Studiengebühren geben. Damit nicht jeder glaubt, es sei alles gratis – das kann nichts werden.

Sie sind seit über einem Jahr ÖVP-Obmann. Was war das Schlimmste in dieser Zeit?

Das Schlimmste waren sicher menschliche Enttäuschungen. Ich lasse mir aber von ein paar Gaunern nicht die ÖVP vermiesen. Ich bin sehr gerne Obmann der Volkspartei. Wir sind für Erneuerung. Wir haben in der Regierung viel erreicht wie das Reformpaket und das Ende der Schuldenpolitik in Österreich. Wir verhindern neue Steuern und sind für einen Pro-Europa-Kurs. Das muss uns erst einmal jemand nachmachen.

Sie wollen ein Durchgriffsrecht in der Partei, was den Landeshauptmann Pröll in Niederösterreich gar nicht beeindrucken wird.

Der Erwin hat schon gesagt, dass der Bundesparteiobmann Möglichkeiten haben muss, um einzugreifen, wenn es anders nicht geht. Das werden wir noch ausdiskutieren, hat aber keine Priorität.

Worauf werden Sie angesprochen, wenn Sie durchs Land fahren?

Erstens: Ich soll mir nichts gefallen lassen. Dann wollen die Leute ein Foto mit mir machen. Manche meinen: "Wie halten Sie das mit Kärnten und all diesen Themen überhaupt aus?" Aber ich habe noch niemanden getroffen, der meinte, er würde nicht mehr die ÖVP wählen.

Und mit welchen Sorgen werden Sie konfrontiert?

Die Menschen sorgen sich um ihre eigene Zukunft und um die Zukunft ihrer Kinder wie sichere Arbeitsplätze und die beste Ausbildung.

Noch zwei aktuelle Frage zur Außenpolitik: Zunächst Russland: Seit Putin wieder Präsident ist, wirkt die Demokratie in Russland noch mehr gefährdet. Machen Sie sich da Sorgen?

Ja, das müssen wir nicht nur beobachten, sondern auch konkret ansprechen. Dazu gibt es einen Dialog der EU mit Russland. Die Russen wollen ja eine stärkere wirtschaftliche Verflechtung mit der EU. Ich würde das begrüßen, aber da gehört das andere auch dazu, nämlich: Demokratie, Menschenrechte und Strukturen, auf die man sich verlassen kann.

Kann die EU Putin überhaupt beeindrucken?

Ja, natürlich. Jeder Staatschef, auch der eines großen Landes, ist dann berührt, wenn er weiß, dass seine Zukunft auch von Partnern abhängt. Und wie soll sich Russland ohne Europa entwickeln? Wir wollen das auch, weil es viele Gemeinsamkeiten und Anknüpfungsmöglichkeiten gibt.

Was sagen Sie zum Urteil gegen die Sängerinnen von Pussy Riot?

Ich halte dieses Urteil für unverhältnismäßig hart. Nach unsere Rechtsvorstellungen ist es völlig undenkbar. Ich habe in Salzburg schon mit Catherine Ashton (EU-Außenbeauftragte, Anm.) darüber gesprochen. Wir werden als EU Schritte gemeinsam unternehmen. Ein erfolgreiches Land braucht eine lebendige Zivilgesellschaft und aktive Bürger. Das sind Erfolgsvoraussetzungen und keine Bedrohung.

Syriens Assad ist geschwächt, aber im Amt. Wie lange gibt es ihn noch?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt noch immer einen Teil der Syrer, der auf seiner Seite ist. Wir müssen gemeinsam mit der arabischen Liga ein Szenario für die Zeit nach Assad entwickeln.

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