Studie: Wie stark beeinflusst die Persönlichkeit unsere Berufswahl?

Illustration of woman in black holding a surreal mirror among clouds, surreal abstract concept
Laut Studie spielt die Persönlichkeit bei der Berufswahl eine größere Rolle als angenommen – ist man fehl am Platz, hat das Folgen.

Vielfalt am Arbeitsplatz wird gern gepredigt. Sie fördere Zufriedenheit, verbessere die Performance und führe zu Innovation. Aber gilt diese Vielfalt auch für die Persönlichkeiten in einem Unternehmen? Die ehrliche Antwort: nicht wirklich.

Denn Ergebnisse einer aktuellen Studie der Universität Mannheim deuten darauf hin, dass Charaktereigenschaften innerhalb von Berufsgruppen eher homogen sind. Heißt: Menschen mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen sind in ähnlichen Jobs tätig. Die Studie bezieht sich dabei auf die bekannten „Big Five“-Persönlichkeitsmerkmale: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität. Je nach Ausprägung entscheidet man sich für bestimmte Berufe. Eine Schlussfolgerung könnte somit sein, dass sich soziale Menschen auch für soziale Jobs entscheiden – aber ist das wirklich so einfach?

Inwieweit die Persönlichkeit die Berufswahl beeinflusst und ob uns ein Job wiederum nachhaltig verändern kann, fragt der KURIER vier Experten.

Die Qual der Job-Wahl: Wie die Persönlichkeit die Entscheidung beeinlfusst

Auf die Frage, ob es extrovertierte, charmante Überredenskünstler eher in den Vertrieb zieht, antwortet Arbeitspsychologin Anna Lammert-Hejl: „Nicht zwingend, aber es ist wahrscheinlicher.“ Jemand, der sehr extrovertiert ist, würde sich weniger für Backoffice-Tätigkeiten begeistern, wo es stiller zugeht. In dem Sinne spiele die Persönlichkeit bei der Berufswahl auf jeden Fall eine Rolle, meint sie. Wobei sie anmerkt, dass auch das Umfeld, Freunde, Familie entscheidend sind – und wie gut wir uns selbst kennen.

Als Business-Coachin beobachtete Diana Huber öfter, dass vor allem junge Leute von ihrem Umfeld motiviert werden, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. „Ich erinnere mich an eine junge Frau, der nachgesagt wurde, dass sie sehr empathisch ist und im Sozialbereich arbeiten sollte. Dort war sie aber unglücklich.“ Später wurde klar, dass ein naturwissenschaftlicher Beruf passender ist. „Man hat mehr als nur ein Persönlichkeitsmerkmal und kann auch als Naturwissenschaftlerin empathisch sein“, erzählt Huber. Deswegen sollte man zwischen jenen Eigenschaften, die einen wirklich beschreiben, und jenen, die einem das Umfeld zuschreibt, unterscheiden. Landet man im falschen Job, kann das teils schwere Konsequenzen haben (dazu später mehr).

Umso wichtiger ist es, sich mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, sagt Profiler Marcus Gegenbauer. „Persönlichkeitsmerkmale bestimmen, welche Berufe wirklich für mich geeignet sind, weil ich Grundvoraussetzungen mitbringe, die mir die Tätigkeit wahnsinnig erleichtern.“ Ist man analytisch, diszipliniert, findet man sich in der Buchhaltung oder im Controlling zurecht. Bei harmoniebedürftigen Personen mit guten Bindungsfähigkeiten, die Unstimmigkeiten wahrnehmen können, wäre das Personalmanagement eine gute Wahl. Kontaktfreudige, extrovertierte und enthusiastische Jobsuchende könne man wiederum im Einkauf einsetzen bzw. im Eventmanagement, „wo viel passiert“, so der Experte.

Folgt man diesem Muster, überrascht es kaum, dass man Branchen einen klassischen Persönlichkeitstyp zuordnen kann. Es entstehen „Job-Bubbles“.

Expert:innen

Marcus Gegenbauer, Profiler und Life Coach; Diana Huber, Talentmanagerin bei Greiner; Mark T. Hofmann, Profiling-Experte; Anna Lammert-Hejl, Arbeitspsychologin

Wie Job-Blasen entstehen und warum das ein Problem ist

„In größeren Gruppen, im Kollektiv, werden bestimmte Muster sichtbar“, schreibt Kriminalanalyst und Organisationspsychologe Mark T. Hofmann auf KURIER-Anfrage. Vergleicht man etwa auf Veranstaltungen die Persönlichkeitsmerkmale, Kleidung, den Habitus, Gewohnheiten, Ausdrucksweisen, Motive und Ängste, werden Gemeinsamkeiten in Berufsgruppen unübersehbar, meint er. Den Grund verortet er nicht nur in der Berufswahl: Arbeitgeber würden auch eher nach Mitarbeitenden suchen, die ihrem Muster entsprechen, die gut ins Team passen. „Menschen mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind – das ist wissenschaftlich gut belegt“, sagt Hofmann.

Diese Gleichheit sieht der Profiling-Experte jedoch kritisch: „Manchmal dreht man sich innerhalb einer Branche im Kreis. Ich habe Meetings erlebt, in denen Berater mit Beratern über Beraterthemen beraten haben – in Beratersprache.“ Die eingangs erwähnte Vielfalt kommt dadurch zu kurz. Dabei ist Diversität wünschenswert, sagt Diana Huber. Aber wenn man sich zwischen einem Kandidaten mit allen fachlichen Kompetenzen und jemandem, der besser ins Team passt, entscheiden muss, wählt man oft den Letzteren – auch, wenn er fachlich nicht perfekt ist. „Die nötigen Kompetenzen kann man sich auch später noch aneignen.“

Die Mannheim-Studie deutet hier auf einen weiteren Aspekt hin: den Faktor „Dauer“. Denn je länger eine Person in einem Beruf tätig ist, desto mehr nähern sich die Persönlichkeitsmerkmale denen der Kollegen an, heißt es. Oder, wie Hofmann es einfach erklärt: „Wir passen uns (bewusst oder unbewusst) unserem Umfeld und den Erwartungen an.“ Inwieweit das gelingt, weiß Marcus Gegenbauer.

Wie unser Beruf uns verändern kann

„Es gibt Teile unserer Persönlichkeit, die wir verändern können, und andere, die wir gar nicht oder nur schwer anpassen können“, erklärt Gegenbauer. Zu den nicht veränderbaren Eigenschaften zählen etwa Kontaktfreudigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Disziplin, strategisches bzw. analytisches Denken oder Empathie. Mit dem „richtigen“ Job könne man diese Merkmale stärken, „weil man genau das macht, was einem liegt.“ Diana Huber hat sogar die Erfahrung gemacht, dass das richtige berufliche Umfeld verborgene Talente zum Vorschein bringen kann: „Meine strategische Denkweise habe ich zum Beispiel erst durch meinen Beruf entdeckt,“, erzählt sie.

Im „falschen“ Job sieht es anders aus, warnt Anna Lammert-Hejl. „Je besser man zum Job passt, desto erfüllter ist man. Wenn man aber seine Stärken nicht ausleben kann oder unterdrücken muss, wird man nicht glücklich“, sagt sie. Zunächst könne man diesen Mangel noch im Privatleben oder durch andere Bereiche im Job kompensieren, aber langfristig habe das Folgen.

Was passiert, wenn man im „falschen“ Job ist

„Anders zu sein“, sei im Beruf nicht einfach – vor allem, wenn einem das Thema Zugehörigkeit am Herzen liegt, sagt Diana Huber. „Ist man komplett außen vor und tickt anders, kommt man an einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss.“ Die Passung zwischen Persönlichkeit und Beruf sei nämlich keine Luxusfrage, betont sie. „Sie entscheidet, ob man bleibt oder geht.“ Diese Erkenntnis deckt sich mit der Mannheim-Studie, die zeigt, dass Persönlichkeitsunterschiede häufiger zum Berufswechsel führen.

Für Anna Lammert-Hejl absolut verständlich, denn die Konsequenzen sind teils gravierend: „Kann man sein Selbst nicht ausleben, kann das zu Entfremdung, emotionaler Erschöpfung oder gar Burn-out führen.“

Genau daran misst Profiler Marcus Gegenbauer, ob eine Person im richtigen Beruf ist. Grundsätzlich könne nämlich jeder jeden Job machen. Die Frage sei nur, ob man sich dabei anstrengen muss oder es leicht von der Hand geht: „Wenn am Abend keine Reserven mehr übrig sind, muss ich mir überlegen, ob ich im richtigen Job bin.“ Oder im richtigen Umfeld, wie Diana Huber anmerkt: „Es gibt Leute, die man bestimmten Berufen nicht zuordnen würde. Etwa eine farbenfrohe, kreative Person im Finanzwesen. Solche Personen würden sich in typischen Finanzfirmen auch meist nicht wohlfühlen“, meint sie. „In einem dynamischen Start-up vielleicht schon.“

Kommentare