Mehr Wiener Blut(plasma) für den Weltmarkt

Mehrere Arbeiter verpacken in einer Fabrik Medikamente in Kartons.
Die aus menschlichem Blutplasma hergestellten, oft lebensrettenden Präparate werden vielfältig eingesetzt. Ein Besuch bei Takeda.

Wer denkt, Arzneimittel werden heute voll automatisiert abgepackt, der irrt. Im Pharmawerk von Takeda (vormals Shire, vormals Baxter, vormals Immuno) in Wien-Donaustadt läuft ohne Handarbeit gar nichts.

Bei der Werksbesichtigung des KURIER wird gerade ein Großauftrag des weitverbreiteten Plasmaprotein-Präparates „Immunate 500“ für Algerien abgepackt. Immunate wird etwa bei Hämophilie, bekannt als Bluterkrankheit, eingesetzt.

14 Mitarbeiter stehen im Drei-Schicht-Dienst an der Linie und befüllen die Kartons nach und nach mit Plasma-Fläschchen, Fertigspritze und Bedienungsanleitung.

Eine Frau mit Haarnetz bedient eine Kora-Packmat-Maschine in einer Fabrik.

Es gibt 600 verschiedene Produktkonfigurationen

In Fließbandarbeit werden pro Stunde 700 Stück Kartons händisch abgepackt. Bei einem Fehler wird das Band sofort gestoppt. Um nicht zu ermüden, wechseln die Mitarbeiter regelmäßig ihre Positionen.

„Vollautomatisiert schaffen wir 3.000 Stück in der Stunde, aber die Maschinen sind halt nicht so flexibel“, erläutert Karl-Heinz Hofbauer, Leiter der Takeda-Produktion in Wien. Jeder Auftrag sei in Bezug auf Größe, Menge, Inhalt oder Beipackzettel anders. Insgesamt gebe es 600 verschiedene Produkt-Konfigurationen, die Automatisierung sei daher schwierig.

Viele Fläschchen mit gelber Flüssigkeit stehen auf einer Produktionslinie.

Plasmapräparate in Flaschen abgefüllt

3.000 Mitarbeiter

Am zweitgrößten Pharmastandort Österreichs produzieren aktuell rund 3.000 Mitarbeiter 25 unterschiedliche Arzneimittel, darunter 17 plasmabasierte Produkte.

Die aus menschlichem Blutplasma hergestellten, oft lebensrettenden Präparate werden vielfältig eingesetzt, etwa bei Blutgerinnungsstörungen, zur Blutstillung bei Operationen oder vermehrt auch bei komplexen, seltenen Erkrankungen wie Morbus Crohn (chronisch-entzündliche Darmerkrankung).

„Durch plasmabasierte Therapien kann für Menschen mit seltenen und komplexen Erkrankungen viel erreicht werden“, erklärt Andreas Liebminger, Leiter der Plasma-Forschung bei Takeda in Wien.

Humanes Plasma enthalte mehr als 2.500 unterschiedliche Proteine. Erst ein Bruchteil davon sei für therapeutische Anwendungen erschlossen.

Das Takeda-Gebäude mit Personen davor an einem sonnigen Tag.

Takeda-Werk in Wien-Donaustadt

5 Millionen Liter

Weil der Bedarf an Plasmaprodukten laufend steigt und sich ihre Einsatzgebiete erweitern, fährt Takeda am Standort Wien die Kapazitäten hoch. „Wir wollen bis 2025 das jährliche Verarbeitungsvolumen auf fünf Millionen Liter Plasma nahezu verdoppeln“, kündigt Hofbauer an. Rund 80 Millionen Euro investiert Takeda noch heuer dafür – und in die Modernisierung der Produktion.

Voraussetzung für mehr Plasmaprodukte sind freilich auch mehr Plasmaspender. „Wir sind stark von der Spendenbereitschaft abhängig“, bestätigt Hofbauer. Noch heuer sollen daher zwei weitere Plasmaspendezentren der Tochterfirma BioLife in Wien und in Klagenfurt eröffnen. Auch Standorte in den Nachbarländern sind geplant. „Wir wollen das Plasma in der Nähe des Verarbeitungsstandortes generieren“, betont der Produktionschef. Derzeit reiche das österreichische Plasma nicht ganz aus, weshalb Mengen aus den USA zugekauft werden müssen. Dort sind die Spenderzentren aber oft in einkommensschwachen Regionen, weshalb Kritiker von einer Ausbeutung der Spender sprechen.

Der Weg vom Plasmaspender zum Patienten dauert zwischen sieben und zwölf Monate und läuft über mehrere Takeda-Standorte. Das menschliche Plasma wird analysiert, gereinigt, in seine Bestandteile aufgetrennt und zu diversen Präparaten weiterverarbeitet. Bevor es abgefüllt wird, durchläuft es mehrere Sicherheitskontrollen. In der „Visuellen Kontrolle“ etwa prüfen speziell geschulte Mitarbeiter die Flüssigkeit auf kleinste Verunreinigungen. Auch hier vertraut man mehr auf das menschliche Auge als auf Maschinen. Die Mitarbeiter müssen überdurchschnittlich gut sehen können.

Export in 100 Länder

Von Wien aus werden die Produkte in 100 Ländern exportiert. Österreich zählt zu den wichtigsten Plasma-Verarbeiterländern weltweit.

Manchmal muss es auch schnell gehen, dann wird die überlebenswichtige Arznei in nur wenigen Stunden in irgendein Spital geliefert. 40 solcher „Überlebens-Lieferungen“ habe es im Vorjahr gegeben, erzählt Hofbauer.

Insgesamt beschäftigt Takeda an den drei Standorten Wien, Orth an der Donau und Linz rund 4.000 Mitarbeiter. In Orth, wo die Vorgängerfirma Shire 2017 mehrere Hundert Mitarbeiter abbaute, wird wieder Personal eingestellt. Noch heuer wird dort die kommerzielle Produktion von Biologika-Therapien neu gestartet. Im Unternehmen gebe es derzeit 100 bis 150 offene Stellen, so Hofbauer.

Kommentare