Osteuropa besser auf Schocks vorbereitet

Eine Person geht vor dem Gebäude der US-Notenbank in Washington, D.C..
Ende der Geldflut. Die Kurswende der US-Notenbank hat Folgen für die Schwellenländer.

Wenn die USA niesen, kriegt der Rest der Welt Schnupfen“, sagt ein altes Börsensprichwort. Aus aktueller Sicht müsste es heißen: Setzen die USA die Medikamente ab, droht dem Rest der Welt ein Schockzustand.

In den nächsten Monaten wird die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihre finanziellen Heilmittel für die schwächelnde Wirtschaft schrittweise reduzieren. Weltweit warten Anleger und Finanzinstitute nervös auf diese Entwöhnungskur.

Ein Job für Janet

Ben Bernanke und Janet Yellen bei einer Anhörung.
epa03985128 Outgoing Chairman of the Federal Reserve Ben Bernanke (L) and incoming Chair Janet Yellen (R) attend a Board of Governors meeting to discuss the final version of the so-called 'Volcker Rule' in Washington, DC, USA, 10 December 2013. The Volcker Rule prohibits insured depository institutions and bank holding companies from engaging in short-term proprietary trading of any security or derivative. EPA/JIM LO SCALZO
Noch kauft die Fed Monat für Monat Wertpapiere um 85 Milliarden Dollar. Das soll der US-Konjunktur auf die Sprünge helfen und hat zugleich die Aktienkurse auf Rekordniveau getrieben. Gelegenheit, die Geldspritzen zu reduzieren („Tapering“), hat Fed-Chef Ben Bernanke schon diesen Mittwoch. Dem Patienten, der US-Wirtschaft, geht es viel besser: Die Arbeitslosigkeit ist auf sieben Prozent gesunken – dort war sie zuletzt vor fünf Jahren. Viele Experten glauben aber, dass Bernanke das Ausschleifen der Hilfen Nachfolgerin Janet Yellen überlässt, die im März 2014 übernimmt.

Die Operation gilt als heikel: Als Bernanke im Sommer 2013 nur andeutete, die Dosis verringern zu wollen, gab es rund um den Erdball finanzielle Turbulenzen. Besonders stark litten darunter Länder wie Türkei, Südafrika, Indonesien oder Indien.

Osteuropa gerüstet

Auch in Osteuropa – wo Österreichs Unternehmen stark vertreten sind – war der Schock kurzzeitig zu spüren.

„Für die Schwellenländer wird die Reaktion auf die US-Geldpolitik in den nächsten zwei Jahren entscheidend sein“, sagte Magdalena Polan, Osteuropa-Expertin bei Goldman Sachs in London, zum KURIER. „Sollten die Zinsen in den USA außergewöhnlich rasch steigen, droht eine neuerliche Kapitalflucht aus diesen Märkten.“ Der Grund: Mit steigenden US-Zinsen werden Investitionen in Schwellenländern weniger attraktiv.

Die Länder Ost- und Südosteuropas stünden heute viel besser da als beim Ausbruch der Krise 2007, sagt die Ex-IWF-Ökonomin: „Ihre Schieflage ist geringer, der Finanzsektor ist weniger verwundbar und die Budgets sind so weit saniert, dass keine Sparpolitik mehr nötig ist.“ Länder mit stabiler Politik und soliden Finanzen wie Tschechien seien gut gegen Schocks gerüstet. Als stärker exponiert sieht Polan Ungarn, wo die Investitionen zurückgehen. Goldman Sachs glaubt nicht, dass in Osteuropa nach 2016 die hohen Wachstumsraten zurückkehren: „Das sind keine jungen aufstrebenden Länder mehr, sondern sie nähern sich den EU-Industriestaaten an.“ www.kurier.at/wirtschaftNachgefragt: Magdalena Polan

Wo kommt das Wachstum her?

2014 und 2015 werden die hochentwickelten Industriestaaten erstmals seit langer Zeit mehr zum Wachstum der Weltwirtschaft beitragen als die Schwellenländer (wie China, Indien oder Brasilien, Anm.). Die USA haben bereits viele ihrer Probleme abgearbeitet, die Eurozone erholt sich allmählich, nicht zuletzt dank Deutschland und fortschreitender Reformen in der Peripherie. Davon profitieren die Länder in Mittel- und Osteuropa, die über Handelsbeziehungen stark mit dem Euroraum verbunden sind. Wir glauben aber nicht, dass die Länder in Osteuropa nach 2016 zu ihren früheren hohen Wachstumsraten zurückkehren: Sie sind keine jungen aufstrebenden Länder mehr, sondern nähern sich den fortgeschrittenen EU-Industriestaaten an.

Gefahren der US-Geldpolitik

Für die Schwellenländer wird die Reaktion auf die US-Geldpolitik in den nächsten zwei Jahren entscheidend sein. Sollten die Zinsen in den USA außergewöhnlich rasch steigen, droht eine neuerliche Kapitalflucht aus diesen Märkten. Das kann zur Abwertung der Landeswährungen und steigenden Finanzierungskosten für die betroffenen Länder führen. Als die US-Notenbank Federal Reserve im Sommer 2013 andeutete, ihre Anleihenkäufe womöglich zu reduzieren, fielen die Reaktionen heftig aus. Besonders Länder wie Türkei, Südafrika, Indonesien, Indien und einige weitere Länder haben sehr gelitten. In Osteuropa waren diese Schocks nicht von Dauer.

Hat Osteuropa die Krise verdaut?

Die Region Ost- und Südosteuropa wurde als erste von der Krise hart getroffen. Ungarn hat 2008 als erstes Land in Europa ein Hilfsprogramm mit der EU und dem IWF vereinbart. Heute ist die Region viel besser aufgestellt: Der Finanzsektor ist weniger verwundbar, die Schieflage der Wirtschaft geringer und die Budgets sind so weit saniert, dass keine Sparpolitik mehr nötig ist. Die Inflation ist gering, somit können die Zentralbanken die Erholung der Wirtschaft unterstützen. In Osteuropa sind einige Staaten nun besser gegen solche Schocks einer Kapitalflucht gerüstet – und zwar jene, die eine stabile Politik verfolgen, solide Finanzen, gute Wirtschaftsdaten und hohe Sparguthaben im Land haben: Die Tschechische Republik zum Beispiel ist nicht auf ausländische Finanzierung angewiesen und gehörte im Sommer sogar zu den Profiteuren.

Welche Länder sind gefährdet?

Ungarn ist viel stärker exponiert, hier gibt es die größte Unsicherheit. Hier gab es Kapitalabflüsse, die Investitionen gehen seit fünf Jahren zurück. In Ungarn verschwimmen die Trennlinien zwischen der Finanzpolitik und dem Agieren der Zentralbank. Weil diese die Zinsen jetzt sehr rasch senkt, könnte sie später gezwungen sein, viel heftiger gegenzusteuern. Es gibt aber auch gute Seiten: Ungarn hat sein Budget saniert und will das Defizit unter drei Prozent halten – allerdings ist die Verschuldung mit 80 Prozent der Wirtschaftsleistung unverändert hoch. Positiv ist die Entscheidung der Nationalbank, den Geldinstituten Null-Zins-Kredite bereitzustellen. Diese können sie an Klein- und Mittelbetriebe weitergeben, dürfen aber maximal 2,5 Prozent Zinsen verlangen. Dieses Wachstumsprogramm soll nun auf zwei Billionen Forint aufgestockt werden – das wären 6 Prozent des BIP. Damit reagiert Ungarn auf die Kreditklemme, zumal die Banken gezwungen sind, ihr Geschäft zu reduzieren.

Sollten sich Banken zurückziehen?

Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen würden die Banken ein Land nicht verlassen. Dafür machen sie zu gute Gewinne - in Polen, der Tschechischen Republik, sogar in Rumänien und Bulgarien. Einige der westlichen Banken, darunter solche in Österreich, erwirtschaften einen Großteil ihrer Gewinne in Osteuropa. Aber es gibt Politrisiken und Schockszenarien, die Unsicherheit erzeugen. In Ungarn haben wir besondere Bedenken, was das Wachstum und die finanziellen Risiken für die Banken anbelangt. Es ist immer noch ungeklärt, wie die Probleme mit den Fremdwährungskrediten der privaten Haushalte gelöst werden. Verluste für den Bankensektor könnten einige ausländische Banken zum Rückzug veranlassen. In Ungarn können Banken nicht kalkulieren, welche Kosten durch Steuern und die Kreditkonversion von Fremdwährungskrediten auf sie zu kommen. Einige denken ernsthaft über den Rückzug nach, obwohl ein Wiedereinstieg in den Markt sehr teuer wäre. (Am Montag, 16. Dezember, gab es einen Teilerfolg für die Banken: Das ungarische Höchstgericht entschied, dass die Darlehen nicht gegen das Gesetz verstießen. Die Risiken müssten die Bankkunden tragen, Anm.)

Gibt es Käufer für Banken?

Ungarns Regierung hat viele Male betont, dass sie den Bankensektor stärker in ungarischer Hand sehen möchte. Es ist nicht unvorstellbar, dass ausländische Eigentümer sich zurückziehen und an ungarische Investoren verkaufen. Ob das auf Verstaatlichungen hinausläuft, ist nicht ganz klar. Denkbar wäre es: Die Ungarn wollen strategische Wirtschaftssektoren in öffentlichem Besitz haben. Einfach wären diese Transaktionen nicht.

Wie geht es mit der Ukraine weiter?

Hier sind Prognosen momentan fast unmöglich. Vor Ausbruch der Proteste hatten wir erwartet, dass das Land allmählich mit dem IWF Diskussionen über ein Hilfsprogramm aufnimmt. Die Finanzlage ist angespannt.

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