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Wirtschaft

Schwarzgeld: Wie die Schweiz geknackt wird

Österreich kämpft um Einnahmen aus dem in der Schweiz gebunkerten Milliardenschatz.

02/22/2012, 10:39 AM

Hätte Konrad Hummler seine Weisheiten für sich behalten – wer weiß, vielleicht gäbe es seine Bank dann noch. Seine Bank, Wegelin, haben die USA versenkt. Als erste ausländische Bank der Geschichte haben die USA sie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verklagt. 1,2 Milliarden US-Dollar soll Wegelin vor dem US-Fiskus versteckt haben; jetzt wurde sie filetiert und verkauft. Wegelin ist klein, nicht „systemrelevant“. Das perfekte Ziel für einen Schuss vor den Bug im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA. Und das perfekte Ziel für die USA, um einen besonders unliebsamen Banker zu treffen: Wegelin-Chef Hummler bedient Klischees über „den Schweizer Banker“ wie kein anderer: Er ist der dreisteste von allen, bekannt für markige Sprüche. Wie etwa: Kapitalflucht ins Ausland sei nur ein Akt der „Notwehr“.

Die Krise hat eingeschlagen, die Staatskassen sind leer. Deshalb hat der Run auf das Schwarzgeld in der Schweiz begonnen: Neben den USA wollen auch Großbritannien und Deutschland nicht länger auf ihre Steuereinnahmen verzichten. Die USA klagen, Großbritannien und Deutschland haben Abkommen geschmiedet. Österreich will nachziehen und mit der Schweiz und Liechtenstein Verträge schließen – und allein von der Schweiz eine Milliarde Euro haben.

Ulrich Thielemann leitet in Berlin einen Thinktank für Wirtschaftsethik, er sagt: „Die Schweiz ist die wohl bedeutendste Steueroase. Die Schweizer Banker prahlen ja selbst damit, dass ein Drittel des Schwarzgeldes der gesamten Welt dort lagert.“ Bestätigte Zahlen gibt es nicht, aber Schätzungen: Die britischen Strategieberater Booz & Company bezifferten 2010 das Auslandskapital auf Schweizer Konten mit 1,7 Billionen Euro – fünfeinhalb mal die Wirtschaftsleistung Österreichs pro Jahr. 60 Prozent dieser 1,7 Billionen sind unversteuert, schätzt Booz.

Motor

Die Banken sind der Motor der Schweizer Wirtschaft; allein die zwei größten, Credit Suisse und UBS, sorgen für je sechs Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Bankgeheimnis ist ein Teil der nationalen Identität.

Thielemann: „Die Banken haben das bewusst geschürt. Etwa indem sie den Mythos in die Welt gesetzt haben, man hätte das Bankgeheimnis eingeführt, um jüdisches Gold vor den Nazis zu schützen. Eine glatte Lüge“.Tatsächlich wurde das Gesetz 1935 verschärft, weil etliche Franzosen aufgeflogen waren, die ihr Geld in der Schweiz versteckt hatten.

Auch die Schweizer selbst hinterziehen fleißig Steuern: Schätzungen gehen von 20 Milliarden Euro pro Jahr aufwärts aus. Viele Banker „sind überzeugt, dass sie legitim handeln. Sie halten Steuern ohnehin letztlich für Diebstahl“, sagt Thielemann.

Die Briten und die Deutschen sind der Ansicht, dass Steuerhinterziehung über Schweizer Konten Diebstahl ist. Sie haben ausgehandelt: Die Schweiz hebt die Steuern für die Herkunftsländer ein und überweist sie nach Berlin und London. Dafür bleibt das Bankgeheimnis unangetastet, ohne das die Schweiz den Standortvorteil als Schwarzgeldoase sofort los wäre.

Österreich will nachziehen: Im Sparpaket ist ein Abkommen nach diesem Vorbild eingeplant – und am Freitag wurde bekannt, dass auch mit Liechtenstein ein solcher Vertrag kommen soll.

Muskeln

Das Schweizer Maklerbüro Helvea hat 2009 geschätzt, dass 17 Milliarden Euro aus Österreich in der Schweiz lagern – größtenteils unversteuert. Während EU-Staaten die Schweizer nur mit Samthandschuhen melken, packen die USA kräftig zu: Sie haben bereits 2007 der UBS 780 Millionen Dollar Pönale und die Namen von 4450 Kunden abgepresst. Es gibt längst ein Auskunftsabkommen, aber die USA wollen jetzt die umfassenden Abfragen – US-Steuersünder wären in der Schweiz nicht mehr sicher. Um Druck zu machen, nehmen die USA parallel zu den Verhandlungen die Banken ins Visier – neben Wegelin zehn andere.

Nationalbank-Präsident Claus Raidl hält ein Steuerabkommen nach deutschem Vorbild „für praktikabel, weil es Geld bringt. Fairer wäre es aber, wenn die Leute nicht anonym blieben.“ Er würde vollen Datenaustausch bevorzugen – inklusive Sünder-Namen. Auch Thielemann kritisiert: „Die Abkommen schreibt die Bankenlobby. Sie sieht, dass ihre Blockade nicht mehr durchzuhalten ist. Also will sie irgendwie das Bankgeheimnis retten.“

Der Schweizer Kapitalismus-Kritiker Jean Ziegler ist überzeugt, dass das Bankgeheimnis bleibt, aber dass der Datenaustausch früher oder später kommen wird (siehe Interview) . Spielen die EU-Staaten mit ihren Verträgen also erst recht den Steuersündern in die Hände? Könnten sie mehr Daten, sogar Namen herausholen, wenn sie so forsch wie die USA vorgingen? Thielemann ist davon überzeugt.

Man kann diese Frage aber auch einfach den Banker Konrad Hummler beantworten lassen. Als er vom Vertrag zwischen Deutschland und der Schweiz erstmals gehört hat, hat er gesagt: „Voll geil!“

Vertrag mit der Schweiz: Laufende Steuereinnahmen und Kompensation

Die Vorbilder Deutschland und Großbritannien haben ausgehandelt: Die Schweiz besteuert das Kapital ihrer Staatsbürger und überweist das Geld nach Berlin und London, ohne Namen zu nennen. Dazu kommt eine Kompensation für die Verluste der letzten Jahre. Deutschland rechnet mit zehn Mrd. Euro, derzeit blockiert der Bundesrat den Pakt. Italien erwägt wie Österreich, dem Beispiel zu folgen.

Der Fortschritt Österreich hat 2013 eine Milliarde und für die Folgejahre 50 Mio. einkalkuliert. Laut OeNB-Präsident Raidl ist der Zeitplan machbar, weil es Deutschland als Vorbild gibt. Raidl hält auch die Summen für realistisch. Auch mit Liechtenstein wird ein Pakt verhandelt, um Steuersündern den Fluchtweg abzuschneiden. Hier gibt es aber noch keine Schätzungen zur Summe. Generell gilt: In Liechtenstein liegt nur ein Zwanzigstel des Geldvolumens des Schweizer Marktes.

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