Ökonom Otte: "Stoppt das Euro-Desaster"

Ökonom Otte: "Stoppt das Euro-Desaster"
Lasst die Griechen pleitegehen, fordert der deutsche Ökonom in seiner aktuellen Streitschrift. Welche "Lügen" er hinter der Rettung ortet.

Warum ausgerechnet Griechenland? Es handelt sich um einen Peripheriestaat, der lediglich zwei Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt, von strukturellen Problemen wie hoher Korruption und fehlender Infrastruktur geplagt wird, und darum eigentlich keine tragende Säule der europäischen Wirtschaft ist. Warum also wird das Mittelmeerland zur Schicksalsfrage für ganz Europa hochstilisiert und soll mit aller Macht gerettet werden?

So resümiert der deutsche Ökonom Max Otte in seiner aktuellen Streitschrift "Stoppt das Euro-Desaster" die Situation in Europa.

"Drei politische Lügen"

Die Antwort auf die Griechenland-Krise ist für Otte einfach - er formulierte diese bereits in einem früheren Interview mit dem KURIER (siehe Hintergrund): Lasst die Griechen pleitegehen. Denn eigentlich gehe es bei den Rettungsschirmen der Eurostaaten weder um die Rettung von Hellas, um die gemeinsame Währung, noch um die "Rettung Europas" als Union.

Der Autor bezeichnet das vielmehr als die "drei politischen Lügen" der maßgeblichen EU-Politiker in Paris, Berlin und Brüssel. Nutznießer der sogenannten Rettungspakete seien vielmehr die Investmentbanken und Superreiche, die sich mit griechischen Staatsanleihen verspekuliert hätten.

Eine geordnete Insolvenz für Griechenland würde erstmals eine massive Beteiligung privater Spekulanten und Banken erzwingen, schreibt Otte. Statt die Athener Regierung weiter den Schuldenberg hinaufzutreiben, solle ein Teil der griechischen Schulden gestrichen werden. Das Land müsse dann aus dem Euro aussteigen und könne mit einer wesentlich schwächeren Währung und ohne Schulden eine Sanierung seiner Wirtschaft versuchen. Einen ähnlichen Kurs schlugen in der Vergangenheit bereits etliche Staaten Lateinamerikas ein, zuletzt Argentinien 2001.

"Euro hat gespalten"

Den Euro als Gemeinschaftswährung sieht der Ökonom zudem als von Grund auf problematisch an: "Der Euro hat Europa nicht zusammengebracht, sondern gespalten", schreibt er. Die von Deutschland und anderen Nordländern garantierten billigen Kredite hätten in den PIGS-Staaten (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) zu einer fantastischen Spekulationsblase von fehlgeleiteten Immobilieninvestitionen und ungedeckten Konsumschulden geführt.

Als Ursache für die skizzierte Fehlentwicklung sieht der Autor die "Finanzoligarchie" aus Investmentbanken, Hedgefonds und Ratingagenturen. Diese "dominierende zivile Weltmacht" hätte Verbindungen in die höchsten Kreise der Politik und in den vergangenen Jahrzehnten Bedingungen für die persönliche Bereicherung ihrer Führungsfiguren auf Kosten der Allgemeinheit geschaffen. Otte, der unter anderem an der Universität Graz lehrt, nennt in seinem Buch einige Indizien dafür.

Lösung

Der Weg aus der aktuellen Krise führe nur über Reformen, wie sie teils bereits nach der Weltwirtschaftskrise 1929 gesetzt worden seien. Dazu zähle die neuerliche Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, die Erhöhung der Eigenkapitaldecke von Banken, sowie die Schaffung staatlicher Ratingagenturen und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wie sie auch von Österreich gefordert wird.

Denn, so der Tenor des Buches, immer neue Rettungspakete, die unter "Alarmsirenengeheul" als "Notfall" und ohne Zustimmung der nationalen Parlamente durchgedrückt werden, und die Steuerzahler Billionen Euro kosteten, seien nicht weniger als eine Aushöhlung der Demokratie.

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