Pandemie sorgt für Rekordabsatz bei Brillen

Schenkt man einer australischen Studie Glauben, ist das Geschäft der Optiker bis auf Weiteres abgesichert. „Demnach werden bis zum Jahr 2050 rund 50 Prozent der Bevölkerung kurzsichtig sein“, sagt Martin Höffinger, Chef der Fachhandelskette United Optics. Aktuell liege die Quote bei 25 Prozent. Tendenz steigend, zuletzt auffällig oft bei Kindern und Jugendlichen.
Das führt Höffinger unter anderem auf das verstärkte Homeschooling und die vielen Stunden vor dem Bildschirm zurück: „Das Auge ist durch Digitalisierung und verstärkten Medienkonsum gefordert. Studien belegen bereits, dass dadurch die Kurzsichtigkeit bei Jüngeren enorm steigt.“
Intensives Nahsehen
Eine Beobachtung, die auch Markus Gschweidl, Bundesinnungsmeister der Augenoptiker/Optometristen, bestätigt: „Unsere Kunden werden immer jünger, weil viele – auch schon Kinder – zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringen. Nicht nur vor dem Computer, sondern allen voran mit dem Handy. Dieses intensive Nahsehen fördert leider die weltweit zunehmende Kurzsichtigkeit.“ Mit einer speziellen Computerbrille arbeiten allerdings bisher nur 10 Prozent der jüngeren Brillenträger. Das dürfte sich nun ändern: „Wir merken in letzter Zeit eine erhöhte Nachfrage nach Brillen für die Bildschirmarbeit“, sagt Gschweidl.
Rekordabsatz
Im Vorjahr haben sich in Österreich so viele Menschen wie noch nie eine Brille gekauft, so das Ergebnis einer Spectra-Analyse. 1,5 Millionen Menschen ab 16 Jahren (bzw. 36 Prozent) haben demnach eine neue Sehhilfe gekauft, im Jahr davor waren es nur 23 Prozent (Sonnen- und Schutzbrillen nicht mitgerechnet). In Österreich benötigen bereits jetzt 59 Prozent der Bevölkerung eine Sehhilfe, ob aufgrund von Kurz- oder Weitsichtigkeit.
Gestiegen ist in der Pandemie auch die Nachfrage nach Hörgeräten. United-Optics-Partner (insgesamt 71 Millionen Euro Umsatz im Bereich Optik und 11 Millionen im Bereich Hörakustik) sprechen von durchschnittlichen Wachstumsraten von fünf Prozent im Jahr.
Zu United-Optics gehören aktuell 88 Standorte, davon 68 in Österreich. „In drei Jahren wollen wir auf 100 Standorte kommen“, so das Ziel Höffingers, der seit Oktober Chef der Gruppe ist – und zuvor beim Konkurrenten Pearl war. Seit Ausbruch der Pandemie hätten die Partner-Betriebe um ein Fünftel mehr Hörtests durchgeführt als zuvor.
Im Schnitt kostete eine Brille rund 215 Euro. Frauen geben laut Statistik mit 223 Euro um 18 Euro mehr aus als Männer. Doch diese holen auf: Denn dieser Unterschied lag vor fünf Jahren noch bei satten 53 Euro. Frauen sind jedoch auch in großer Mehrheit von 63 Prozent auf eine Brille angewiesen. Bei den Männern sieht nur knapp über die Hälfte schlecht, nämlich 55 Prozent, so die Spectra-Umfrage.
Markt
Der Optik-Markt und seine rund 1.1000 Geschäfte in Österreich sind fest in Händen der großen Ketten. Hartlauer, Pearl, Fielmann und United Optics teilen sich rund 60 Prozent des Marktes untereinander auf, vor 20 Jahren lag die Quote noch bei etwa 40 Prozent.
Maskenpflicht
Laut Höffinger ist das ein Nebeneffekt der Maskenpflicht. Wer nicht gut hört, könnte dieses Defizit kaum mehr durch das Lesen von Mimik und Mundbild des Gegenübers kompensieren. „Betroffene haben schneller erkannt, dass sie schlecht hören und sich Hilfe gesucht“, meint Höffinger.
90.000 Hörgeräte
Aktuell werden österreichweit rund 90.000 Hörgeräte im Jahr verkauft – in der Preisklasse von 500 bis 3.000 Euro und mehr, sagt er. In Zeiten, in denen in der U-Bahn und überhaupt im öffentlichen Raum so gut wie jeder einen Stöpsel im Ohr habe, sei ein Hörapparat immer weniger Tabu-Thema.
Neuroth, Österreichs führendes Hörakustik-Unternehmen, verweist für das Geschäftsjahr 2020/’21 auf ein Umsatzplus von 14 Prozent auf 17 Mio. Euro. „Der Bedarf an Hörgeräten steigt kontinuierlich, ist aber bei Weitem nicht gedeckt. Oft ist die Hemmschwelle noch groß“, sagt Geschäftsführer Lukas Schinko.
Aus seiner Sicht ist die Hemmschwelle, sich ein Hörgerät zu kaufen, bei vielen nach wie groß. Wachsen will das Grazer Unternehmen mit aktuell 260 Standorten in sieben Ländern (1200 Mitarbeiter) vor allem in Südosteuropa, etwa in Serbien, wo Neuroth bereits sieben Standorte hat.
Kommentare