Kaeser: "Gut mit Löscher zusammengearbeitet"

Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser hat nach eigenen Angaben keinen Anteil am Abgang seines Vorgängers, Peter Löscher, gehabt. "Wer meint, ich hätte den Chefwechsel von langer Hand mit angestoßen, der irrt", sagte Kaeser dem Focus. "Ich habe mit Herrn Löscher sehr gut zusammengearbeitet und war an seiner Ablösung nicht beteiligt", so Kaeser gegenüber den Nürnberger Nachrichten. Der Aufsichtsrat habe entscheiden müssen, ob Löscher das Amt weiter führen soll - und falls nicht, wer dann nachfolgen sollte. "Ich stand ständig mit Herrn Löscher in Kontakt und wir haben uns beide darüber ausgetauscht, dass wir nicht gegeneinander arbeiten", sagte Kaeser.
Kaeser hatte stets betont, eng an der Seite Löschers zu stehen, doch bei Gelegenheit ließ er auch Zweifel an dessen Kurs durchschimmern. So soll er frühzeitig beim Aufsichtsrat vor Defiziten des von Löscher initiierten Sparprogramms gewarnt haben. Im Interview mit dem Spiegel sagte Kaeser laut einer Vorausmeldung des Magazins am Samstagabend, weitere Flops wie die verzögerte Auslieferung neuer ICE-Züge unter Löscher könne Siemens sich nicht leisten.

Der Spiegel berichtete, im Aufsichtsrat herrsche nach der Ablöse Löschers weiterhin Unruhe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es zu weiteren personellen Konsequenzen komme. Kaeser kündigte an hingegen, das Unternehmen müsse nun "beruhigt und befriedet" werden.
Konzern muss unter die Top-Firmen
Auch will der neue Siemens-Chef den Münchener Technologiekonzern wieder unter die Top Unternehmen der Branche führen. In zahlreichen Interviews am Wochenende schwor Kaeser die nach dem Machtkampf an der Siemens-Spitze verunsicherte Belegschaft auf den neuen Kurs ein: Siemens-Werte wie Kundennähe, Ingenieurskunst, Innovation, das Gespür für Qualität und Zuverlässigkeit sollen künftig verstärkt im Vordergrund stehen.
"Unser Anspruch ist, technisch und wirtschaftlich zu den Besten in der Branche aufzuschließen. Doch wir sind zuletzt zurückgefallen, das müssen wir wieder ändern", sagte Kaeser den Nürnberger Nachrichten.
Sparkurs wird fortgesetzt
Dabei merkte der bisherige Finanzvorstand an, dass der Münchener Konzern auch in Sachen Rentabilität gegenüber Konkurrenten wie General Electric aus den USA wieder aufholen müsse. "Das ist enorm wichtig, um die Zukunft des Unternehmens gestalten zu können. Nur wer genug verdient, kann auch in Innovationen und damit in Arbeitsplätze investieren", machte Kaeser in der "Passauer Neue Presse" deutlich. Daher würde auch das von Löscher eingeleitete Programm Siemens 2014, mit dem die Kosten um sechs Milliarden Euro gedrückt werden sollen, fortgeführt, kündigte Kaeser an, der nach hartem internen Machtkampf am Mittwoch zum Nachfolger von Löscher als Vorstandschef gekürt worden war.
Kerngeschäft Elektrifizierung
Wachstumschancen sieht Kaeser in der Energiegewinnung, der Elektromobilität, Automatisierungs- und Antriebstechnik sowie in der Gesundheitstechnik mit bildgebender Verarbeitung. "Die Elektrifizierung ist nun mal das Kerngeschäft von Siemens. Deshalb werden wir das Unternehmen auch an seiner Wertschöpfungskette entlang weiter entwickeln", sagte Kaeser dem Spiegel. Dabei meine Elektrifizierung ja nicht nur Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung. "Denken Sie nur an unterbrechungsfreie Stromversorgung für die hiesigen Datenzentren in unserer Internet-geprägten Welt. Auch die Energiegewinnung in der Tiefsee oder Prozesse für das sogenannte Fracking erfordern besondere Fachkompetenz in der Elektrifizierung", sagte der 56-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren bei Siemens arbeitet. Ein riesiges Thema sei auch die Automatisierung und Steuerungstechnik für Mobilitätsinfrastrukturen. So müssten die Länder dieser Welt die Kosten der urbanen Infrastruktur pro Bürger senken.
"Siemens nicht neu erfinden"
An der von Löscher eingeführten Konzernstruktur mit den vier Sektoren Industrie, Energie, Medizin und Infrastructure & Cities will Kaeser festhalten. "Ich will Siemens nicht neu erfinden. Und die vier Sektoren stehen als Ausgangsbasis", sagte Kaeser den Nürnberger Nachrichten. "Man kann sicher diskutieren, ob für das spannende Thema 'Urbane Zentren und Infrastruktur' wirklich ein eigener Sektor hätte geschaffen werden müssen. Aber die Entscheidung ist so gefallen und das ist es jetzt einmal fürs Erste."

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Abgang von Löscher hatte Kaeser am Mittwoch ein Ende des jahrelangen Umbaus des 370.000 Mitarbeiter starken Konzerns versprochen, der Zehntausenden den Job gekostet hat. "Die höchste Priorität ist nicht ein weiteres Restrukturierungsprogramm, sondern die Beruhigung des Unternehmens und die Stabilisierung der inneren Ordnung", hatte Kaeser betont, der offiziell die Aufgaben von Löscher ab dem 1. August übernommen hat. Sowohl die fallen gelassene Renditeprognose von zwölf Prozent bis 2014 als auch das mittelfristige Umsatzziel von 100 Mrd. Euro hätten keine Priorität, hatte Kaeser betont. Allerdings werde es weiter neben den Mitarbeitern auch um die Marge gehen.
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