Neue Stromnetztarife sollen Kleinverbrauchern nützen

Mit sinkenden Strom-Großhandelspreisen fällt auch der Gewinn des Verbund weiter.
Mehrheitlich soll es Gewinner durch die Systemumstellung geben, sagt die E-Control. E-Autos würden Netztarife nicht pushen.

Die neue Stromnetztarif-Struktur, die ab 2020 gelten könnte, dürfte Kleinverbraucher tendenziell begünstigen. Das ergaben Berechnungen der Regulierungsbehörde E-Control auf Basis von mehr als 1.000 Datensätzen. In Summe soll das Aufkommen der Netznutzungsentgelte gleich bleiben.

Auch das normale langsame E-Auto-Aufladen über Nacht wird den Haushalten aufgrund des neuen Entgeltsystems keine höheren Netztarife bescheren, nur ein Schnellladen daheim käme teurer. Ein Mehrverbrauch durch das E-Auto wird aber generell zu höheren Kosten führen.

Für die meisten Kleinverbraucher unter den Privatkunden sollte die Umstellung auf einen leistungsgemessenen Tarif überwiegend geringe Vergünstigungen bei den Netznutzungstarifen bringen, zerstreute Energie-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch im Gespräch mit der APA Befürchtungen etwa der Arbeiterkammer (AK), die "höhere Stromrechnungen" für Haushalte befürchtet hat. Bei normalen Anwendungen wie Kochen, Waschen, Bügeln usw. bleibe es grosso modo gleich. Nur für Abnehmer mit punktuellen Extremverbräuchen - etwa durch Poolheizung, Sauna oder Elektro-Auto-Schnellladungen - entstünden Leistungsspitzen, die künftig teurer kommen würden als derzeit.

Für rund 85 Prozent der Haushaltskunden, deren Lastprofile untersucht wurden, würde sich laut einer Szenario-Kalkulation zu den neuen Nutzungstarifen wenig ändern, sie liegen in einer überschaubaren Bandbreite von plus/minus 20 Euro pro Jahr an Mehr- oder Minderkosten.

Von den Kleinabnehmern, etwa Single- oder Pensionistenhaushalte mit nur 1.000 kWh Verbrauch im Jahr, die derzeit 45 Euro für die Netznutzung sowie 30 Euro Pauschale zahlen - also 75 Euro jährlich -, könnten sich viele bis zu 20 Euro jährlich sparen, teurer werde es in diesem Segment nur für ganz, ganz wenige, so Urbantschitsch. Für 3.000 kWh Verbrauch/Jahr sind derzeit 165 Euro zu berappen (135 plus 30) - hier wirken sich 20 Euro weniger nicht mehr so stark entlastend aus; auch ist hier der Anteil jener, für die es etwas teurer werden könnte, schon spürbar höher.

Die Simulationsrechnung erfolgte auf Basis der Daten von insgesamt 1.112 Haushalten, von denen demzufolge durch die Umstellung 672 Kunden weniger und lediglich 440 Kunden mehr zahlen würden. Im Schnitt lag bei diesen Kunden der Jahresverbrauch bei 4.298 kWh, die durchschnittliche (künftig heranzuziehende) Verrechnungsleistung bei 4,69 kW. Angenommen wurde dabei im Schnitt ein 20-prozentiger Leistungs- sowie - etwas weniger als bisher - ein 80-prozentiger Arbeitsanteil. Die exakte Ausgestaltung der Netzentgelte obliegt dann, nach entsprechenden Gesetzänderungen, der Regulierungskommission der E-Control.

Urbantschitsch geht davon aus, dass die neue Tarifstruktur frühestens 2020 in Kraft treten kann - sofern im Laufe des Jahres 2019 die ElWOG-Novellierung samt dazugehörigen Verordnungen umgesetzt werden kann. Durch die "Electricity Balancing Guideline", eine direkt geltende EU-Verordnung, die binnen eines Jahres umgesetzt werden müsse, gebe es bei den Systemdienstleistungen ohnedies einen Handlungsbedarf. Zunächst sei Österreich im zweiten Halbjahr 2018 mit der EU-Ratspräsidentschaft beschäftigt, in der auch das "Clean Energy Package" zu finalisieren sei, so der E-Control-Vorstand. Die Zahl der anderen Netzentgelte soll sich durch Vereinfachung verringern, das Netzverlustentgelt soll bleiben wie es ist.

Insgesamt beträgt das Volumen der Netzentgelte in Österreich rund 2,09 Mrd. Euro jährlich, wovon derzeit 72 Prozent oder 1,51 Mrd. Euro von den Strom-Entnehmern über die Netznutzungsentgelte gezahlt werden. Der Großteil davon wird auf der Netzebene 7 schlagend, die auch für die Haushalte maßgeblich ist. Für diese derzeit nicht gemessenen Kunden soll es künftig eine Leistungsmessung wie für alle anderen Netzkunden geben. Möglich wird dies durch die "intelligenten Stromzähler" Smart Meter, die aber erst zu einem Zehntel ausgerollt sind. Mit der Entgelt-Systemumstellung soll dem erhöhten Aufkommen von Strom aus Erneuerbaren Energien Rechnung getragen werden, wodurch mehr Leistungsbedarf und mehr Netzausbau nötig sind.

Private E-Autos, die daheim nur langsam über Nacht mit Strom aufgeladen werden, verteuern von den Netzgebühren her die Stromrechnung nicht - abgesehen von der dabei zusätzlich verbrauchten Elektrizität. Denn ein Ladevorgang von 6 Stunden für einen Wagen der "Golfklasse" (konkret untersucht wurde der neue Nissan Leaf 2018) erfordert bei 15.000 km Fahrleistung jährlich nur 1,02 kW Leistung pro Stunde, für Urbantschitsch "erstaunlich wenig". Bei doppelter Fahrleistung (30.000 km/a) sind dann schon 12,18 kWh/Tag bzw. 2,03 kW/Stunde nötig - bei einem Jaguar I-Pace wären es 2 bzw. 4 kW pro Ladestunde. "Der neue Tarif wäre eventuell sogar etwas günstiger, E-Mobilität wird also nicht über Gebühr belastet."

Basis sind dabei Wechselstrom-Ladestationen für Zuhause mit einer Leistung von 6,6 kW (Nissan) bzw. 7 kW (Jaguar); die Fahrzeuge weisen 40 bzw. 90 kWh Batteriekapazität und 10,6 bzw. 21,2 kWh Verbrauch je 100 km auf. Urbantschitsch geht davon aus, dass es auch in Mehrgeschoßwohnbauten künftig bei jedem Abstellplatz auch eine Lademöglichkeit geben wird; es sei undenkbar, nur einen Teil mit Stationen auszustatten. Umso nötiger werde dann eine intelligente Steuerung. Für die Ausrüstung in Eigentumsbauten könnte künftig ein Mehrheitsbeschluss statt der Einstimmigkeit reichen, erwartet der E-Control-Vorstand für die Ladestellen entsprechende Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz und dem Mietrecht.

Wollte man die Strom-Karossen daheim schnell aufladen - für Urbantschitsch ein unrealistisches Szenario -, dann würde es teuer. Erstens wäre das ohne bauliche Maßnahmen gar nicht möglich, würde aber zu einer massiven Nachverrechnung von Netzanschlussentgelten und schon beim jetzigen Tarifsystem zu deutlichen Mehrkosten führen. Ein Schnellladen mit 50 kW käme beim Nissan Leaf auf 400-450 Euro an Gebühren zusätzlich im Jahr, beim Jaguar mit 100 kW auf 890-930 Euro.

Bei Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Hausdächern - die Regierung plant im Zuge der Klima- und Energiestrategie ein "100.000-Dächer-Programm" - gibt es für die kleinen Einspeiser keine Netzgebühren, die sind ja derzeit schon befreit. Allerdings fällt für die Strom-Entnehmer eine Gebühr an, hier sollte eine Absenkung erwogen werden, wenn es sich um örtliche Verbräuche im Sinne von "local energy communities" handle. Skeptisch zeigte sich Urbantschitsch zur Idee, bei Stromspeichern - möglicherweise Batterien - von endkundenbezogenen Gebühren abzusehen; das sollte noch diskutiert werden, forderte er, um nicht Gefahr zu laufen, dass man anwendungsbezogene Privilegien schaffe.

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