Schöner Schein statt Umsatz: Designerin Niki Osl über Erfolgs-Illusionen

„Wo ist das Echte“, fragt Designerin Niki Osl. „Ich habe das Gefühl, in unserer Welt kommt man im Moment weiter, je mehr man sich aufplustert. Aber das entspricht nicht meiner Seele.“ Je länger Osl im Business ist, desto introvertierter wurde sie, reflektiert sie im Gespräch mit dem KURIER. Auch weil sie schon am Anfang ihrer Karriere erkannt hat, dass die Außenwirkung oft nur wenig mit dem tatsächlichen Erfolg zu tun hat.
Viele Stars, wenig Umsatz
Seit ihrer Kindheit sammelt Niki Osl auf Flohmärkten Vintage-Blüten und antike Materialien. Die jüngsten stammen aus 1970, die ältesten aus 1850 und „gehören eigentlich ins Volkskundemuseum“. 2010 begann sie in ihrem Döblinger Atelier, daraus Blumenkränze und Spangen für das Haar zu kreieren. Jedes Stück ein Unikat, handgefertigt, mit Draht gebunden.
Zuvor war Osl Grafikerin, arbeitete in der Werbung und wusste deshalb, wie die Medienbranche funktioniert. Sie schickte den Chefredakteurinnen renommierter Magazine persönlich abgestimmte Kränze. Zuerst meldete sich die deutsche Vogue, dann die italienische und schließlich die amerikanische, die das Tor zu den Superstars öffnete.
Taylor Swift, Katy Perry oder Lana Del Rey trugen plötzlich Kränze von der Wiener Marke „miss lillys hats“. „Ich war bereit für ganz Großes, hatte all diese Medien und Stars, aber es hat keiner was gekauft!“, verrät Osl offen. Auch weil ihr ein Fehler unterlaufen ist, um den es ihr bis heute leidtut.
Der Erfolg, der nach außen hin stattgefunden hat, hat überhaupt nicht zusammengepasst mit dem, wie es wirklich war.
„Ich habe den Stylisten meine Kränze geschenkt, aber nicht bedacht, ein Foto zu verlangen, wo ich die Rechte darauf habe, oder zumindest eine namentliche Nennung.“ Instagram steckte ebenfalls noch in den Kinderschuhen – in Beiträgen werblich markiert werden, war nicht üblich. Viel Scheinwerferlicht bedeutet also nicht automatisch viel Geschäft, weiß sie heute. Doch es gibt noch einen weiteren Fehler, der Osl nicht mehr passiert. Ihre Werke unter Wert verkaufen.
Vom Kunsthandwerk leben
„Ich erinnere mich, als ich das erste Mal ein Konvolut an Blumen aus der Jahrhundertwende von einer Hutmacherin abgekauft habe. Das waren ganz rare Stücke.“ Heute wären sie unbezahlbar, schätzt Osl, in der Menge sowieso nicht mehr zu haben. Damals bezahlte sie höchstens ein paar Euro pro Blume und verlangte für den fertigen Kranz dementsprechend wenig. Den historischen Wert kalkulierte sie nicht, doch der steigt kontinuierlich. Auch weil das Kontingent antiker Materialien fast ausgeschöpft ist. „Mittlerweile ist es sehr schwierig, etwas zu bekommen, und alles, was alt ist, wird immer teurer.“
Die Untergrenze bei schmalen Haarreifen setzt die Unternehmerin deshalb bei 200 Euro an, wobei sich diese für sie nicht rentieren, sagt sie klar. „Das ist immer schwierig jemandem zu erklären, der nicht selbstständig ist. Der sieht den Preis und denkt sich: Die spinnt ja.“
Mit den großen Kränzen geht es besser. Die starten bei rund 850 Euro, wobei es nach oben kein Limit gibt. „Bei mir geht es nicht um Menge oder Masse“, sagt Osl. Bei guten Kunden und Sammlern, die sie in Amerika, England, Deutschland, Österreich und der Schweiz hat, müsse sie nicht viel verkaufen. „Manchmal sind es fünf Stück, damit ich sage: Es war ein gutes Jahr.“ Die Wirtschaftskrise geht dennoch nicht spurlos an ihr vorbei. „Ich merke, dass die Leute mehr darauf schauen, wofür sie Geld ausgeben.“
Günstiger produzieren oder in die Masse gehen, kommt für sie aber nicht infrage. „Es ist kein Wegwerfprodukt, sondern ein Erinnerungsstück für Menschen, die Geschichte lieben.“ Also übernimmt sie seit Corona auch wieder Grafik-Aufträge, gestaltet etwa den ganzen Auftritt von Mode-Designerin Lena Hoschek. Es mache Spaß und nehme den Druck, einen gewissen Umsatz bei „miss lillys hats“ erzielen zu müssen. Denn mit Zahlen hat es die Designerin nicht so.
Zeit- und zahlenlos
Heuer feiert ihre Marke 15-jähriges Bestehen – eigentlich. Denn Niki Osl feiert keine Jubiläen. Sie zählt keine Jahre, hält Zeit lieber fest und konserviert sie. „Ich bin niemand, der in Modezeitungen blättert und schaut, was gerade im Trend ist. Ich hab so meine eigene Welt. Manchmal fällt sie vielleicht aus der Zeit, dann ist sie wieder in der Zeit, aber ich gehe meinen Weg und lasse mir nicht dreinreden.“
So zeitlos Niki Osls Welt ist, so zahlenlos ist sie auch, was beim Steuerberater manchmal Kopfschütteln verursacht. „So, wie ich nie Jubiläen gefeiert habe, habe ich auch nie gezählt, wie viele Stück ich produziere.“ Vielleicht sind es hundert pro Jahr, vielleicht viel mehr oder weniger. „Ich weiß es wirklich nicht“, lacht Osl. „Aber es wäre interessant zu wissen!“
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