Frauen und Finanzen: Warum ihnen das Sparkonto zum Verhängnis wird

Frauen und Finanzen: Warum ihnen das Sparkonto zum Verhängnis wird
Bei Finanzen sind Frauen zurückhaltend. Das hat gute Gründe, ihr Geld in Angriff nehmen müssen sie trotzdem, um nicht in der Altersarmut zu landen.

435.000 Euro. Eine stolze Summe, mit der sich viel machen lässt. Eine Immobilie kaufen oder das Geld intelligent anlegen und zusehen, wie es sich von selbst vermehrt. Ideen gibt es viele – jedenfalls umsetzen könnten sie Männer. Denn 435.000 Euro ist die Summe, die laut Berechnungen des Österreichischen Gewerkschaftsbunds Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens weniger verdienen. Und die sie, sofern sich die Strukturen nicht ändern, trotz aller Bemühungen niemals ausgleichen werden können.

Finanziell unabhängig zu sein, ist aber von einem erstrebenswerten Ziel mittlerweile zu einem absoluten Muss geworden. Nicht zuletzt, weil Ehen nun mal geschieden werden (vier von zehn) und die durchschnittliche Pensionistin aufgrund ihrer Erwerbsbiografie in die Altersarmut schlittert.

Alarmierend sollten die Gaps sein, die auf Missstände hindeuten und regelmäßig auf großes öffentliches Interesse stoßen. Der Gender-Pay-Gap (18,8 Prozent) heuer im Februar, der Pension Gap (34,4 Prozent) im vergangenen Monat. Doch die Empörung verebbt und müsste doch viel größer sein, sagt Maria Pernegger, Autorin der Frauenstudie 2022.

„Es ist spannend, dass der Aufschrei auf individueller Ebene ein so geringer ist, obwohl ja wirklich ein großer Teil der Frauen betroffen ist. Und zwar nicht nur Frauen in einkommensniedrigen Schichten oder prekären Situationen, sondern auch vermögende, die einen viel kleineren Teil des Kuchens besitzen als Männer.“

Noch in diesem Artikel:

  • Interviews mit den Finanzexpertinnen Beatrice Schobesberger & Lisa Pulsinger vom Podcast "Moneyküre" sowie mit AK-Abteilungsleiterin Frauen & Familie Eva-Maria Burger
  • Tipps zur finanziellen Unabhängigkeit, wie sich Kapital sicher veranlagen lässt
  • Qualitative Quellen für die eigene Finanzbildung
  • Die Erwerbsbiografie der Frau und ab wann sie zum wahren Dilemma wird

Dilemma: Das Veranlagen

Dass zu wenig Interesse oder Selbstvertrauen vorhanden ist, sich um die eigenen Finanzen zu kümmern, wundert nicht. Bis vor 100 Jahren blieb Frauen der Zugang zur Börse verwehrt, erst in den 1970er-Jahren durften sie ohne Erlaubnis des Mannes arbeiten.

Seitdem hat sich einiges geändert. Trotzdem würde der Finanzbereich bis heute primär die Interessen der Männer adressieren, erklärt Finanzexpertin Lisa Pulsinger, die gemeinsam mit der profilierten Bankerin Beatrice Schobesberger den Podcast „Moneyküre“ betreibt.

Frauen und Finanzen: Warum ihnen das Sparkonto zum Verhängnis wird

Beatrice Schobesberger und Lisa Pulsinger (von links) starten aktuell in die dritte Staffel ihres Podcasts „Moneyküre“. Die erste Folge der dritten Staffel widmet sich dem Thema: erstes Gehalt, erstes Veranlagen

„Frauen haben eine andere Ausgangslage und auch andere Ziele, weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten und deshalb weniger Kapital zur Verfügung haben“, so Pulsinger. Die Risikobereitschaft sei geringer, das Geld wird lieber auf Sparkontos und Bausparern gebunkert als investiert, was wiederum dazu führt, dass das mühsam Ersparte inflationsbedingt zunehmend an Wert verliert.

„Das Sparbuch ist kein Veranlagen, das ist für den Notgroschen“, führt Beatrice Schobesberger aus. „Trauen sich Frauen nicht darüber, ihr Geld zu investieren, ist es das nächste Dilemma, das entsteht.“ Hohe Einkommen oder jahrzehntelange Laufzeiten seien entgegen aller Vorurteile nicht vonnöten, um mit einem Wertpapier-Sparplan zu beginnen. „Es geht darum, zu schauen, wo eingespart werden kann, etwa indem überschüssige Ausgaben minimiert werden“, so Schobesberger.

Schon mit 25 bis 50 Euro monatlich sei der Multiplikator über eine lange Laufzeit groß. „Auch wenn nur noch fünf bis sieben Jahre Zeit sind,zu sparen, zahlt es sich allemal noch aus“, ergänzt Schobesberger. Nur soll man dabei nicht „alle Eier in einen Korb legen“, sondern das Kapital sinnvoll aufteilen. Um das zu können, brauche es jedenfalls das Interesse, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Etwas, woran es oft mangelt.

Dilemma: Das Vertrauen

„Ich führe immer wieder Gespräche mit gut gebildeten Frauen, die mir sagen, dass sie sich noch nie mit Aktien und Vorsorge beschäftigt haben“, merkt Pernegger an. „Dabei sollten sie das dringend tun, weil es großen Aufholbedarf gibt.“ Das Grundvertrauen, dass in Notsituationen jemand für einen sorgen wird, scheint groß, das Erwachen kann im Falle einer Scheidung oder bei Pensionsantritt böse sein.

Frauen und Finanzen: Warum ihnen das Sparkonto zum Verhängnis wird

Maria Pernegger ist MediaAffairs Geschäftsführerin und Autorin der Frauenstudie 2022, die von Acredia, AK Wien und Raiffeisen Bank beauftragt wurde und einen Fokus auf Frauen & Geld enthält

„Aus meiner Erfahrung wissen die wenigsten, wie unser Pensionssystem wirklich funktioniert“, sagt Lisa Pulsinger. Denn eine Wohlfahrtseinrichtung ist es nicht, sondern eine Versicherungsleistung. „Es basiert darauf, wie viel man im Erwerbsleben einzahlt. Arbeitet und verdient man weniger, kommt natürlich auch weniger raus. Aber das Narrativ, das wir von Eltern oder Großeltern übernehmen, ist oft: ist man in Pension, wird man vom Staat versorgt.“

Konkurrenz bekommt diese Vorstellung von der Idee, sowieso keine staatliche Pension mehr zu beziehen, weil das System sie nicht mehr finanzieren wird können. Fast sechs von zehn junge Erwachsene sollen diese Meinung vertreten. Das setzt einen Wandel in Gang. Der Stellenwert der finanziellen Unabhängigkeit ist bei Frauen signifikant gestiegen, zeigt eine Erste-Bank-Studie. 84 Prozent geben an, diese als sehr wichtig zu erachten. Vor fünf Jahren waren es noch 63 Prozent. Doch der Weg ist weit. Jede vierte Frau ist weiterhin finanziell von der Familie abhängig. Auch, weil es die vorhandenen Strukturen befördern.

Dilemma: Die Strukturen

„Ein großer struktureller Faktor, der sich nicht ausklammern lässt, ist die mangelnde Kinderbetreuung, die Frauen letztlich in die Teilzeitfalle treibt“, sagt Eva-Maria Burger, die seit August die Abteilung Frauen und Familie bei der Arbeiterkammer leitet. Ratschläge an Frauen, sich selbst komplett aus ihrem Finanzdilemma zu befreien, seien daher verfehlt. „Sie bauen sich den Kindergarten ja nicht selbst, um entscheiden zu können, wie viele Stunden sie arbeiten möchten.“

Frauen und Finanzen: Warum ihnen das Sparkonto zum Verhängnis wird

Eva-Maria Burger ist seit August neue Leiterin der Abteilung Frauen und Familie bei der Wiener Arbeiterkammer. Sie übernimmt die Agenden von Ingrid Moritz, die in Pension gegangen ist

Möchte man Frauen einen Vorteil verschaffen, bräuchte es stattdessen den Anspruch auf einen Kindergartenplatz spätestens ab dem ersten Geburtstag des Kindes und eine verbesserte Anrechnung der Betreuungszeiten, um „wirtschaftlich unabhängig und selbstbestimmt zu sein“, so Burger.

Ein weiteres strukturelles Dilemma stellt die Berufswahl dar. Denn Frauen arbeiten oft in Branchen, die schlechter bezahlt sind. Der Branche per se ist das jedoch nicht geschuldet, besagen Thesen. Stattdessen wird die Arbeit von Frauen traditionell geringer bewertet und deshalb überall dort, wo ein Überschuss ist, auch geringer entlohnt. „Es braucht eine Neubewertung von Arbeit“, sagt Burger.

Sonst sei eine Frau, die etwa in die Elementarpädagogik möchte, immer gezwungen zu wählen: Zwischen dem langfristig schlechter entlohnten Job und einem lukrativeren Berufsfeld, für das ihr Herz vielleicht nicht schlägt. „Egal wie sie sich entscheidet, sie wird einen negativen Output für sich haben“, so Eva-Maria Burger.

Maria Pernegger fasst zusammen: „Solange wir einen Gender-Pay-Gap und eine Altersarmut haben und davon ausgehen, dass Frauen die unbezahlte Care-Arbeit leisten, kann ich keine Schuld zuschieben.“ Strukturen seien somit essenziell, damit Frauen die finanzielle Unabhängigkeit erreichen. Aber „es braucht auch die individuelle Auseinandersetzung, die man einer Frau nicht abnehmen kann. Die ist Eigeninitiative.“

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