Die Führungskräfte der größten Unternehmen der Welt sind trotz Turbulenzen zuversichtlich, zeigt eine Studie des Beraters Arthur D. Little. Trotz Abschwungs konzentrieren sich die CEOs auf Wachstum. Jedoch: Die österreichischen CEOs sind pessimistischer. Warum? Das diskutieren wir mit prominenten CEOs und wollen wissen, wo für sie die Herausforderungen liegen.
Wer in der Diskussionsrunde mit dabei war, finden Sie in den Slides
KURIER: Eine Krise jagt die andere. Wie sehen Sie die Lage in Ihrem Umfeld?
Maria Zesch: Wir haben gute Zahlen in einem turbulenten Umfeld. Es ist alles sehr volatil. Wir sind in Europa tätig mit rund 60 Prozent unseres Umsatzes, 40 Prozent in den USA. Man sieht jetzt aber, dass es auch in den USA turbulenter wird.
Stefan Borgas: Unser Geschäft ist gleichmäßig verteilt über die ganze Welt. Wir sind mittlerweile so weit, dass wir nicht mehr überrascht sind, wenn wir überrascht werden. Weil wir spätestens seit der Corona-Krise eine Disruption nach der anderen haben, irgendwo auf der Welt.
Sie sagen, die ganze Welt ist ihr Arbeitsfeld. Wo brummt aus Ihrer Sicht gerade der Wirtschaftsmotor?
Borgas: Der größte Boom herrscht in Indien. Dort redet kein Mensch über Krise oder Stockung oder Stauung. Dort gibt es eine unheimlich optimistische junge Gesellschaft. Ebenso boomen die Tigerländer in Südostasien, Philippinen, Vietnam, Indonesien. Europa ist sicher die Region mit dem größten Pessimismus und auch mit den schlechtesten Wirtschaftsaussichten.
Entscheidend ist, sich als CEO für schwierige Zeiten das richtige Team auszusuchen
von Robert Zadrazil, CEO Unicredit Bank Austria
Video: Der ausführliche Round Table zum Nachschauen
Stefan Borgas ist nicht mehr überrascht, dass ständig Überraschendes passiert. Wie ist es in der Finanzwelt? Ringsum turbulent.
Robert Zadrazil: Ja, aber für uns nicht, muss ich dazu sagen. Wir sehen es als Luxus, dass wir mit allen Branchen zu tun haben. Wir sehen die multiplen Krisen und die individuelle Betroffenheit der Menschen. Aber auch, dass Unternehmen in Österreich gut wirtschaften. Entscheidend ist, sich als CEO für schwierige Zeiten das richtige Team auszusuchen.
Scherr: Wir sehen, dass Krisen und multiple Einflüsse von außen Normalität geworden sind. Das hat bei guten Unternehmen dazu geführt, dass sie agiler geworden sind und dass sie sich auf neue Dinge schneller einstellen. Zweite Beobachtung: Vorbereitung zählt. Erfolgreich sind die, die vorher trainieren. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, kann dann auch in der Krise bestehen.
Zadrazil: Gerade in so einer Phase ist Leadership wichtiger denn je. Und ja, man kann nicht erst in der Krise damit beginnen.
Wir sehen oft, dass der Vorstand eben kein gutes Team ist. Und sich dann dort auch noch gern Grabenkämpfe auftun
von Maximilian Scherr, Partner Arthur D. Little
Woher nehmen Sie die Kraft für laufende Krisen und die strategische Zukunftsplanung?
Zesch: Aus meinem Team, ganz klar. Wichtig ist aber, dass die Teams möglichst divers sind. Es braucht unterschiedliche Erfahrungen, Backgrounds, Nationalitäten, die verschiedene Perspektiven einnehmen. Zum anderen braucht man eine gute Strategie – die muss aber mittlerweile so wendig sein, dass man sie jederzeit einer neuen Situation anpassen kann.
Scherr: Und es braucht den Mut, in schwierigen Zeiten Entscheidungen zu treffen. Sie haben gesagt, es kommt auf die Team-Zusammensetzung an: Was wir oft sehen, ist, dass der Vorstand eben kein gutes Team ist, sondern zusammengewürfelt. Dass hier Leute zusammengesteckt werden und sich dann vielleicht auch noch Grabenkämpfe auftun.
Was wir in unserer Studie erstaunlich gefunden haben: Der typische europäische CEO ist zuversichtlicher als der nordamerikanische. Die Deutschen glauben zu 49 Prozent, alles wird gut. Die Österreicher nur zu 10 Prozent. Warum ist das so?
Seien wir ehrlich: Vieles funktioniert einfach nicht mehr. Ein Geschäft führen mit einem Jahresbudget – können Sie knicken
von Stefan Borgas, CEO RHI Magnesita
Zadrazil: Das weiß ich auch nicht. Ich glaube, man braucht einen Plan, der diese neue Komplexität abdeckt. Man kann den Krisen aktuell nicht mit einfachen Lösungen begegnen. Dafür gibt es auch nicht eine zentrale Intelligenz im Unternehmen, das muss man als Team im Griff haben.
Borgas: Seien wir ehrlich: Man muss die Kultur im Unternehmen ändern. Vieles von früher funktioniert einfach nicht mehr. Ein Geschäft führen mit einem Jahresbudget – das können Sie knicken. Das Budget ist nach zwei Monaten überholt. Heißt: Sie können keine Jahresziele mehr mit Mitarbeitern machen. Heißt wiederum, Sie können keine Boni, keine zielabhängige Entlohnung machen auf der Basis von Jahreszahlen.
Maria Zesch und Stefan Borgas, der sagt: „Denn wenn wir mit alten Regeln arbeiten, werden wir nicht vorankommen“
Alles, womit wir arbeiten, ist auf Jahreszahlen aufgebaut. Und deswegen haben wir in Europa so viel Schock und Stau und Frust und Pessimismus. Und natürlich fängt die Kulturerneuerung beim CEO an. Wenn der CEO sich auch mal authentisch zeigt, und sagt, ’das habe ich auch nicht gewusst’, dann wird das menschlich und nachvollziehbar und dann verändert sich etwas.
Wenn ganze Systeme so nicht mehr funktionieren. Was tun?
Zadrazil: Ich kann nur sagen: Wir haben weiterhin einen Vierjahresplan, in dem geht es aber eher um Strategie. Um die Eckpfeiler der gesamten Ausrichtung.
Borgas: Ein Plan ist für viele nur noch ein Rede- und Diskussionsinstrument. Und ich glaube, das muss man teilweise auch sehen und sagen. Ein Jahresplan ist etwas, mit dem man mit dem Aufsichtsrat, mit den Mitarbeitern die Richtung vorgeben kann.
Mein Wechsel aus der Telekom in den Handel – das ist eine andere Umlaufbahn. Und da bin ich durchaus hart gelandet
von Maria Zesch, CEO Takkt AG
Transformation auf allen Linien. Wie gehen Sie mit Veränderungen um?
Scherr: Unser Problem ist, dass alles rund um uns sehr intakt ist. Es geht uns gut. Wir müssen uns für die Zukunft aber stärker hinterfragen, mehr lernen, auch wenn das vielleicht mal wehtut. Man lernt nicht dadurch, dass man sagt, wie gut man ist.
Zesch: Mein Wechsel aus der Telekom in den Handel – das ist eine andere Umlaufbahn. Und da bin ich durchaus hart gelandet. Aber diese letzten eineinhalb Jahre, die große Veränderung gemeinsam mit dem Team, das ist richtig spannend. Man muss sich mit äußeren Reizen konfrontieren, mit neuen Sichtweisen und Themen. Das sollten wir in Europa mehr pushen: Themen besetzen und Vorreiter sein.
Borgas: Für mich kommt die Energie aus dem Aus der klassischen CEO-Rolle. Aus dem Feedback, das ich bekomme, wenn plötzlich Hunderte Mitarbeitende über Firmengrenzen hinweg Ideen aufnehmen und anders vorantreiben, als ich mir das irgendwann überlegt habe.
Das Beratungsunternehmen Arthur D. Little befragte in einer globalen Studie 250 CEOs weltweit (alles Unternehmen mit mehr als 1 Mrd. Euro Umsatz).
Ergebnis: Die Mehrheit der globalen CEOs spielt auch in den aktuellen turbulenten Zeiten nach vorne. Wachstum, neue Technologien und ESG stehen ganz oben auf der Agenda. In den Jahren der Pandemie konnte das Kerngeschäft verteidigt werden, nun sei man resilienter. Und kann weiter optimieren, gleichzeitig in Wachstum investieren. Die globale Unsicherheit sehen die befragten CEOs mehrheitlich als Chance.
Aber: Die heimischen CEOs denken da anders. Sie sind durchwegs pessimistischer und skeptischer in Bezug auf die globale Entwicklung der nächsten Jahre.
Darüber diskutieren im KURIER-Studio (Der Round Table fand in Kooperation mit Arthur D. Little statt):
Maria Zesch, CEO der deutschen TAKKT AG (früher Magenta CCO) Robert Zadrazil, CEO der Unicredit Bank Austria Stefan Borgas, CEO des Feuerfestkonzerns RHI Magnesita Maximilian Scherr, Partner beim Beraterunternehmen Arthur D. Little
Ich möchte noch einen Aspekt nennen: Ich glaube, wenn man sich zu sehr konzentriert auf den Krisenaspekt von Disruption, dann wird man frustriert. Wenn man aber sagt, jede Disruption hat seine Herausforderungen, aber sie hat auch ein Potenzial der Erneuerung, dann hat man plötzlich einen anderen Blick darauf.
Woran arbeiten Sie aktuell am intensivsten?
Zesch: Ganz klar an unseren Talenten. Die Personalknappheit ist ein Kernthema in Europa und da müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir in 15 Jahren auch gut dastehen.
Scherr: Innovation, digitale Transformation und Energie. Das sind die Themen aktuell und für die Zukunft.
Zadrazil: Für uns ist es die Digitalisierung. Und ESG. Für uns hat das alles Gott sei Dank schon vor 15 Jahren begonnen. Trotzdem ist die Transformation eine große Herausforderung. Ebenso die Frage: Wie können wir als Finanzindustrie anderen bei der Transformation helfen?
Borgas: Ganz klar Dekarbonisierung. Und die Qualifizierung von Menschen auf der ganzen Welt. Und drittens das Thema Innovation, neue Lösungen finden. Und neue Regeln erstellen. Denn wenn wir mit den Regeln des 20. Jahrhunderts weiterarbeiten, dann werden wir nicht vorankommen.
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