Über unsere Liebe zu Bewertungen, Ranglisten und Vergleichen

Schneller, höher, weiter: Menschen lieben es, sich miteinander zu vergleichen
Autor Péter Érdi geht in seinem neuen Buch unserer Hass-Liebe zu Listen und Vergleichen auf den Grund. Eine Vorschau.

Haben Sie heute schon ein Bild auf Instagram „geliked“, einem Lieferservice ein Sternchen verpasst oder vielleicht einen Kommentar auf Amazon geschrieben? Wie oft man im Alltag dazu animiert wird, irgendwo eine Bewertung zu hinterlassen oder zu lesen, fällt kaum noch auf. Und noch weniger, wie sehr sie unser Leben beeinflussen.

Bevor wir uns für irgendetwas entscheiden, wollen wir wissen, wo die lebenswertesten Städte der Welt sind, wie viel die Top-Ten-Unternehmen im Jahr erwirtschaften, welche Bücher auf der Bestsellerlisten stehen, mit welchen fünf Argumenten man in die Gehaltsverhandlung geht oder wo die Top-drei-Urlaubsziele in Österreich liegen. Alles bekommt heutzutage einen Rang zugewiesen. Die Liste ist lang.

Bin ich besser? Bin ich erfolgreicher?

In der Soziologie wird dieser Drang, sich selbst oder Dinge mit einander zu vergleichen, mit der Theorie des sozialen Vergleichs erklärt. Bin ich besser? Bin ich schlechter? Bin ich größer, bin ich kleiner? Bin ich erfolgreicher? Verdiene ich weniger? Diese sozialen Vergleichsprozesse prägen unser gesamtes Leben.  Und nicht selten beeinflussen sie auch unsere Entscheidungen.

Dass wir diesen Ordnungssystemen eine derart große Macht einräumen, findet Autor Péter Érdi fragwürdig. In seinem kürzlich veröffentlichtem Buch „Die Welt der Rankings“ untersucht er dieses Phänomen, trägt Theorien aus den unterschiedlichsten Disziplinen, u. a. aus der Sozialpsychologie, Soziologie oder Informatik, zusammen, um seinen Lesern und Leserinnen ihre teils manipulative Macht zu erklären.

Paradoxe Beziehung

„Unsere Beziehung zu Rankings ist recht paradox“, schreibt Érdi. „Sie sind gut, weil sie informativ und objektiv sind; sie sind schlecht, weil sie verzerrt und subjektiv manchmal sogar manipuliert sind.“ Verschiedene Studien hätten gezeigt: Menschen tendieren beim Vergleichen mit anderen dazu, ihre Mitmenschen immer als glücklicher, erfolgreicher und besser einzuschätzen.

Und Rankings würden dem Autor zufolge diese Tendenz zusätzlich befeuern. Der Kern des Problems: Man würde nicht mehr hinterfragen, wie die Ranglisten zustande kommen und auf was für Daten sie basieren. „Die besten Rankings basieren auf objektiven Kriterien“, so Érdi. „Rankings der höchsten Gebäude, der größten Hechte und der schnellsten Motorräder werden sofort für bare Münze genommen.“

"Illusion von Objektivität"

Allerdings können sich auch viele subjektive Eindrücke unter die Kriterien mischen. Wie eine Under 30-Liste zustande kommt, oder eine über die schönsten Hotels Österreichs, ist nicht immer nachvollziehbar und würde je nach Jury-Zusammensetzung vermutlich anders ausschauen. Trotzdem verleihen die Wertungen dem Ganzen eine gewisse Autorität, der zu viel Glaubwürdigkeit beigemessen wird – Érdi nennt es die „Illusion von Objektivität.“

Irgendjemand oder irgendeine Gruppe von Menschen habe sich eine Ordnung ausgedacht, die dann wiederum nachträglich anhand bestimmter Kriterien begründet wurde. Realität, Illusion, Manipulation – nach der Lektüre von Érdis Buch achtet man wohl gewissenhafter auf das Zustandekommen von Rankings – unerlässlich im Zeitalter der Ranglisten.

Buchtipp

Péter Érdi: Die Welt der Rankings. Wie Sie Vergleiche, Bewertungen und Ranglisten richtig deuten. (Redline Verlag).

Darum geht es: Péter Érdi zeigt, wie man Rangordnungen und soziale Hierarchien verstehen und besser zwischen objektiven und subjektiven Rankings unterscheiden kann.

Das war gut:  Mit der Lektüre wird einem bewusst, wie sehr man auf Bewertungen anderer achtet – ohne ihre Grundlage zu hinterfragen.

Das hat gefehlt: Die Spannung.Vorwort und Vorbemerkung machen neugierig, leider ist das Buch etwas hochtrabend geschrieben, weniger fesselnd.

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