Österreichs neue Haarmacher: Wie lokale Marken Milliarden-Konzernen trotzen

Close up of washing hair with shampoo!
Wer sich die Haare wäscht und stylt, kommt an Konzernen wie L'Oréal und Dyson kaum vorbei. Wie sich heimische Player am Haarmarkt behaupten.

Die großen Player heißen L’Oréal, Unilever, Procter & Gamble, Henkel und Johnson & Johnson. Sie kassieren den Löwenanteil, wenn Haare auf der ganzen Welt gewaschen, gepflegt oder mit Hitzeschutz versorgt werden. Sei es mit Produkten von Garnier oder Kérastase (beides L’Oreal), Schwarzkopf mit den Untermarken Gliss Kur oder Taft (Henkel), Head & Shoulders oder Pantene Pro-V (P&G), um eine Auswahl zu nennen.

Fast hundert Milliarden Dollar schwer ist die Industrie des Haarpflegemarkts 2025, Tendenz steigend. Das Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft, verbucht je nach Marktforschungsinstitut jährliche Wachstumsraten von geschätzten drei bis sechs Prozent. Ergänzt wird das um den ebenfalls stark wachsenden Haarstyling-Markt. 

Ganz vorne mit dabei: Platzhirsch Dyson, der in die Entwicklung seiner Superföhns angeblich bis zu 64 Millionen Euro steckt – und im Zuge dessen vom Endkonsumenten einen stolzen Preis von 500 Euro verlangt. Auch das Glätteisen bekam in den vergangenen Jahren eine Aufwertung und einen neuen Namen. „Styler“, sagt etwa die Marke GHD (Good Hair Day) zu seinen 185 Grad heißen Platten. Einfach, weil sie mehr können als nur glätten. Das lässt sich auch am Kaufpreis ablesen: 209 Euro kostet das mit Abstand günstigste Gerät. Für die neue Limited Edition fallen 379 Euro an.

Konkurrenz bekommen Dyson und GHD von Schleuderpreis-Kopien aus Asien, die manchmal sogar mit dem Original mithalten können. Aber eben nicht immer. Platz für weitere Player? Den scheint es kaum noch zu geben, sofern man abseits des klassischen Friseursalons mit dem Haarstyling Geld verdienen will. 

Gelingen kann es trotzdem – das zeigen drei junge Marken „made in Austria“. Sie alle hatten wohl das richtige Gespür zur richtigen Zeit. Und das nötige Vermarktungstalent, um sich von internationalen Riesen nicht einschüchtern zu lassen.

Fesche Haarpflege: Christina Bischof setzt auf Pflegeprodukte

Die Marke feschi gibt es seit zehn Jahren. Sie wurde von Friseurmeisterin Michaela Bischof gegründet und in ihrem Perchtoldsdorfer Salon verkauft. Bis die Tochter, Unternehmerin und Content Creator Christina Bischof mit über 270.000 Followern auf Instagram, 2020 ins Geschäft einstieg – und der Marke einen neuen Anstrich verpasste. „Wir haben alles auf links gedreht“, erinnert sich Christina Bischof zurück, als sie der KURIER in ihrem Büro in Wien, Landstraße besucht. 

Die Basis des Produkts war zwar bereits vorhanden, aber es musste cooler werden, den Zeitgeist treffen. Mitten in der Pandemie zu launchen, war ein wirtschaftliches Risiko. „In den Verkaufsstatistiken hat man gesehen, dass dekorative Kosmetik stark abgeflacht ist“, sagt Bischof. Jedoch erkannte sie, dass alles, was die persönliche Pflege betroffen hat, einen Turbo zündete. „Der Beauty-Bereich ist stark wachsend im Vergleich zur Mode“, ergänzt sie. „Deswegen sind wir da gut unterwegs und nutzen dieses Momentum.“

Christina Bischof Feschi

Christina Bischof übernahm 2020 die Marke feschi und kurbelte den Verkauf an.

Weit über eine halbe Million feschi-Produkte wurden laut Firmenchefin bereits verkauft. Seit drei Jahren ist die Marke auch offline im Handel – bei Marionnaud und Douglas. Weitere Expansion ist angedacht, aber vorerst nur in Österreich, Deutschland (dort wird auch produziert) und der Schweiz. „Der DACH-Markt ist so groß, dass wir aktuell nicht darüber nachdenken, zu internationalisieren. Wir können hier allein zu einer Hundert-Millionen-Euro-Firma werden“, sagt Christina Bischof.

Was ihren Platz am Markt festigt? Sie kann Produkte launchen, deren Vermarktung Konzernen zu aufwendig ist – wie ihren Trockenshampoo-Schaum, an dessen Daseinsberechtigung Mitbewerber gezweifelt haben sollen. Und: Sie hat feschi zu einer „Love Brand“ gewandelt. Zu einer Marke, die man liebt, noch bevor man die Produkte getestet hat. Eine praktische Sache, die auch dem Grazer Start-up Lotta Curls gelungen ist.

Hitzefreies Lockenband: Entwickelt von zwei Grazerinnen 

Wer sich Locken hitzefrei und über Nacht zaubern will, braucht Tennissocken (und eine komplizierte Wickeltechnik) oder legt sich ein Lockenband zu. Das gibt es beim China-Shop Temu um durchschnittlich zwei Euro – oder beim Grazer Start-up Lotta Curls. Da bezahlt man zwischen 36 und 42 Euro, bekommt dafür ein fair in Europa hergestelltes Produkt, das kurze Transportwege verbucht und am Hauptstandort vom siebenköpfigen Team noch einmal händisch kontrolliert und dann liebevoll verschickt wird. 

„Das sind alles Werte, die mittlerweile der Gesellschaft wichtiger geworden sind, als billig in Asien einzukaufen“, erkennt Christina Niederl. 2022 gründete sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Claudia Bauer das Unternehmen. Seitdem verkauften sie über 100.000 Stück Lockenbänder, vorwiegend im DACH-Raum.

Lotta Curls

Die Grazerinnen Claudia Bauer (links) und Christina Niederl gründeten Lotta Curls.

„Aber wir haben schon ausgeweitet auf ganz Europa und setzen da heuer einen besonderen Fokus darauf“, sagt Niederl. Das Ziel sei, gesund zu wachsen in einem Markt, in dem die Nachfrage rasant wächst – forciert durch Social Media. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren ein Umsatzwachstum von mehr als 110 Prozent pro Jahr gehabt. Das ist einfach viel“, sagt Niederl. 

Den Vorteil ihrer Marke sieht sie im engen Kontakt mit den Kundinnen. „Wir sind total transparent in jedem Schritt, sind in ständiger Interaktion und haben im Support schnelle Reaktionszeiten“, sagt sie. Außerdem haben die Gründerinnen von Lotta Curls sowie Christina Bischof von feschi einen weiteren Aspekt erkannt, wie Kunden eine Marke kennen und lieben lernen: durch Wissensvermittlung auf den eigenen Kanälen. 

Denn das Thema Haare und Haargesundheit weckt aktuell großes Interesse. Das weiß auch ein Wiener Haircare-Experte für sich zu nutzen, dessen Kalender restlos ausgebucht ist.

Persönliche Stilberatung, die Menschen anzieht

„Mein Name ist Khaled, ich bin Hairstylist und Haircare-Experte in Wien und möchte, dass du die schönsten Haare bekommst, denn je. Also folge mir gerne!“ So stellt sich Khaled Hamid in den Sozialen Medien vor. Der Aufruf funktioniert. Auf Instagram folgen ihm 260.000 Menschen, auf TikTok 60.000. Zwei Jahre lang hat er eine Community aufgebaut, Anfang 2024 explodierte sie regelrecht. 

Womit er viral gegangen ist? Mit kurzen Videos, in denen der Stylist erklärt, welche Haarfarbe zu welchem Hautton passt. Und wie der Haarschnitt den eigenen Proportionen schmeichelt.

„Das sind super interessante Dinge, die man beim Friseurbesuch oft nicht erfährt“, ist dem selbstständigen Friseur bewusst. Mit jedem Follower stiegen auch die Buchungen in seinem Terminkalender. Bis dieser ein Jahr im Vorhinein restlos ausgebucht war. „Dann habe ich ihn geschlossen, weil ich kann ja nicht nur Neukunden betreuen“, sagt er. Als Alternative bietet er seit ein paar Monaten Online-Beratungen an – für 150 Euro die Einheit. So könne er auch Kunden von überall aus betreuen und sein Wissen weitergeben. „Ich liebe das. Ich bin ein lebendiges Haarlexikon, das ChatGPT für Haare“, scherzt er. Bei der Wissensvermittlung will Khaled Hamid jedoch nicht Halt machen.

Auch er möchte den Haarmarkt weiter erobern – allerdings nicht im Bereich Pflegeprodukte oder Styling. Seit einem Jahr werkelt Hamid an der Haar-Schönheit von innen. Und bringt noch diesen Sommer sein erstes eigenes Produkt heraus: Ein Nahrungsergänzungsmittel, das Stress lindern und Haarausfall oder spröde Spitzen vorbeugen soll.

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