Saubere Geschäfte in China
Nach dem Austausch von Höflichkeiten stellt Al Baojun, VizeBürgermeister der glitzernden Millionenmetropole Schanghai, jene Frage, die ihn derzeit intensiv beschäftigt. "Ich verstehe nicht, warum die Staatsschulden von einem kleinen Land wie Griechenland einen so großen Einfluss auf Europa und die ganze Welt haben. Die Wirtschaft in Europa läuft doch gut. Können Sie mir das erklären?"
Der Vize-Chef der 23 Millionen Einwohner großen Boomstadt im Delta des Yangtze war nicht der einzige hochrangige Gesprächspartner, der Wirtschaftskammer-Präsident
Christoph Leitl um Aufklärung in der Euro-Krise bat. Und der sehr nachdrücklich die Hoffnung aussprach, dass die Eurozone nicht auseinanderbricht. Die EU-Kommission startet mit 26. Oktober eine Informationskampagne in
China, um einer breiten Öffentlichkeit den Euro zu erklären.
5-Jahres-Plan
Büro der Weltbank im smogverhangenen Peking. "
China wird die nächsten zehn Jahre wirtschaftspolitisch bestimmen und ist die Hoffnung der Welt, dass diese Rezession nicht eine globale Krise wird", sagt Klaus Rohland, Direktor für China. China soll bereits Anleihen von Spanien und Portugal aufgekauft haben.
Die große Herausforderung sieht Rohland allerdings bei der Lösung der gigantischen Umwelt- und Energieprobleme, die oberste Priorität im mit März angelaufenen 12. Fünf-Jahres-Plan hat. Für österreichische Unternehmen, die mit Direktinvestitionen in China bereits recht erfolgreich sind, tun sich damit enorme neue Chancen auf. Weshalb
Leitl nun mit einer großen Delegation heimischer Firmen vor Ort das Potenzial sondierte.
"Nachdrückliches Ziel des neuen Fünf-Jahres-Planes ist die Umstrukturierung der Wirtschaft in Richtung sparsamerer Einsatz von Ressourcen und Umweltfreundlichkeit", erklärt Xu Xian Ping, seines Zeichens Vize-Chef der NDRC, den Unternehmensvertretern. Diese National Development and Reform Commission ist die Wächterin über den Fünf-Jahres-Plan. Die Summen, die bis 2015 investiert werden sollen, sind gewaltig.
Umgerechnet fast 80 Milliarden Euro in die Verbesserung der Energie-Effizienz und mehr als 56 Milliarden Euro in Umweltschutzmaßnahmen. 85 Prozent der verschmutzten Abwässer, 72 Prozent der Industrie- und 98 Prozent der Haushalts-Abfälle sollen aufbereitet werden. "Österreich hat bei der Verkehrs-Infrastruktur und im Umweltschutz führende Technologien und viel Erfahrung. Wir laden daher österreichische Unternehmer herzlich ein, sich gemeinsam mit chinesischen Partnern weiter zu engagieren", macht Xu Sian Ping den Firmen auf der Kontaktbörse Sino-Austria-Connect, eine Art Speed-Dating zwischen österreichischen und chinesischen Unternehmen, Hoffnung. Nachsatz: "Sie können auch viel Geld verdienen." Dazu
Leitl: "Wir müssen die Technologie- und Forschungskooperationen verstärken und uns noch stärker anstrengen, vor allem in Planung und Engineering."
Ein Unternehmen, das sich in China bereits tüchtig angestrengt hat, ist der börsenotierte Faserhersteller Lenzing. 145 Millionen Euro sind in das Werk in Nanjing investiert, eine Verdoppelung in den nächsten fünf Jahren ist geplant. Dieser Tage wurde eine weitere Produktionslinie mit 225 neuen Jobs eröffnet.
"China ist der wichtigste Viskosemarkt. Wir wollen nahe bei unseren Kunden sein, hier ist auch die Konkurrenz", erwartet Lenzing-Chef Peter Untersperger weitere Rekordergebnisse. Lenzing ist nach dem Leiterplattenhersteller AT&S mit Großaktionär Hannes Androsch, der sein Engagement in China wie berichtet auf 1,2 Milliarden Euro verdoppeln will, der zweitgrößte rot-weiß-rote Investor.
Zu kämpfen hat dagegen die Linz Textil, deren Produktion gleich hinter Lenzing hochgezogen wurde. Dort wird die Viskose zu Garnen weiter verarbeitet. Die chinesischen Textilhersteller wollen, erklärt Manager Florian Kuntner, "immer noch niedrigere Preise, Qualität ist zweitrangig".
Facharbeiter-Ausbildung
Da die chinesische Export-Industrie in einem Radius von 250 Kilometern an der Küste konzentriert ist, werden dort mittlerweile die Facharbeiter knapp. Die Wirtschaftskammer startet daher gemeinsam mit dem CCPIT, dem China Council for the Promotion of International Trade, ein Programm zur Qualifizierung von Arbeitnehmern. Lehrlingsausbildung in China? So etwas Ähnliches ist tatsächlich in Vorbereitung. Kammer-Chef Leitl: "Wir bieten unsere dualen Ausbildungseinrichtungen für Kooperationen an."
Probleme: Lohnsteigerungen, Demografie, Verschuldung
Noch ist
China der globale Wachstumsmotor, doch das 1,5 Milliarden Einwohner große Land kämpft zunehmend mit Problemen. Die Industrie muss ans "höhere Ende der Wertschöpfungskette gelangen", diagnostiziert die
Weltbank. In den nächsten fünf Jahren wird
China 80 Millionen Jobs an billiger produzierende asiatische Konkurrenten verlieren.
Jetzt werden auch die Folgen der Ein-Kind-Politik schlagend. 2015 werden mehr Menschen in Pension gehen als neu in den Arbeitsmarkt einsteigen. Eine staatliche
Altersvorsorge gibt es nicht, in einigen Provinzen testet die Regierung Pilotprojekte für Pensionsmodelle.
Die Sparquote ist mit 45 Prozent außerordentlich hoch. Durch die gebremste Nachfrage in
Europa und den
USA muss es gelingen, den Inlandskonsum stärker anzukurbeln. Erstmals seit 20 Jahren droht
China 2012 ein Außenhandelsdefizit. Die Inflation galoppiert davon, Schweinefleisch wurde innerhalb eines Jahres um 30 Prozent teurer.
Genaue Zahlen über die Staatsverschuldung existieren nicht, doch wird sie auf 75 bis 80 Prozent geschätzt. Die lokalen Körperschaften, quasi die Gemeinden, sind hoch verschuldet. Sie finanzierten sich jahrelang über die Umwidmung in Bauland. Dies funktioniert angesichts von Millionen leer stehenden Immobilien nicht mehr.
Sollte die Immo-Blase platzen, wären die Folgen aber nicht so verheerend wie in den
USA, da der Eigenkapital-Anteil bei 60 Prozent liegt. 80 Prozent der Banken befinden sich im Staatsbesitz und sind damit besser steuerbar.
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