Lebensmittelskandale sorgen für ein Umdenken im Riesenreich. Doch wie echt ist "bio" in China?
08.01.14, 09:58
Immer neue Skandale machen
Chinas Verbrauchern Angst, die Palette reicht von vergiftetem Milchpulver, über Schwermetalle im Reis bis hin zu verseuchtem Mineralwasser. Das bringt der Biobranche einen Boom. Aber Experten zweifeln, ob echtes "Bio" in einem Land mit vielen Umweltproblemen möglich ist.
A staff removes Sanlu-brand milk formula products off shelves at a supermarket in Xiangfan, Hubei province in this September 12, 2008 file photo. To match Special Report CHINA-MILKPOWDER/ REUTERS/Stringer/Files (CHINA - Tags: HEALTH FOOD SOCIETY) CHINA OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN CHINA
Min Dong zählt zu den Vorreiterinnen der jungen
Biobranche in
China.
Min gründete ihre Firma "Tootoo" im Jahr 2008, als ganz
China von einem gewaltigen
Lebensmittelskandal geschockt wurde: Skrupellose Produzenten hatten die verbotene Chemikalie Melamin ausgerechnet in
Milchpulver gemischt, um die Milch künstlich besser erscheinen zu lassen. Mindestens sechs Säuglinge starben, fast 300.000 Kleinkinder erkrankten an Nierensteinen.
Kaufkräftige Mittelschicht
Die treibende Kraft des chinesischen Biobooms ist für Professor Zheng Fengtian von der Volksuniversität in Peking neben der allgemeinen Sorge um die Lebensmittelsicherheit die wachsende Mittelschicht des Landes. Denn sie hat das nötige Geld, um ein Vielfaches für die teureren Bioprodukte auszugeben. "Es sind die Menschen mit einem hohen Einkommen und einem großen Gesundheitsbewusstsein", sagt der Vizedekan der Fakultät für Agrarwirtschaft. Zheng schätzt ihre Zahl in China auf bis zu 100 Millionen.
Labourers carry rice harvested from a paddy field on top of a wine factory, Liujiang county, Guangxi ethnic Zhuang autonomous region, October 16, 2013. According to local media, the factory planted two mu (0.33 acres) of rice on the rooftops of its building, where the special environment has allowed the crops to avoid weeding, plant diseases and insect pests for three years. Picture taken October 16, 2013. REUTERS/Stringer (CHINA - Tags: BUSINESS AGRICULTURE SOCIETY FOOD) CHINA OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN CHINA
Die Entwicklung der
Biobranche steht im Reich der Mitte noch am Anfang. Laut jüngsten Zahlen der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) wurden 2011 mit 1,9 Millionen Hektar nur 0,4 Prozent von
Chinas landwirtschaftlicher Fläche für den Anbau von Bioprodukten genutzt. Zum Vergleich: In
Österreich sind es bereits rund sechs Prozent.
Es wird prognostiziert, dass der Markt in Fernost in den kommenden zehn Jahren im Durchschnitt jährlich um 30 bis 50 Prozent zulegen wird.
Skepsis bleibt
Für Chinas Biohersteller sind die endlosen Lebensmittelskandale aber nicht nur positiv. Auch ihnen begegnen die Verbraucher mit großer Skepsis. "Am Anfang war es sehr schwer, weil wir unsere Kunden erst langsam von unseren Produkten überzeugen mussten", gesteht Firmenchefin Min. Deshalb können die reichen Geschäftsleute aus Peking auch selbst zu der Biofarm fahren und das Gemüse zusammen mit ihren Kindern pflücken. Jeder soll sich vor Ort von der Qualität überzeugen können.
A close up shows a woman picking red peppers in a field near Batya, 140km south of Budapest September 21, 2013. Many are hoping to put Hungary's once booming paprika business, a powdered spice that has long been a staple in Hungarian cooking, back on the map after decades of neglect and despite fierce competition from countries including Brazil, Serbia and China. Picture taken September 21, 2013. To match story FOOD-HUNGARY/PAPRIKA REUTERS/Laszlo Balogh (HUNGARY - Tags: AGRICULTURE FOOD BUSINESS)
Trotzdem bleibt für viele ein Restzweifel. Zu Recht, findet Professor Zheng. Denn während
China mit einer gewaltigen Umweltverschmutzung kämpfe, könnten auf den Farmen nicht plötzlich vollkommen unbelastete
Lebensmittel entstehen: "Das Hauptproblem ist nicht die Luftverschmutzung, sondern das belastete Wasser und der Boden." Zwar suchten die Biohersteller möglichst gute Orte, aber in
China könne niemand ganz der Umweltverschmutzung entkommen. "Das ist "Quasi-Bioessen"", meint Zheng. Denn immerhin verzichteten die Bioproduzenten auf Pestizide und andere Chemikalien.
In Peking hält sich übrigens hartnäckig das Gerücht, dass sich die Staatsführung in ihrer Residenz "Zhongnanhai" neben dem Kaiserpalast ausschließlich von einem besonders gesicherten eigenen Biobauernhof versorgen lässt.
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