OMV-Chef: "Weg von den instabilen Ländern"

OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss will von Krisenländern unabhängig werden und fordert eine europäische Energiepolitik.
KURIER: Herr Generaldirektor, in Deutschland und Österreich dauert die Regierungsbildung. Schlimm für die Wirtschaft?
Gerhard Roiss: Wir werden in beiden Ländern politische Stabilität haben. Wir müssen aber darauf achten, dass unser Land wettbewerbsfähig bleibt, etwa bei der Bildung, bei der Energie.
Voest-Chef Eder sagt: „Wenn Europa nicht bei Energiekosten, Sozialwesen und Bürokratie bremst, wird es in zehn bis 15 Jahren ohne nennenswerte Industrie dastehen.“
Wir brauchen eine starke Industrie, in Europa etwa 20 Prozent des Wirtschaftskuchens. Deutschland hat 23 Prozent, wir nur 18. Die Länder mit mehr Industrie sind besser durch die Krise gekommen. Europa muss nachhaltig wettbewerbsfähig sein.
Und wie geht das?
Nehmen wir die Bildung. Den Apparat können Sie nicht verändern. Also brauchen wir neue Freiräume mit Innovation. Da muss die Industrie einen größeren Beitrag leisten. Es wird in 20 Jahren Berufe geben, von denen wir heute noch nichts wissen. Staat und Industrie müssen bei der Bildung besser zusammenarbeiten, vor allem an den Universitäten. Die OMV sucht gerade 1600 gut ausgebildete Techniker, aber die gibt es gar nicht in Österreich.
Die neue deutsche Regierung muss die Energiewende umsetzen. Weg von Atomkraft hin zu den Erneuerbaren. Wie?
Mit kurzfristigen Lösungen und Förderungen wird es nicht funktionieren. Wir brauchen neue Technologien. Genau darauf setzen wir als OMV. Wir denken schon an die zweite Generation der erneuerbaren Energie.
Sie meinen also, die Förderungen behindern die Innovation?
Ja, sicher, weil sie den Markt kaputt machen und Innovationen verhindern.
Was sind dann die Erneuerbaren der nächsten Generation? Worauf setzen Sie?
Wir setzen langfristig auf Wasserstoff. Da unterstützen wir die Grundlagenforschung in Cambridge. Dazu soll auch in Österreich geforscht werden, deshalb haben wir sogar in Wien eine Wasserstoff-Tankstelle gebaut. Wir denken aber auch an Geothermie.
An Sonne und Wind nicht ?
Wenn auch nicht für die OMV, so können Sonne und Wind sehr wohl Sinn haben – die Frage ist nur wo. Es geht bei der Energiegewinnung immer um das maximale Ergebnis.
Heute verdienen Sie Ihr Geld mit Öl und Gas. Wie wird sich die 2,4 Milliarden Euro-Investition in Norwegen rentieren?
Wir setzen strategisch auf Versorgungssicherheit. Wir wollen teilweise wegkommen von den politisch instabilen Ländern und auf eigene Ressourcen zugreifen können. Deshalb Norwegen: europäisches Gas für Europa. Wir haben ja auch im Schwarzen Meer einen potenziell gigantischen Fund gemacht. Wir fördern heute in der Nordsee knapp 3000 Barrel Öl pro Tag. Unser Ziel ist es, auf 150.000 in den nächsten Jahren hochzufahren. Wir haben in Norwegen und westlich der Shetlandinseln 68 Lizenzen gekauft (siehe Grafik)und waren die ersten, die in der Barentsee Öl gefunden haben. Das ist eisfreies Gebiet, das Öl liegt etwa 500 Meter tief.
Die OMV geht also überwiegend weg aus politisch instabilen Gegenden, ins ruhige Europa?
Ja, eigenes Gas für unsere Märkte, eigenes Öl für unsere Märkte. Damit werden wir unabhängig von der zunehmend instabilen Lage im Nahen Osten. In Nordafrika wollen wir allerdings weiter bleiben. Ich gehe davon aus, dass diese Region eher im europäischen Einfluss bleibt.

Noch geht es um Versorgungssicherheit mit russischem Gas.
Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, sehr viele Lager zu haben.
Wir kommen also auch über einen kalten Winter, wenn es wieder Konflikte zwischen Russland und der Ukraine gibt.
Ja, aber wichtig ist vor allem, dass wir langfristig und strategisch unsere Unabhängigkeit aufbauen.
Was heißt das für Umsatz und Gewinn?
Unsere Strategie war immer, nicht nur beim Umsatz, sondern auch beim Gewinn zu wachsen. Ich bin 1990 ins Unternehmen gekommen, seither haben wir den Umsatz versechsfacht, aber den Gewinn verzweiundzwanzigfacht. Den Gewinnmachen wir zu 90 % im Ausland. Seit wir die neue Strategie 2011 bekannt gegeben haben, ist der Wert der OMV um 56 % gestiegen.
Aber mit dem Gashandel verlieren Sie doch Geld?
Der Marktpreis für Gas ist momentan unter dem Importpreis. Das liegt auch daran, dass Europa Kohle importiert. Aber wir produzieren ja auch eigenes Gas. Und wie gesagt, die Abhängigkeit von Importen werden wir weiterhin reduzieren.
Sie sagen, die europäischen Regierungen sollen das Schiefergas nicht außer acht lassen.
Das ist hoch emotional. Wir haben genug in der Nordsee und dem Schwarzen Meer zu tun. In der europäischen Dimension muss man aber schon Folgendes sehen: Schiefergas kann auch Grundlage für die petrochemische Industrie sein. Das ist eine interessante Wertschöpfungskette. Die wirtschaftliche Dimension von Schiefergas wird in Europa aus politischen Gründen noch nicht ausreichend gesehen.
Aber Schiefergas führt zu Umweltschäden.
Kommen wir weg von der populistischen Diskussion, reden wir über Forschung, über neue umweltfreundliche Methoden.
Mit welchem Gefühl liest ein Öl-Mann von der Erderwärmung?
Ich habe den Klimabericht sehr intensiv gelesen. Das Klima ist ein wichtiges Gut, aber die Menschheit ist intelligent genug, technische Lösungen zu finden. Klimapolitik wird nur global funktionieren. Da müssen wir einmal in Europa anfangen.
An der OMV ist der Staat noch immer zu 31,5 Prozent beteiligt. Ist das strategisch sinnvoll?
Zu Eigentümerfragen äußere ich mich nicht. Der Staat muss wissen, welche Flaggschiffe er haben will. Jedes Land braucht Leitbetriebe.
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