Scharfe Kritik an Textil-Herstellern

Nach der Brandkatastrophe in einer Textilfabrik in Bangladesch wächst der Unmut über Produzenten von Billigkleidung. Die WKO nimmt auch die Konsumenten in die Pflicht.

Nach der verheerenden Brandkatastrophe in einer Textilfabrik in Bangladesch wird die Kritik an westlichen Bekleidungskonzernen immer lauter. Der US-Handelsriese Wal-Mart zieht nun Konsequenzen: Die Fabrik dürfe nicht länger für Wal-Mart produzieren, die Zusammenarbeit werde beendet. Ein Lieferant habe "ohne Genehmigung" Arbeiten an die Firma weitergegeben, teilte Wal-Mart mit

Am Wochenende war in der Fabrik Tazreen Fashion Limited in der Hauptstadt Dhaka, die unter anderem für Wal-Mart, C&A und das Modelabel des US-Rappers P. Diddy produziert, ein großes Feuer ausgebrochen. Mehr als tausend Arbeiter wurden in den oberen Stockwerken der neunstöckigen Fabrik von den Flammen eingeschlossen. Viele sprangen aus Panik aus den Fenstern. 110 Menschen kamen ums Leben, über 200 wurden verletzt.

Im Zusammenhang mit dem Brand leitete die Polizei Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Brandstiftung ein. Der Besitzer der Fabrik ist auf der Flucht, nach ihm wird gefahndet.

Am Montag brach dann in einer anderen Textilfabrik in Dhaka erneut ein Feuer aus. Diesmal konnten die Einsatzkräfte das Feuer aber schnell unter Kontrolle bringen. Neun Personen wurden verletzt.

Trauertag in Bangladesch

Nach den Bränden sind am Dienstag tausende Arbeiter in Bangladesch auf die Straßen gegangen. Sie prangern die oftmals schlechten Produktionsbedingungen an und fordern mehr Arbeitssicherheit.

Die Regierung versuchte, die Stimmung zu besänftigen und erklärte den Dienstag zum offiziellen Trauertag. Zudem verfügte die Regierung per Dekret, dass die rund drei Millionen Arbeiter in der Textilbranche einen Tag lang nicht arbeiten mussten.

KiK will "Null-Toleranz-Politik"

Auch der deutsche Textildiskonter KiK hatte in der Fabrik in Bangladesch bis August nähen lassen. KiK-Chef Michael Arretz sagte der Welt, die Notwendigkeit des Feuerschutzes sei "einfach noch nicht in allen Köpfen in den Produktionsländern angekommen" . Notfalls müssten die großen Handelskonzerne das gemeinsam in die Hand nehmen, wenn der staatliche Verband in Bangladesch, der für den Brandschutz zuständig ist, nicht vorankommt. KiK hatte in der Fabrik in Bangladesch bis August nähen lassen.

Der Billiganbieter ließ auch in einer Fabrik im pakistanischen Karachi Jeans fertigen, in der bei einem Brand im September mindestens 289 Arbeiter starben. Arretz plädierte für "eine Null-Toleranz-Politik" der Handelskonzerne: "Hersteller, die gegen Vorschriften verstoßen, werden abgemahnt und verlieren im Wiederholungsfall den Auftrag." Darüber sei KiK auch mit anderen Händlern aus Europa in Gesprächen. "Brandschutz ist ja nicht so kompliziert - das macht die jüngsten Vorfälle umso tragischer."

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Textilproduzent der Welt. Vor allem Arbeiterinnen produzieren in den rund 4.500 Fabriken unter oft schwierigen Bedingungen Waren für westliche Bekleidungskonzerne. Der Monatslohn für Arbeiter in der Textilbranche liegt bei etwa 28 Euro.

NGOs fordern Firmen zum Handeln auf

"In Bangladesch starben in den letzten sechs Jahren über 600 Menschen bei Bränden in Textilfabriken", sagt Michaela Königshofer von der Clean Clothes Kampagne (CCK) Österreich. "Viele Fabriken sparen sich alle Brandschutzmaßnahmen, haben keine Notausgänge, verstellte Türen, vergitterte Fenster. Mitunter werden im Brandfall sogar die Tore vom so genannten Sicherheitspersonal verschlossen gehalten, damit niemand Waren oder Nähmaschinen aus der Fabrik mitnehmen kann", berichtet Königshofer in einer Aussendung von ihren eigenen Erfahrungen in Bangladesch.

Die Clean Clothes Kampagne, medico international und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) fordern deshalb einen "grundlegenden Wandel im Umgang mit den Sicherheitsvorkehrungen in Bekleidungszulieferbetrieben". Die mangelnden Brandschutzvorkehrungen seien aber nicht das größte Problem. "Die Entlohnung der ArbeiterInnen liegt oft unter der Armutsgrenze von zwei Dollar, die Arbeitszeit bei zehn bis vierzehn Stunden täglich, gewerkschaftliche Organisation ist untersagt oder wird massiv behindert", kritisiert Christine Esterbauer, Koordinatorin der Urgent Actions der CCK. Als erster Schritt müsse man die Betroffenen nun angemessen entschädigen.

Mehr Augenmerk bei Billigprodukten

Auch der österreichische Fachverband Textil-, Bekleidungs-, Schuh und Lederindustrie hat sich am Dienstag zu den Vorfällen in Bangladesch zu Wort gemeldet. Dessen Chefs Franz J. Pitnik und Wolfgang Sima appellieren an die österreichischen Konsumenten, "ihr Einkaufsverhalten verstärkt an sozialen Produktionsbedingungen zu orientieren und daher österreichische Mode vermehrt nachzufragen". Diese werde nicht in Fabriken in Indien, Pakistan oder Bangladesch, sondern hauptsächlich in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn, Bulgarien oder Rumänien hergestellt. "Ein ruhiges Gewissen ist ein gutes Ruhekissen", sagt Sima.

Informationen von NGOs, wonach C&A und Kik in der Fabrik in Bangladesch auch Kleidung für den österreichischen Markt produzieren ließen, wurden von den Unternehmen auf KURIER-Anfrage nicht bestätigt.

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