Papierhändlerin zum Schulstart: "Ohne diese Spitzen würden wir nicht überleben"

Über zwanzig selbst bemalte Schultüten zieren den Kassabereich. Daneben Rucksäcke mit Äffchen- oder Otter-Gesicht. Es ist viel los an diesem Nachmittag im Papierhaus Stöger in Wien Döbling. Eltern und Großeltern erledigen mit ihren Kindern die Einkäufe vor dem Schulstart. Der Geräuschpegel ist hoch, die positive Aufregung spürbar. Der größte Trubel wird am 1. September erwartet, wenn die Schulglocken Wiens wieder läuten.
Da steht die Schlange quer durchs ganze Geschäft, erzählt Inhaberin Barbara Nepp. „Wir alle im Team freuen uns darauf“, sagt sie und ergänzt: „Ohne diese Spitzen würden wir wahrscheinlich nicht überleben, auch wenn wir immer viel zu tun haben. Barbara Nepp ist seit mittlerweile sieben Jahren im Papier-Business. Während ihrer Karenz arbeitete sie in der Innenstadt-Papeterie ihrer Schwiegereltern und verliebte sich in die Branche. Seit 2018 führt sie das Papierhaus in Währing, 2020, einen Monat vor dem Corona-Lockdown, übernimmt sie die Döblinger Traditionspapeterie Stöger, die heuer ihr 100-jähriges Bestehen feiert.
Eine herausfordernde Angelegenheit, erzählt sie. Energiepreise wären in den vergangenen Jahren um 70 Prozent gestiegen, Personalkosten um 30 Prozent. „Das können wir aber nicht aufs Produkt umlegen, sonst haben wir keine Kunden mehr“, sagt sie. Höhere Gehälter begrüßt Nepp, da sie ihre Mitarbeiter langfristig halten möchte. Manche Angestellte hat sie noch von den Vorbesitzern, der Familie Schefz, übernommen. Aber im Bereich Energiepreise und Steuern hofft sie auf ein Umdenken, „damit es der Einzelhandel noch schafft“, sagt sie. „Jetzt hat wieder ein Papiergeschäft im zweiten Bezirk geschlossen. Das ist jedes Mal ein Stich ins Herz.“

Barbara Nepp führt neben dem Papierhaus Stöger ein weiteres Geschäft in Währing.
Online-Giganten mit besserem Service übertrumpfen
Was den kleineren Geschäften zum Verhängnis werden kann? „Wir haben ganz andere Zahlungsmodalitäten im Vergleich zu den Konzernen“, erklärt Nepp. „Die kaufen Schultaschen ein und zahlen sie ein Jahr später. Wenn wir binnen zwei Wochen nicht bezahlen, bekomme ich schon die erste Mahnung.“ Bei der größten Schultaschen-Firma ihres Sortiments muss Barbara Nepp die Bestellung schon ein dreiviertel Jahr vorher abgeben. Kommt dann im Herbst ein komplett neues Modell auf den Markt, muss alles günstig abverkauft werden.
„Die Beratung bei Schultaschen ist total intensiv, das ist auch wichtig. Man muss jedes Modell probieren, weil jedes Kind anders ist. Wenn ich die Taschen aber dann rausschleudern muss, tut mir das leid.“ Die günstigsten Sonderpreis-Modelle gibt es aktuell ab 99 Euro – die teuersten liegen bei 349 Euro. Ein Preis, den Online-Giganten wie Amazon problemlos unterbieten können. „Wobei man sagen muss: Wir haben kaum Kunden, die sich beraten lassen und dann nichts kaufen“, ergänzt Nepp.
Von ungefähr kommt das nicht – neben der Beratung hat das Papierhaus Stöger eine Vielzahl an Services für die Kunden kreiert, um sie nicht an Onlinehändler zu verlieren. „Man muss immer daran arbeiten, dass es einen Grund gibt, hier einzukaufen“, sagt die Inhaberin. Die gezeichneten Schultüten im Kassabereich sind ein Teil davon.

Die bemalten Schultüten sind eine Stöger-Tradition. Kinder, die sie bemalen und im Geschäft vorbei bringen, bekommen eine kleine Überraschung.
Die Kinder nehmen die Vorlagen mit nach Hause und bekommen ein Überraschungssackerl, wenn sie die Tüten bemalt zurückbringen. Eine lange Tradition, die Nepp von ihren Vorgängern übernommen hat. Weitere Fixpunkte im Stöger-Programm: Das Schullisten-Service, wo die Sackerl fix und fertig vorbereitet werden. Außerdem: Der Spray Day. Zweimal im Jahr kommt ein professioneller Sprayer in die Papierhandlung, um die Schulrucksäcke der älteren Kinder zu besprühen. Am ersten Schultag gibt es den Einbinde-Service für die Schulbücher. Muss eine Schultasche repariert werden, wird sie vom Papierhaus eingeschickt und das Schulkind einstweilen mit einer Ersatzschultasche ausgestattet. Für Eltern mit Zwillingen gibt es den Zwillingsrabatt, weil Barbara Nepp als Mutter weiß, wie sehr so ein Einkauf ins Börserl gehen kann.
Insgesamt schätzt Nepp, dass Eltern heuer 150 Euro für Schulzubehör (Mappen, Papier, Stifte) bei ihr ausgeben werden. „Bei den Heften sind wir sogar teilweise billiger als die Konzerne“, sagt Nepp, die aber natürlich auch Hochpreisiges im Angebot hat. Jedoch auch zu einer höheren Qualität, sagt sie.
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