Machtkampf zwischen Handel und Lebensmittelmachern kocht hoch

Wer steckt hinter dem Produkt? Händler schlichten Eigenmarken ins Regal, für deren Rezeptur sie selbst zuständig sind
Lebensmittelriesen fürchten um ihre Macht, Produzenten sprechen von überschießendem Lobbyismus

Es geht um zwei Punkte in einem EU-Richtlinien-Vorhaben, die laut Parlamentsinsidern wahrscheinlich gar nicht in Kraft treten werden. Klingt nach keinem großen Aufreger, ist aber einer. Spätestens seitdem Spar-Chef Gerhard Drexel am Donnerstag (der KURIER berichtete) seinem Ärger über die Pläne der EU-Kommission Luft gemacht hat. Eigentlich geht es aber um ein Grundsatzthema, das in der Branche seit Jahren brodelt: Die Machtverhältnisse zwischen Handelsbossen und Lieferanten.

Zum Hintergrund: Der Lebensmitteleinzelhandel ist in Händen weniger Branchenriesen. In Österreich teilen sich Rewe (Billa, Merkur, Adeg), Spar und Hofer rund 85 Prozent des Marktes untereinander auf. In Supermarkt-Regalen stehen immer mehr Eigenmarken, also Labels, die exklusiv für einen Händler produziert werden. Bei Spar machen Eigenmarken wie sBudet, Spar natur pur oder SparPremium bereits 45 Prozent des Umsatzes aus – Tendenz weiter steigend. Wer diese Marken produzieren darf, entscheidet oft der Preis, erklärt ein Branchenkenner. „Der Händler gibt die Rezeptur vor und vergibt den Auftrag an den Bestbieter.“ Für Produzenten ist das so lukrativ wie gefährlich. Sie werden austauschbar. „Die Türstopper-Funktion der Händler wird immer massiver“, sagt Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbands. Wer nicht nach den Regeln der Handelshäuser spielt, komme in den Regalen schlicht nicht vor. Die Initiative der EU habe darauf abgezielt, dieses Ungleichgewicht am Markt etwas auszutarieren.

Eine Frage der Marke

Spar-Chef Drexel treibt die neue Richtlinie die Zornesröte ins Gesicht. So wie er den Vorschlag versteht, hat er künftig keine Möglichkeit mehr, bei seinen Eigenmarken von Bauern und Produzenten Standards zu verlangen, die „über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen“, etwa beim Pestizideinsatz. Von politischer Seite kommen dazu Dementi. „Die Bio Qualität der österreichischen Ware wird durch diese Richtlinie in keiner Weise angegriffen“, heißt es etwa aus dem Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments. Die EU-Kommission hatte im April einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, durch den Bauern in Europa besser vor unfairer Behandlung durch Handelsriesen geschützt werden sollen. Unter anderem sollten Last-Minute-Stornierungen bei verderblichen Produkten untersagt werden.

Händler fürchten nun einen Machtverlust, heißt es in der Branche. Der deutsche Rewe-Boss Lionel Souque sieht sein Geschäftskonzept wanken. Die zum Schutz der Bauern gedachte Richtlinie „soll nun genossenschaftlich organisierten Handel verbieten“, kritisierte er im Welt-Interview. Der zuständige Ausschuss im Europaparlament stimmte zuletzt einem Änderungsantrag zu, nach dem künftig auch der „Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften von Einzel- und Großhandel“ verboten werden soll, so Souque. Günter Thumser relativiert: „Ich halte das für deutlich überschießenden Lobbyismus.“

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