Megadeal in der Pharmabranche wackelt

Der amerikanische Pharmariese AbbVie stellt wegen der verschärften US-Regeln gegen Steuertricks seine 55 Milliarden Dollar schwere Übernahme des britischen Rivalen Shire infrage. Der Konzern aus Chicago kündigte Beratungen darüber an, ob er sein Kaufangebot an die Shire-Aktionäre zurückziehen oder anpassen werde. Die AbbVie-Führungsspitze will dazu am Montag zusammenkommen.
Die Nachricht löste an der Börse einen regelrechten Kurssturz aus: Shire-Papiere brachen im Londoner Handel zeitweise um rund 27 Prozent ein. Damit wurden 13 Milliarden Dollar an Börsenwert wurden vernichtet.
Kanalinseln
AbbVie-Chef Richard Gonzales hatte im Juli die Pläne zu der transatlantischen Übernahme bekanntgegeben. Mit Shire könnte AbbVie nicht nur seinen Medikamentenbestand kräftig ausbauen. Auch das Thema Steuern spielt eine wesentliche Rolle: Denn Gonzales wollte den bisherigen Plänen zufolge im Zuge der Übernahme den Steuersitz auf die britischen Kanalinseln verlegen. Dort sind die Firmensätze deutlich niedriger als in den USA.
Genau das ist jedoch der Obama-Regierung ein Dorn im Auge. Mit jedem Unternehmen, das auswandert, verlieren die USA Steuereinnahmen. Die Regierung will das zumindest für die Zukunft verhindern. Im September wurde eine Reihe von Maßnahmen erlassen, um solche Schritte von Unternehmen zu erschweren. AbbVie wollte durch die Verlagerung seine Steuerrate von rund 22 auf 13 Prozent drücken.
Treffen am Montag
Das AbbVie-Direktorium will nun bei dem Treffen am Montag prüfen, welche Folgen die neuen Steuerregeln auf die Transaktion haben. Shire forderte unterdessen die Konzernspitze von AbbVie auf, an dem Vorhaben festzuhalten.
Überschneidungen in den Therapiefeldern zwischen beiden Arzneimittel-Herstellern gibt es kaum. Daher rechnen Experten auch nicht einem großen Stellenabbau. Den Shire-Aktionären will AbbVie bisher 24,44 Pfund in bar sowie 0,8960 neue AbbVie-Aktien je Anteilschein bieten. Bisher ist vorgesehen, dass Shire-Anteilseigner künftig ein Viertel des fusionierten Konzerns halten sollen.
Shire wurde 1986 gegründet. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 4,76 Milliarden Dollar konzentriert sich auf Arzneien gegen seltene Krankheiten. Bekanntestes Mittel ist das Präparat Vyvanse gegen das Zappelphilipp-Syndrom. AbbVie mit einem Jahresumsatz von zuletzt 18,8 Milliarden Dollar erzielt aktuell rund 60 Prozent der Verkaufserlöse mit der Arthritis-Arznei Humira - das derzeit weltweit umsatzstärkste rezeptpflichtige Medikament. Der Blockbuster verliert aber in den nächsten Jahren den Patentschutz. Mit Shire könnten sich die Amerikaner mit einem Schlag eine Reihe neuer Medikamente sichern.
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