Mehrere Fronten: Wie sich Europa schrittweise Amazon vorknöpft

FILE PHOTO: The logo of Amazon is seen at the company logistics centre in Boves
US-Konzern muss Knebel-Konditionen für Dritt-Händler ändern. EU-Kommission bestätigt neue Kartelluntersuchung.

Europas Handelsverbände und Wettbewerbsbehörden machen mobil gegen den weltgrößten Online-Händler. Und haben damit Erfolg.

Der US-Konzern Amazon ändert freiwillig seine umstrittenen Geschäftsbedingungen für Händler auf seinem Marktplatz, wie am Mittwoch bekannt wurde. Er vermeidet damit langwierige Verfahren vor dem Kartellgericht.

Zugleich kündigt sich eine weitere Kartelluntersuchung der EU-Kommission an, die ebenfalls die Bedingungen auf dem Amazon-Marktplatz ins Visier nimmt.

Acht Punkte geändert

Der Vorstoß, über den sich die Handelsverbände in Österreich und Deutschland besonders freuen, betrifft quasi Knebelkonditionen für Dritthändler, die den Amazon-Marktplatz für den Verkauf ihrer Produkte nutzen.

Laut dem österreichischen Handelsverband, einer freiwilligen Interessensvertretung der großen Händler in Österreich, der die Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in Österreich initiiert hatte, treten die Änderungen bereits mit 16. August in Kraft.

Sie würden acht Punkte betreffen: So verzichte Amazon unter anderem auf die bisherige Möglichkeit, Verträge jederzeit ohne Angaben von Gründen kündigen zu können; künftig gebe es eine 30-Tages-Frist. Die Marktplatzhändler müssen nicht mehr die Nutzungsrechte aller bereit gestellten Materialien an den Online-Giganten übertragen.

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Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf

Der Haftungsausschluss wird beschränkt, die Entschädigungsleistung auf tatsächliche Gesetzesüberschränkungen reduziert. Bisher wurde von Amazon nur der Gerichtsstand Luxemburg Stadt akzeptiert, künftig werden auch andere Verfahrensorte zulässig sein.

"Dieser Erfolg ist richtungsweisend", sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. "Er zeigt, dass der digitale Raum nicht rechtsfrei ist und sich auch digitale Giganten an die Gesetze halten müssen."

Hohe Abhängigkeit

Die Bundeswettbewerbsbehörde behält sich weitere Ermittlungen vor, falls die Änderungen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Die BWB hatte im Frühjahr 400 der umsatzstärksten österreichischen Marktplatzhändler von "Amazon.de" befragt. Gut 80 Prozent hatten die Unterlagen retourniert.

Die Umfrage habe eine hohe Abhängigkeit von Amazon gezeigt, lautet das Resümee der Wettbewerbshüter. Ein Großteil  der befragten Marktplatzhändler verkauft ausschließlich über Amazon und sieht kaum relevante Alternativen, um seine Kunden online zu erreichen. Selbst bei spürbaren Gebührenerhöhungen durch Amazon würden die meisten Händler den Marktplatz nicht wechseln.

Laut Handelsverband exportieren heimische KMU-Händler Produkte im Wert von rund 300 Millionen Euro über den Amazon-Marktplatz.

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Niemand erreichbar

Auch die Kommunikation mit Amazon wurde als problematisch identifiziert. Die BWB empfiehlt Amazon, einen Ansprechpartner zu benennen. "Diese Empfehlung hält die BWB ausdrücklich aufrecht, da sie darin eine Maßnahme zur nachhaltigen Beseitigung dieses Problems sieht", heißt es seitens der Behörde.

EU prüft Amazons Doppelrolle

Mit einem ähnlichen Fokus auf die Verkaufspraktiken knöpft sich nun auch die EU-Kommission Amazon vor. Gegen das US-Unternehmen werde eine Untersuchung wegen eventuellem wettbewerbswidrigen Verhalten auf seiner
Verkaufsplattform eingeleitet, teilte die Behörde am Mittwoch in Brüssel mit. Sie hatte bereits im September des Vorjahres Feedback von Händlern und Herstellern dazu erbeten.

Wie Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager erläutert hatte, wurde es als Problem angesehen, wenn ein Unternehmen anderen Händlern einen Marktplatz anbietet und zugleich zu diesen in Wettbewerb tritt - und deren Daten für den eigenen Verkaufserfolg verwendet.

Amazon habe somit eine Doppelrolle: Zum einen verkaufe das Unternehmen als Einzelhändler Produkte auf seiner Website, zum anderen stelle es einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können.

Bei letzterem sammle Amazon Daten über die Aktivitäten auf seiner Plattform. Nach ersten Erkenntnissen scheine Amazon wettbewerbssensible Informationen über Marktplatzhändler, ihre Produkte und die Transaktionen zu nutzen, erläuterten die EU-Kartellwächter.

Amazon hat in einer ersten Reaktion vollständige Kooperation zugesichert.

Bereits mehrfach im Visier

Es ist nicht das erste Mal, dass Amazon unter die Lupe genommen wird. Vor zwei Jahren trug die EU-Kommission dem US-Konzern auf, rund 250 Millionen Euro an Steuerbefreiungen an Luxemburg zu erstatten, weil diese als unzulässige Beihilfe gewertet wurden.

Im selben Jahr wurde ein Konflikt ausgeräumt, der sich um Knebelverträge für den Verkauf von E-Books gedreht hatte.

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