Doppelmayr-CEO Thomas Pichler über die Zukunft des Seilbahn-Business

Thomas Pichler, CEO von Doppelmayr, ist seit über 30 Jahren im Unternehmen tätig
Doppelmayr baute die Liftanlagen für die Olympischen Spiele in Peking. Im Interview erzählt CEO Thomas Pichler vom chinesischen Großauftrag, von neuen Ski-Bergen – und dass das Städte-Geschäft das Winter-Business bald überholen wird.

Als 1937 der erste Schlepplift der Firma Doppelmayr in Zürs am Arlberg in Betrieb genommen wurde, waren alle da: der örtliche Pfarrer, der Bürgermeister, der Seilbahnchef und viele Schaulustige. Und so ist es heute immer noch Tradition, wenn eine neue Seilbahn zum ersten Mal fährt.

Nicht so in Yanqing. Kein Pfarrer und kein Bürgermeister gaben ein Stelldichein. Im Skigebiet 74 Kilometer nordwestlich von Peking herrscht ein nüchterner Zugang zu Großprojekten. Da wurde in Rekordzeit ein Berg erschlossen, eineinhalb Jahre gerodet und gebaggert. Dann kam Doppelmayr und baute neun Seilbahnen auf den Berg.

„Die Chinesen schwören im Skibusiness auf europäisches Know-how“, erzählt Thomas Pichler, Direktor des Vorarlberger Seilbahnunternehmens Doppelmayr. Da könnten chinesische Unternehmen nicht mithalten. Man hole sich das Beste. Nicht nur bei den Seilbahnen, auch bei der Beschneiung oder dem Ticket-System setzt man auf Firmen aus Europa.

Doppelmayr-CEO Thomas Pichler über die Zukunft des Seilbahn-Business

Gondeln für die Olympischen Spiele und  danach: In China gibt es 13 Mio. Skifahrer, Tendenz steigend

Dass Doppelmayr Seilbahnen bauen kann, weiß man nicht nur in China. Das Unternehmen aus Wolfurt – dort sind Firmenzentrale, Produktion, sogar einen eigenen Zoo unterhält man – ist Weltmarktführer, baut Anlagen seit den 1930er-Jahren. Auf den Mont Blanc und in der Karibik, in Mexiko City und in Vietnam, in St. Gilgen und in Paris.

Der Seilbahnpionier ist bekannt für Verlässlichkeit und Innovationen: der beheizte Sitz kommt von Doppelmayr, die Bubble (die Wetterschutzhaube am Sessellift), die kuppelbare Gondelbahn, die längste Pendelbahn und die höchste Liftstütze. 3.200 Mitarbeiter beschäftigt man weltweit, etwa die Hälfte in Österreich. Die Unternehmensgruppe betreibt Niederlassungen in mehr als 40 Ländern der Welt. Bis heute realisierte das Familienunternehmen über 15.100 Seilbahnsysteme in 96 Staaten.

KURIER: Ein 50-Millionen-Auftrag für die Olympischen Spiele in Peking. Wieso ging der zu Doppelmayr nach Österreich?

Thomas Pichler: Es war eine öffentliche Ausschreibung. Für den Zuschlag zählen Verfügbarkeit, Erfahrung, Referenzen. China wollte nicht auf lokale Hersteller zurückgreifen, deren Know-how ist noch nicht gut genug. Sie wollten ein europäisches Produkt für das Olympia-Gebiet.

Man holt sich die Qualität aus Europa.

Ja, da will man kein Risiko, will das Beste. Es wird auch nicht um den Preis gefeilscht: Ausschreibung, Angebot, Zuschlag. Dafür gab es drei Jahre Zeit, man musste zuerst den Berg erschließen. Unsere Bauzeit lag bei 1,5 Jahren.

Entsenden Sie die volle Mannschaft zu so einem Großauftrag?

Die Spezialisten und Führungskräfte kommen aus Österreich, die Montagehelfer und Arbeiter sind unsere lokalen Teams. Wir haben seit Langem eine Niederlassung in China.

Weil dort so viele Seilbahnen benötigt werden?

Man hat in den 80er-Jahren in China mit dem Skifahren begonnen, es gibt 13 Millionen Skifahrer, 31 Skihallen und 770 Skigebiete – wobei ein einzelner Skilift schon ein Skigebiet ist. Der Markt wächst jedes Jahr stark, während er in Europa stagniert.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie sind chinesische Geschäftspartner?

Relativ einfach. Wir kennen einander gut, haben die Niederlassung mit Produktion in China seit den 1990er-Jahren, vorwiegend, um Anlagen für den Ganzjahrestourismus zu bauen. Wie etwa die Seilbahn auf die Chinesische Mauer.

Ist bei solchen Großprojekten der Umweltschutz für Sie ein Thema?

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist unserer Arbeit vorgelagert, es hat mit uns nichts zu tun. Wenn wir kommen, ein Angebot legen oder Bauen, gibt es immer schon ein genehmigtes Projekt.

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Rekord in Vietnam: die  höchste  Seilbahnstütze ist aus Beton und  214,8 Meter hoch

 

Lifte und Umweltschutz, wie ist Ihre Haltung generell dazu? Und gibt es Projekte, wo Sie aus ökologischen Gründen nicht bauen würden?

Interessante Frage. Wir hatten noch nie so einen Fall. Meist ist es so, dass unsere Anlagen Verkehr reduzieren, etwa die Busfahrten auf einen Berg. Generell ist die Seilbahn aber ziemlich umweltverträglich und nachhaltig. Sie hat keinen CO2-Ausstoß, der Antrieb ist ein Elektromotor. Bleibt nur die Frage, woher der Strom kommt. CO2 fällt in der Produktion an, bei der Stahlerzeugung.

Sie meinen Stahl für die Stützen.

Ja, zum Beispiel. Früher waren sie aus Holz. Heute sind es Stahl- oder Betonstützen. Bei über 200 Meter Höhe arbeiten wir mit Betonschalungen, wie beim Brückenbau.

Was ist eigentlich das Teuerste an einer Seilbahn?

Bei einer Umlaufbahn sind das wohl die Kabinen. Bei zwei Kilometer Seilbahn braucht man 150 Stück. Seit Oktober haben uns die hohen Rohstoffpreise zugesetzt, weil wir viel mit Stahl und Aluminium arbeiten.

In Österreich werden Seilbahnen eher abgebaut als expandiert. Wo liegen die Zukunftsmärkte?

Meine Antwort soll nicht so klingen, als hätte die Region Deutschland, Österreich, Schweiz keine Zukunft mehr. Hier geht es vorwiegend um Ersatzinvestitionen, um neue Technologien, wenn eine Bahn nach 30 Jahren das Lebensende erreicht hat. 99 Prozent unserer Aufträge in der DACH-Region sind Ersatzinvestitionen. Das und das Geschäft in den USA und Kanada machen 70 unseres Umsatzes aus. Wichtige Zukunftsmärkte sind für uns China, Russland und die GUS-Staaten. Dort haben wir die größten Zuwächse. Sotschi etwa, ist ein gutes Skigebiet geworden. Neue Skigebiete gibt es auch in Südsibirien. Diese neuen Anlagen werden von russischen Konglomeraten vorangetrieben, die sich diversifizieren. Die Sperbank und Gazprom etwa investieren in Tourismus.

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Schweben statt Fahren: In Mexiko City wurde die 10 Kilometer lange Cablebús Línea 1 errichtet

 

Sie haben viele Innovationen hervorgebracht, den beheizbaren Sitz, die Bubble. Welche Ziele setzt sich ein Weltmarktführer?

Weltmarktführer zu bleiben. Die Innovationen gehen aktuell in Richtung Digitalisierung. Programme, die den Menschen Arbeit abnehmen.

Das vergangene Geschäftsjahr war geprägt von Umsatzrückgang und Stellenabbau. Trägt allein Corona dafür die Schuld?

Ja. Wir hatten einfach weniger Arbeit. Wir glauben, dass sich der Markt in zwei bis drei Jahren wieder erholen wird. 150 bis 200 Millionen Auftragsvolumen wurde komplett gestrichen.

Wie sehr wird das Winter-Geschäft künftig unter der Klimakrise leiden?

Man wird sehen. In den vergangenen 25 Jahren sieht man einen Rückgang der kleinen Skigebiete in niederen Lagen. Durch die technische Beschneidung wird das zum Teil aber ausgeglichen.

Sie sagen, das Städte-Geschäft wird das Winter-Business in den nächsten fünf Jahren überholen – sind Seilbahnen ein alltagstaugliches Verkehrsmittel?

Wir sehen, dass Seilbahnen in Mittel -und Südamerika stark zunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir tolle Lösungen für nachhaltige Mobilität anbieten können. Seilbahnen belegen eine eigene Ebene, sie sind umweltfreundlich und im Vergleich zu U-Bahnen relativ günstig und schnell gebaut. Wir sehen Seilbahnen aber nicht als direkte Konkurrenz zur U-Bahn, sondern eher als Zubringer. Wir schaffen 5.000 Personen Förderleistung pro Stunde und Richtung – und arbeiten an Systemen für 8.000 bis 9.000 Personen. Eine U-Bahn kann aber 20.000 bis 40.000 Personen pro Stunde und Richtung befördern. Ist aber wesentlich teurer in der Errichtung.

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Herzensprojekt von CEO Pichler: die sich  drehende Glaskabinen-Bahn auf den Mont Blanc

Warum gibt es kaum urbane Seilbahnen in Europa?  

Der Leidensdruck in Süd- und Mittelamerika mit dem extrem hohen Verkehrsaufkommen in den Städten  ist viel höher. In Europa würde ich mir außerdem mehr mutigere Politiker wünschen. Seilbahnen haben eine hohe Akzeptanz bei den Menschen, sie sind beliebt. Projekte werden in Europa oft besprochen, aber selten umgesetzt. Rom untersucht verschiedene Seilbahnlinien, um eine Metro zu verlängern. Das Sonderproblem in Rom: dort muss man mindestens auf Minus 80 Meter graben, um keine archäologischen Schätze zu zerstören. Das macht die U-Bahn extrem teuer. Für Paris bauen wir aktuell eine Seilbahn, sie wird  2024 fertig.

In Europa  baut man Seilbahnen eher für Anlässe, etwa für Blumenausstellungen.

Stimmt. Aktuell für die Floriade in Holland.

Auf welche Projekte sind Sie  besonders stolz?

Auf jedes Einzelne. Favorit für mich ist die  Seilbahn auf den Mont Blanc. Eines unserer größten Projekte mit 120 Millionen Euro Volumen. Es war mein  Projekt, ich habe  es persönlich betreut.  Besonderheit sind  die sich drehenden Glaskabinen. 

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