VW-Patriarch Piëch legt Aufsichtsratsmandat nieder

Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula Piech, die ebenfalls ihr Mandat im Kontrollgremium abgab.
Damit endet der rund 14 Tage langer Machtkampf in der VW-Spitze - "Schock für Investoren".

Historische Zäsur beim deutschen Autobauer Volkswagen: Nach einem wochenlangen Machtkampf um die Führung des größten Autokonzerns Europas entzog das VW-Präsidium Aufsichtsratsrats-Chef Ferdinand Piech am Samstag das Vertrauen.

Der 78-jährige Firmenpatriarch, der den Wolfsburger Zwölf-Marken-Konzern seit mehr als zwei Jahrzehnten geprägt hat, erklärte daraufhin zusammen mit seiner Ehefrau Ursula Piech den Rücktritt von allem Ämtern in dem weltumspannenden Unternehmen mit zuletzt mehr als 200 Milliarden Euro Umsatz. Piech hatte versucht, VW-Chef Martin Winterkorn aus dem Amt zu drängen, war damit im Machtzentrum des Konzerns aber gescheitert.

Berhold Huber übernimmt

Bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden übernahm der Vize des Aufsichtsrats, der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber, kommissarisch die Leitung des Gremiums. Er soll auch die Hauptversammlung 5. Mai in Hannover leiten. Die Wahl des künftigen Aufsichtsratsvorsitzenden soll auf Vorschlag der Eigner erfolgen.

Piechs Cousin Wolfgang Porsche erklärte als Repräsentant des VW-Hauptaktionärs Porsche SE, er habe volles Vertrauen in die Führung des Konzerns und bedauere die Entwicklung der letzten Tage. Er dankte Piech für seinen Einsatz für Volkswagen und unterstrich: "Wir werden weiterhin mit großer Loyalität unsere Verantwortung als Großaktionär für den Volkswagen-Konzern und seine 600.000 Mitarbeiter wahrnehmen."

Piech war vor gut zwei Wochen per Spiegel-Artikel überraschend von seinem Zögling Winterkorn abgerückt und hatte den Konzern damit in eine tiefe Führungskrise gestürzt. Das Präsidium des Aufsichtsrats hatte Winterkorn daraufhin in einer Krisensitzung den Rücken gestärkt und dem Enkel von "VW-Käfer"-Erfinder Ferdinand Porsche eine herbe Abstimmungsniederlage zugefügt.

Vertrauen zerstört

Als der Aufsichtsratschef sich dem Votum nicht fügen wollte und Insidern zufolge hinter den Kulissen weiter an Winterkorns Stuhl sägte, zeigten ihm die anderen Mitglieder des engeren Führungszirkels die Rote Karte. Sie stellten auf einer erneuten Präsidiumssitzung, diesmal in Braunschweig, fest, dass das Vertrauen zu Piech zerstört sei und ließen ihm damit keine Alternative. "Herr Piech hat daraus die Konsequenzen gezogen und alle seine Ämter in VW-Aufsichtsräten niedergelegt", sagte Huber. Eine förmliche Abstimmung habe es dabei nicht gegeben, sagten zwei Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

Sowohl Huber als auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der das norddeutsche Bundesland im Aufsichtsrats-Präsidium vertritt, würdigten Piechs Verdienste um VW und die deutsche Automobilindustrie. "Ohne zu übertreiben ist festzustellen, dass er eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte ist", sagte Weil. Gerade Niedersachsen, das 20 Prozent an dem größten Arbeitgeber des Landes hält, habe Piech viel zu verdanken. "Dennoch war es in der jetzt eingetretenen Situation zwingend geboten, die Personalspekulationen zu beenden und für Klarheit in der Führungsspitze von VW zu sorgen", fügte der SPD-Politiker hinzu.

"Schock für Investoren"

Analysten nannten Piechs Rücktritt einen "Schock für Investoren". Auch wenn der Streit im VW-Aufsichtsrat in den vergangenen Wochen lautstark öffentlich ausgetragen worden sei, hätten nur wenige den Schritt erwartet - "und sicherlich nicht so schnell", sagte Stuart Pearson von Exane BNP Paribas. "Der Bruch auf so hoher Führungsebene zu einer kritischen Zeit für VW wird zweifelsohne viele Anteilseigner in den nächsten Wochen aus der Fassung bringen." Vom VW-Aufsichtsrat erwarteten Investoren jetzt ein schnelles Vorgehen, um Piech zu ersetzen, und jegliche Unzufriedenheit auf Führungsebene auszuräumen.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Freitag aus Kreisen der niedersächsischen Landesregierung erfahren, dass Piechs Vorgehen gegen Winterkorn immer mehr auf Unverständnis stieß: "Noch zwei, drei solche Sachen sollte er sich jetzt nicht mehr leisten", sagte eine Person mit Kenntnis der Situation. Da liefern einem Insider zufolge bereits die Vorbereitungen für das Krisentreffen am Samstag.

Der Autokonstrukteur und Porsche-Gründer Ferdinand Porsche (1875 - 1951) hat mit dem legendären VW-Käfer die Keimzelle des Weltkonzerns Volkswagen geschaffen. Seine Nachfahren halten heute den größten Teil der Macht bei Europas Marktführer in ihren Händen. Das Konstrukt dazu ist vielschichtig. Ein Überblick:

Der VW-Konzern mit seinen zwölf Fahrzeugmarken hat zwei Aktienarten. Die Vorzugsaktien werfen mehr Dividende ab, beinhalten dafür aber keine Stimmrechte für die Weichenstellungen auf der Hauptversammlung. Das Stimmrecht liegt bei den Stammaktien, kurz genannt Stämme. 50,73 Prozent dieser Stämme, also knapp die absolute Mehrheit, entfallen auf die Stuttgarter Porsche Automobil Holding SE (PSE). Sie versuchte vor rund sechs Jahren vergeblich, die alleinige Macht beim VW-Konzern zu holen, wofür mindestens 75 Prozent der Stämme nötig gewesen wären.

Heirat

Als Ergebnis steht nun gut die Hälfte des VW-Konzerns unter dem Dach der PSE. Und bei der wiederum haben die Porsches und Piëchs das alleinige Sagen, denn nach dem Ausstieg des Emirats Katar besitzen sie sämtliche Stämme der Holding. Allerdings entfallen die Anteile nicht zu gleichen Teilen auf die zwei Familienzweige Porsche und Piëch, deren unterschiedliche Namen übrigens daraus resultieren, dass die Porsche-Tochter Louise in den Namen Piëch hineinheiratete.

Die Porsches haben mit gut 50 Prozent der PSE-Stämme ein leichtes Übergewicht zu den Piëchs. Das liegt daran, dass in den 1980er-Jahren ein Piëch-Spross (Ernst) sein Paket versilberte und es zu gleichen Teilen an die zwei Familienflügel ging, was die Aufteilung verschob.

Verträge

Jedoch zwingen Verträge den PS-Clan, mit einer Stimme zu sprechen. Die Porsches können die Piëchs also nicht überstimmen - trotz des leichten Übergewichts bei ihren Stammanteilen. Zudem ist geregelt, dass Anteilsverkäufe der Familie angedient werden müssten. Es kann also gegen den Willen des Clans nichts an Externe fallen.

Ferdinand Piëch und seinem Bruder Hans Michel sind nach jüngsten Informationen jeweils 13,16 Prozent der PSE-Stammaktien zuzuordnen. Mit der weiteren Erbfolge fächern sich die Anteile auf. Der Clan der Porsche-Nachfahren zählt inzwischen viele Dutzend Mitglieder.

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