„Ich wollte nie ein Manager sein“

„Ich wollte nie ein Manager sein“
Ali Mahlodji, Mitbegründer des Bildungs-Start-ups whatchado, hat neue Pläne.

In den vergangenen Jahren baute er es zu einer Marke auf, die über die Start-up-Szene hinaus bekannt ist, Millioneninvestments inklusive. Warum er geht und wie seine Zukunftspläne aussehen.

KURIER: Nach knapp sieben Jahren an der Spitze von whatchado ziehen Sie sich mit Jahresende aus dem Management Ihres Start-ups zurück. Wollen Sie kein Manager mehr sein?

Ali Mahlodji: Ich habe mich in den vergangenen zwei Jahren schon vorrangig darum gekümmert, wie ich junge Menschen fit für die Zukunft mache, habe mich auf die Potenzialentfaltung konzentriert. Die Video-Plattform whatchado ist mit mittlerweile rund 7000 Videos gut abgesteckt. Der nächste Schritt ist für mich, die Leute dazu zu animieren, ihre Talente zu finden und sie auf die Arbeitswelt der Zukunft vorzubereiten. Ich bleibe ja noch Shareholder und auch im Beirat von whatchado. Aber im Alltag sehe ich mich mehr bei den Work Reports, die ich für das Zukunftsinstitut mache und den Vorträgen im Bildungsbereich. Mit Gerald Hüther – er ist seit zwei Jahren mein Mentor – habe ich auch Pläne.

Sie bleiben Shareholder, verkaufen also nicht Ihre Anteile in Höhe von 14 Prozent. Warum nicht?

Ich habe im Laufe der letzten Jahre ganz wenige Anteile verkauft. Aber ich glaube ja an das Unternehmen, es macht Sinn, es weiterzuführen – deshalb behalte ich sie. Von meinen Anteilen könnte ich mir aber ohnehin keine Villa bauen. Mir war immer nur wichtig, dass meine Mitarbeiter und ich vom Unternehmen leben können. Mein einziger Luxus sind meine vielen weißen Turnschuhe.

Was hat Sie zum Ausstieg bewogen?

Im Sommer habe ich mir die Achilles-Sehne gerissen und hatte wirklich viel Zeit zum Nachdenken. Da habe ich auch erfahren, dass ich Papa werde. Und ich dachte: Wie soll 2019 aussehen? Wie wird sich whatchado entwickeln? Und ich bin dann schnell draufgekommen: Es ist egal, ob ich dabei bin oder nicht.

Ist es das?

Natürlich! Ich hab’s eintätowiert und werde immer ein Fürsprecher des Unternehmens sein. Nur: Das Unternehmen braucht mich intern nicht mehr. Es ist Zeit, die Leute wachsen zu lassen. Jubin Honarfar, an den ich 2015 die CEO-Staffel übergeben habe, hat einen eigenen Stil gefunden und fährt den auch. Und es ist auch nicht gut, immer einzugreifen.

2015 haben Sie das operative Geschäft abgegeben. Was verändert sich durch Ihren Rückzug aus dem Management jetzt?

Ich habe mich zwar aus dem operativen Management zurückgezogen, war tatsächlich aber immer noch in vielen Entscheidungen drinnen. Das möchte ich in Zukunft nicht mehr sein. Das eine ist die Erkenntnis, dass ich das nicht mehr möchte. Das andere ist das echte Loslassen.

Sein Baby aus der Hand zu geben.

Aber es ist ja in guten Händen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass solche Entwicklungsschritte gut sind. Jeder Abschluss öffnet Tausend neue Türen, und zwar für alle. Mein Ego sagt zwar: Sitzen bleiben bis zur Pension. Aber ich glaube nicht, dass ein Festhalten ohne Impact klug ist. Das Unternehmen ist sehr gut aufgestellt für die Zukunft.

Ist ein Exit im Gespräch?

In den Boardmeetings war das noch kein Thema. Es gab immer wieder Gespräche darüber, einen Partner zu holen, aber keinen konkreten Plan.

Vor wenigen Wochen hat Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner verkündet, als CEO auszusteigen. Hat Sie das inspiriert?

Meine Entscheidung ist schon vorher gefallen. Ich finde es cool, dass er es macht und es hat mich gewundert, dass er es nicht schon vorher gemacht hat. Er hat bisher immer nur gearbeitet und das Einzige, was er jetzt will, ist, erstmal keine Pläne zu haben.

Wann ist es für einen Gründer Zeit, zu gehen?

Ich glaube nicht daran, dass man ein Unternehmen bauen sollte, damit sich eine Person darin für immer manifestiert. Ich wollte nie ein Manager sein, ich wollte immer nur, dass das Unternehmen wächst.

„Ich wollte nie ein Manager sein“

Sie klingen wie der Matthias Strolz der Start-up-Szene.

Er hat mich auch wirklich inspiriert. Sein Rückzug war für mich eine Überraschung, aber ich weiß auch, dass es bei den Neos nicht gekriselt hat, sondern dass er einfach gesehen hat: Jetzt braucht es mich nicht mehr. Seine Entscheidung hat mich voll motiviert.

Eigentlich liegt das Gehenlassen in der Natur von Start-ups: Man baut sie auf, macht einen Exit, baut das nächste auf.

Das ist nicht nur der Sinn bei Start-ups – das ist auch der Sinn des Lebens. Als Elternteil erziehst du dein Kind ja auch so, dass es dich eines Tages nicht mehr braucht. Die meisten Unternehmen sind leider so aufgestellt: Wenn morgen das Flugzeug samt Führungsriege abstürzt, ist auch das Unternehmen tot. Ich will das erwachsene Kind nicht noch weiter behüten. Die Frage ist immer nur: Traue ich dem Kind zu, dass es alleine geht?

Und wohin geht whatchado jetzt?

Im Bereich der Plattform und des Produkts wird sich viel entwickeln, die Schulveranstaltung whatchaskool wird es weiterhin geben. Ich selbst hab ein neues Format für Jugendliche entwickelt: futurerocka. Da geht es nicht mehr um Berufsorientierung, sondern darum, Stärken und Talente der Jugendlichen herauszufinden. Sie sollen aus den Workshops rausgehen und ihre ganzen Glaubensmodelle hinterfragen können.

Gibt es die Marke whatchado ohne Sie noch?

Natürlich. Wir haben an die 300 Kunden und ein Drittel von ihnen hat mich noch nie in ihrem Leben gesehen. Und das ist auch okay so.

Wie schwierig ist es, Macht abzugeben, sich rauszunehmen, auszusteigen?

Ich mach mir schon ein bisschen in die Hose. Aber was wäre, wenn ich noch drei Jahre, noch zehn Jahre bliebe? Das Schlimmste ist, wenn ein Patriarch, der Gründer, nicht loslassen kann. So ein Typ will ich nicht werden.

Für die meisten ist gerade das – der Chef sein – Erfolg. Was ist Erfolg für Sie?

Vor zehn Jahren hätte ich das auch gesagt. Ich wäre damals mit 40 gerne Chef einer großen Tech-Company gewesen. Der größte Erfolg ist für mich heute etwas ganz anderes: meine Meinung offen sagen zu können, nicht der Sklave meines Kalenders sein zu müssen und das, was ich tue, nicht aufzugeben.

Wie bereitet man einen Ausstieg aus einem Unternehmen vor?

Operativ ist alles schon länger erledigt. Wichtig war mir jetzt, dass es die Leute früh genug erfahren. Normalerweise rede ich frei, für die Verkündung habe ich aber einen sechsseitigen Brief vorbereitet, den ich der Belegschaft vorgelesen habe. Die Übergabe an sich findet laufend statt. Wenn sich im Jänner aber noch jemand bei mir meldet, werde ich helfen.

Sie haben 33 Mitarbeiter, Business Angel Johann Hansmann ist Mehrheitseigentümer. Wie waren deren Reaktionen?

Von Tränen bis Applaus. Das war schön.

Sie hatten in Ihrem Leben schon über 40 Jobs. Was wird jetzt Ihr nächster sein?

Papa sein! Sonst: Ich habe jetzt ein kleines Team an Leuten aufgebaut, die bei futurerocka mitmachen wollen. Ob es sich monetarisiert, ist vorerst zweitrangig. Es geht darum, Jugendliche fit zu machen.

Aber wovon werden Sie leben?

(Anm. zeigt eine Skizze in seinem Notizblock her) Ich möchte eine Verbindung zwischen den Jugendlichen, deren Eltern, Führungskräften und dem Jobmarkt der Zukunft sein. Deshalb werde ich Leiter des Bereiches Bildung und Persönlichkeitsentwicklung der Akademie für Potenzialentfaltung in Göttingen, Wien und Zürich. Ich werde aber nach wie vor Vorträge halten, Trendforschung machen und Bücher schreiben. Im nächsten Buch wird es darum gehen, Lernlust bei Kindern zu fördern. Denn Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die Lust aufs Lernen haben, viel besser damit umgehen, wenn sie einmal den Job verlieren und sich besser auf Neues fokussieren können.

Sie sagen, Sie sind einer, der aufbaut, ein Macher. Werden Sie ein neues Start-up gründen, noch einmal von Null weg anfangen?

Alles kann sein. Ich bin 37 und will 113 Jahre alt werden. Ich habe also noch sehr viel Zeit. Ich denke, wir müssen die Talente, die wir haben, nutzen. Und es gibt so viele ungelöste Schwierigkeiten in der Welt: Eltern haben Angst, Kinder in die Welt zu setzen, die Menschen sind zukunftsverdrossen, es gibt eine Schieflage zwischen Männern und Frauen, eine verlorene Generation am Jobmarkt, die einfach nicht gesehen wird. Ich möchte meine Zeit weiterhin dazu nutzen, einen Beitrag zu einer Besserung zu leisten.

Was machst du so: Die Plattform whatchado hilft Jugendlichen 

Im Jänner 2012  haben sich Ali Mahlodji und Jubin Honarfar der Unterstützung von Jugendlichen bei der Berufswahl verschrieben. Aus ihrer Idee – eine Plattform,  in der Erwachsene mit den unterschiedlichsten Jobs über ihren Beruf sprechen  – ist ein  Business geworden.  2015 erhielten sie 2,5 Millionen Euro Investment, Business Angel Johann Hansmann wird Mehrheitseigentümer.  Mittlerweile hat whatchado  über 6000 Videos online. Eine Matching-Funktion hilft Jugendlichen zusätzlich herauszufinden, welche Berufe und  Unternehmen zu ihnen passen. Das Start-up engagiert sich auch mit Vorträgen an Schulen.

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