Mario Adorf: "Für mich gibt es kein Nachher"

Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes lädt VOX zu einer zwölfstündige Reise durch Deutschland. Mit dabei ist unter anderem Mario Adorf, der zum Zeitpunkt der Kapitulation 14 Jahre alt war.
KURIER: Sie sind im VOX Beitrag „1945 – 12 Städte – 12 Schicksale“ zu sehen. Wo haben Sie Ihre „Stunde null“, das Kriegsende erlebt?
Mario Adorf: Für mich endete der Krieg am 8. März 1945 mit dem Einmarsch der Amerikaner.
Erinnern Sie sich noch, was Sie damals gedacht oder gefühlt haben? Wie war Ihnen zumute?
Zwei Stunden später stand ich am Straßenrand und sah die amerikanischen Panzer, Trucks und Jeeps durch die Stadt fahren. Kein Beifall, kein Befreiungsgetue, nur bedrücktes Schweigen. Ich empfand das bittere Gefühl der Niederlage.
Haben Sie je wieder ein ähnliches Empfinden in Ihrem Leben gehabt? Etwas das vergleichbar gewesen wäre von der Intensität her?
Ja, 1968 den Einmarsch der Russen in Prag.
Waren die Schrecken des Krieges auch einer der Gründe, warum Sie sich beruflich eher der leichteren Muse, wie die Schauspielerei gerne genannt wird, zugewandt haben? Wollten Sie dadurch Leichtigkeit und Freude in Ihr Leben bringen?
Nein. Ich hatte 1950 nach dem Abitur an der Mainzer Universität studiert. Ein „Studium Generale“, lange ohne den Gedanken an eine Berufswahl. Als es sich in den darauffolgenden vier Jahren allmählich fügte, dass es der Beruf des Schauspielers wurde, war dieser alles andere als leicht und freudig. Es war noch kein Wirtschaftswunder in Sicht, es gab auch immer noch Hunger, und am Theater gab es zwar eine schöne, aber auch harte Zeit. Erst als sich der erste Erfolg einstellte, empfand ich eine Befriedigung darüber, auf dem richtigen Weg zu sein.
Ihre Mutter Alice hat Sie allein groß gezogen. Haben Sie mit ihr später noch oft über die Ereignisse der Kriegszeit gesprochen? Oder haben Sie das Thema bewusst vermieden, um sich nicht mehr daran erinnern zu müssen?
Es wurde selten darüber gesprochen. Aber man behielt es im Gedächtnis, dass der Krieg eine harte Zeit war. Genauso, dass die Nachkriegszeit noch schlimmer war, denn es gab zwar nicht mehr die Angst, aber dafür den Hunger.
Sie waren zum Zeitpunkt der Kapitulation 14 Jahre alt. Haben Sie trotz Ihres jugendlichen Alters, in dem an sich beschaulichen Eifelstädtchen Mayen, auch schon in menschliche Abgründe schauen müssen? Oder ist Ihnen das zum Glück erspart geblieben?
Nein. Diese Abgründe habe ich erst später, als ich in Mainz studierte und in den Semesterferien einmal Sozialarbeit leistete, kennen gelernt: Bosheit, Falschheit, Lüge, Grausamkeit...
Gab es Menschen, denen Sie später deswegen vielleicht sogar aus dem Weg gegangen sind? Die Sie bewusst gemieden haben?
Nein, ich habe Mainz verlassen und war gewarnt.
Was geht Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie von den vielen, immer näher rückenden Krisenherden auf der Welt hören?
Diese Ereignisse erschrecken mich. Vieles bleibt mir unerklärlich.
Haben Sie mit dem Wissen von damals Angst, dass sich alles wiederholen könnte?
Gewisse Dinge ja. Daher bin ich für das Nicht vergessen dürfen.
Können Sie z.B. in Ihrer Wahlheimat Frankreich, in Paris, wo Sie teilweise wohnen, immer noch unbeschwert durch die Stadt gehen seit dem Anschlag vor kurzem?
Ja, Paris ist groß.
Hat der Krieg Ihr Verhältnis zum Tod verändert?
Damals war die Todesangst sehr viel größer.
Was denken Sie über die Endlichkeit des Lebens?
Dass es endlich und endgültig ist. Für mich gibt es kein Nachher.
Woody Allen hat mal gesagt, er hätte keine Angst vor dem Sterben, aber er müsste ja nicht unbedingt dabei sein. Geht es Ihnen ähnlich?
Sehr witzig zwar, aber wir werden ganz sicher dabei sein.
Info: VOX zeigt am Samstag, 25. April, von 12 bis 24 Uhr das Special "1945 - 12 Städte - 12 Schicksale" mit Mario Adorf.
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