Merkel und Rajoy plädieren für mehr Europa

Ein zusammengerücktes Europa: In der anhaltenden Schuldenkrise suchen die EU-Staaten ihr Heil in einer engeren Zusammenarbeit. Während Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy in der Not am Wochenende die Schaffung einer Euro-Fiskalbehörde anregte, forderte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel eine echte politische Union mit stärkeren Zugriffsrechten. Damit möchte sie Schuldenländer notfalls auch zur Haushaltskonsolidierung zwingen können. So brachte die CDU-Vorsitzende ein EU-Klagerecht gegen Defizitsünder ins Spiel.
Deutschland, Spanien und auch Italien sendeten am Wochenende ein Signal aus: Europa müsse enger zusammenrücken, um die Euro-Krise zu bewältigen. Über den Weg und die Mittel herrscht aber noch keine Einigkeit. Der EU-Gipfel am 28./29. Juni soll die Staaten bei der neu angefachten Diskussion einen Schritt weiter bringen. Jüngst hatte EZB-Präsident Mario Draghi die Staats- und Regierungschefs zu schnellem Handeln aufgefordert. Die EZB könne das politische Vakuum nicht füllen, sagte Draghi in Richtung Spanien. Das Land erhofft sich Bond-Käufe von der Notenbank.
Rajoy regte eine neue Eurozonen-Behörde an, die die nationalen Haushalte kontrollieren, die Schulden der Mitgliedsländer verwalten und die Fiskalpolitik in den Mitgliedsländern harmonisieren soll. Ferner soll die Aufsicht eine zentralisierte Kontrolle der öffentlichen Finanzen ermöglichen. "Die Europäische Union muss ihre Architektur festigen", sagte Rajoy. Bei der EU-Kommission stieß der Vorschlag auf Vorbehalte. Der EU-Fiskalpakt für eine strengere Haushaltskontrolle sehe bereits die Schaffung einer solchen Behörde vor, sagte ein Sprecher von Währungskommissar Olli Rehn. Damit bekomme die Kommission mehr Macht zur Überwachung der nationalen Etatpolitik und für die Entscheidung über Sanktionen gegen einzelne Länder.
Spanien steht seit Monaten im Mittelpunkt der Schuldenkrise. Am Freitag stiegen die Risikoaufschläge auf zehnjährige spanische Bonds auf den höchsten Stand seit Euro-Einführung. Die Regierung in Madrid sieht angesichts bereits erhöhter Steuern, immenser Ausgabenkürzungen und Milliarden-Hilfen für den Bankensektor nun ihre Hände gebunden und nimmt die Europäische Union in die Pflicht. Dabei geht es um Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) am Anleihenmarkt oder direkte Hilfen für die Finanzbranche.
Deutschland: "Wollen die Partner wirklich mehr Europa - oder einfach nur deutsches Geld?"
Angesichts der gewaltigen Probleme wollen Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble Spanien einem Magazinbericht zufolge dazu bringen, Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds zu beantragen. Nach Einschätzung der beiden sei die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nicht in der Lage, die Schieflage der Banken zu beseitigen, berichtete der Spiegel ohne Nennung von Quellen. In deutschen Regierungskreisen hieß es dazu, die Entscheidung, ob Spanien auf Euro-Gelder zurückgreife, liege allein bei der Regierung in Madrid. Dem Bericht zufolge geht die Bundesregierung davon aus, dass die spanische Bankenwirtschaft eine Kapitalspritze zwischen 50 bis 90 Milliarden Euro benötigt. Als Fass ohne Boden hat sich zuletzt vor allem die Sparkasse Bankia erwiesen.
Merkel sagte am Samstag in Berlin auf einer CDU-Kreisvorsitzendenkonferenz, der einzige nachhaltige Weg aus der Krise seien Strukturreformen. Dazu gehöre auch eine engere Absprache über die Arbeitsmarkt- und Forschungspolitik in Europa. So kritisierte sie beispielsweise zu hohe Mindestlöhne in einigen EU-Staaten. Zudem pochte Merkel auf ein - von Frankreich bisher abgelehntes - EU-Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof, falls Staaten mit ihren nationalen Haushalten gegen die Stabilitätskriterien verstoßen. Diese Klage müsse auch möglich sein, wenn nationale Gerichte nicht reagierten. "Man kann nicht Eurobonds fordern, aber zum nächsten Schritt der Integration nicht bereit sein", warnte Merkel. "So werden wir keine erfolgreiche Währung miteinander gestalten können. Dann wird uns kein Mensch von außen mehr Geld leihen."
Ein Befürworter von Euro-Bonds ist Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Der griechischen Zeitung To Vima sagte er: "Ich glaube, wir werden Euro-Bonds in der einen oder in der anderen Form bekommen, weil unsere Union (in der Euro-Zone) immer integrierter wird." Merkel fordert dagegen nun zunächst den Nachweis, dass die Euro-Partner zu der mit Euro-Bonds verbundenen Aufgabe nationaler Souveränität bereit sind. "Die Grundsatzfrage ist relativ einfach: Wollen die Partner wirklich mehr Europa - oder einfach nur deutsches Geld?", sagte ein Regierungsvertreter in Berlin.
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