
© Kurier/Gerhard Deutsch
Drei Frauen erzählen, warum sie mitten in der Krise gegründet haben
Selbstständig werden in einer Pandemie? Drei Frauen, die in der Krise ihre Chance sahen, ihre Anstellung aufgegeben haben oder sogar erfolgreicher geworden sind.
Von Claudia Weber
Endlich selbstständig und entspannter
Ingrid Sojak fühlt sich nach 30 Jahren Fixanstellung nun freier und leichter als je zuvor

Ingrid Sojak wollte endlich eigene Entscheidungen treffen und machte sich während der Pandemie selbstständig
Durch, mit und trotz Corona haben sich viele Österreicher und Österreicherinnen während der Pandemie selbstständig gemacht. Ein Rekordhoch seit dem Jahr 2016. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 gab es laut Wirtschaftskammer Österreich 35.095 Neugründungen (mit einem Frauenanteil von 45,1 Prozent), vor der Pandemie waren es noch 32.150 (im Jahr 2019).
Ingrid Sojak ist eine von ihnen. „Die vergangenen 30 Jahre war ich Angestellte, die letzten zwölf Jahre als Marketingleiterin. „Aber irgendwann war der Wunsch, eigene Entscheidungen zu fällen, so groß, dass ich mich selbstständig machen wollte“, sagt Sojak. Gerade zu dem Zeitpunkt kam Corona. „Viele haben mir abgeraten, jetzt in den unsicheren Zeiten zu kündigen.“ Ihre Chefin wollte auch nicht, dass die 50-Jährige geht. Sojak blieb aus Loyalitätsgründen. Einen, zwei, drei, vier, fünf Monate länger.
„In der Zeit war ich in Kurzarbeit und das nutzte ich aus. Ich habe nicht nur diverse Onlinekurse für Gründerinnen gemacht. Im Homeoffice habe ich auch getestet, ob ich überhaupt so selbstdiszipliniert und organisiert bin.“ Sie war es und im Juli 2020 kündigte sie endgültig. „Wenn ich es trotz Corona schaffe, schaffe ich es immer“, sagte sie sich.
Seit November 2020 bietet sie Marketing für EPU und Neugründer und hilft damit genau jenen, die sich auch in der Pandemie selbstständig gemacht haben. „Corona hat mir wirtschaftlich in die Hände gespielt. Ich verdiene im ersten Jahr bereits um zehn Prozent mehr als in meinem letzten Job als Marketingleiterin. Das hätte ich nie gedacht. Ich bin jetzt genau da, wo ich schon so lange hin wollte. Außerdem fühle ich mich durch die Selbstständigkeit freier und leichter als je zuvor.“
Mit jeder Krise stärker
Nach zwei Krisen ist Janka Esterhazy so erfolgreich wie noch nie

Janka Esterhazys Umsatz hat sich seit Corona verdoppelt. Außerdem hat sie einen Youtube-Kanal gestartet, wo sie Tipps für Restaurierungen gibt
Damals traf auch die weltweite Finanzkrise Janka Esterhazy. Schon immer in ihrem Leben selbstständig gewesen, brachen der Restauratorin im Jahr 2010 alle Aufträge weg. „Das war so schlimm, ich wusste nicht, wie ich meine Miete zahlen soll.“ Sie verzagte nicht und baute sich ein zusätzliches Standbein auf: einen Onlinehandel mit Restaurierungsbedarf – in Österreich eine Nischenbranche.
„Das hat mich damals gerettet und Stück für Stück wuchs mit den Jahren der Umsatz und der Erfolg.“ Dann kam Corona, wieder eine Krise. Und wieder verzagte Esterhazy nicht. Im Gegenteil, sie vergrößerte ihre Produktpalette. „Plötzlich wurde mehr restauriert, da die Leute daheim waren und Zeit dafür hatten. Lieferengpässe bei diversen Materialien führten zusätzlich dazu, dass auch Firmen bei mir vermehrt kauften und mir bis heute treu geblieben sind“, so die 57-Jährige. Ihr Umsatz hat sich seit Corona verdoppelt.
„Außerdem hatte ich während der Lockdowns Zeit, selbst einen Youtube-Kanal zu starten, über den eine neue, jüngere Kundschaft kommt.“ Auf dem Kanal „Apatina DIY“ gibt Esterhazy Restaurierungstipps. Mittlerweile hat sie sogar drei Mitarbeiter engagiert und möchte ihr Business weiterhin vergrößern. „Die Krisen haben mich immer stärker und erfolgreicher gemacht. Man muss nur flexibel sein und die Möglichkeiten ergreifen“, sagt sie überzeugt.
Eine neue Geschäftsidee
Claudia Lembach sah in der Pandemie eine Chance und ergriff sie

Claudia Lembach und ihr Team bieten in Wien und in der Steiermark Dienstleistungen für Bürotätigkeiten
Vor einem Jahr etwa hatte Claudia Lembach eine Idee. Die damalige Angestellte bemerkte, dass in ihrer Region in der Steiermark viele Betriebe Büro-Personal aus Kostengründen wegen Corona abbauen mussten. Der Bedarf nach Sekretariatsarbeiten blieb aber bestehen. Lembach, jahrelang in der Büroleitung und im Marketing zuständig, sah die Chance, kündigte ihren Job und gründete eine Agentur für Sekretariatsdienstleistungen.
„Viele Betriebe sind so klein, dass sie nur eine Bürokraft für drei bis fünf Stunden die Woche brauchen“, so die 37-jährige Unternehmerin. Und so vermittelt sie an EPU wie beispielsweise einen Maler bis zum 20 Personen Unternehmen wie einer IT-Firma, hin zu Restaurants und einem Coach, Dienstleistungen in Sachen Buchhaltung sowie unterschiedliche Bürotätigkeiten – und das in der Steiermark und in Wien.
„Es ergab sich eine Chance, ich habe zugepackt und ein Geschäftsmodell daraus entwickelt“, sagt die Mutter eines Sohnes heute. Am Anfang sei sie zu den Kunden noch selbst gegangen und habe Zetteln sortiert. Nur ein Jahr später hat sie ein Team von 20 Mitarbeitern. „Es war ein sehr hartes, anstrengendes Jahr, aber jetzt stehe ich auch finanziell besser da als zuvor. Mein Leben hat sich zu 300 Prozent verbessert“, so die gebürtige Steirerin.
Auch die Kunden seien zufrieden, sich nicht mehr um die Papiere Gedanken machen zu müssen. „Dank Corona hat sich das Mindset der Menschen so geändert, dass Geschäftsmodelle wie meines möglich sind.“
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