Start-ups: Investoren setzen fast ausschließlich auf Männer

In der Start-up-Szene fließt für Frauen drastisch weniger Geld. Unter den insgesamt 153 Gründern, die im ersten Halbjahr 2025 eine Finanzierungsrunde abschließen konnten, waren nur elf Frauen. Das zeigt der aktuelle Female Start-up Funding Index. Eine weitere ernüchternde Erkenntnis: 98,1 Prozent des gesamten investierten Kapitals gingen ausschließlich an rein männlich besetzte Teams.
Erstellt wurde der aktuelle Female Start-up Funding Index von EY Österreich, Female Founders und Fund F.
Die Ergebnisse:
- Fast das gesamte Kapital floss in rein männliche Start-up-Teams – ein starker Anstieg, im Vorjahr waren es noch 75,7 Prozent.
- Das Investitionsvolumen gemischter Teams ist auf 1,3 Prozent gefallen.
- 0,6 Prozent gingen an rein weibliche Teams.
- Gründerinnen sind vor allem bei kleinen Finanzierungsrunden unter einer Mio. Euro vertreten.
Wie kann das sein?
„Ich frage mich, wie man so viel Potenzial einfach liegen lassen kann“, berichtet Natascha Fürst, CEO von Female Founders. Auch aus wirtschaftlicher Perspektive sieht sie darin einen Nachteil: „Würden wir in der EU den Gender-Investment-Gap schließen, könnten wir das jährliche Bruttoinlandsprodukt Europas um 6,9 Prozent steigern.“ Warum also gibt es eine so klaffende Lücke?
Zum einen wird der Gender-Investment-Gap mit der aktuellen Zurückhaltung vieler Investoren begründet. Die Gesamtzahl der Investments sei generell massiv eingebrochen, erklärt Fürst. Zum anderen handle es sich um ein strukturelles Marktversagen: Männer sind auf Partnerschaftsebene und in Investorreihen deutlich überrepräsentiert. So beschreibt Clara Ganhör, Gründerin des Start-ups „Diamens“, die Situation: „Wir haben mit dutzenden Investoren gesprochen, aber die Anzahl an Investorinnen könnte man auf einer Hand abzählen.“
Und genau das mache den Unterschied. „Das ist das Similaritätsprinzip“, erklärt Natascha Fürst. „Man investiert in das, was man kennt. Es geht um das Grundbedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit. Das werfe ich den Männern nicht vor. Aber wenn wir das nicht ansprechen, wird sich nichts ändern.“
Veränderung in Sicht?
Mit diesen strukturellen Unterschieden gehen auch Vorurteile einher. Davon berichtet etwa Patricia Klimek. Als Gründerin von „Willow Stories“ und Finanzmarktexpertin ist sie für die Kapitalbeschaffung ihres Start-ups zuständig. „Das war aber keine einfache Entscheidung“, gibt sie zu. Investoren würden Fragen nämlich oft automatisch an ihren männlichen Co-Gründer richten. „Aber da muss man darüberstehen, es ignorieren und sich die Aufmerksamkeit zurückholen“, sagt sie. Clara Ganhör erlebte Ähnliches und hat deswegen einige Standardphrasen parat, mit denen sie nicht nur ihr Produkt, sondern auch ihre Kompetenz erklärt. „Es kommt immer wieder vor, dass die eigene Expertise nicht sofort anerkannt wird und man beweisen muss, dass man es draufhat.“
Gleichzeitig bemerkt sie jedoch Fortschritte: Immer öfter trifft sie auf Gesprächspartner, die ihr auf Augenhöhe begegnen. So sieht das auch Claudia Gessler-Zwickl, CEO des Start-ups Fertilabs. „Investoren sind bisher meist auf uns zugekommen. Wir haben positive Erfahrungen gemacht und viele wertschätzende Gespräche geführt.“ Trotzdem betont sie, wie wichtig weibliche Vorbilder sind:
„Es braucht dringend Frauen, die zeigen, dass es machbar ist, erfolgreich zu gründen und Investorengelder einzusammeln.“ Davon würden letztlich alle profitieren, meint auch Natascha Fürst: „Frauen werden in den frühen 2030er-Jahren mehr als die Hälfte des weltweiten Kapitals besitzen und damit die Innovation der Zukunft finanzieren. Das sollten wir nicht verschlafen.“
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