Diversität in der Arbeitswelt: "Es ist noch ein weiter Weg"

Diversität in der Arbeitswelt: "Es ist noch ein weiter Weg"
Wie Unternehmen ein diverses Umfeld schaffen, erklärt BCG-Niederlassungsleiter Wien Lukas Haider.

Es ist wieder so weit: Die Menschen ziehen  mit ihren Regenbogenfahnen auf die Straße und setzen sich mit ihren Paraden  für mehr  Toleranz in der Gesellschaft ein. Für die LGBTQ+-Gemeinschaft ist der „Pride Month“ jedes Jahr aufs Neue eine wichtige Etappe, wird Diversität in vielen Bereichen doch noch immer nicht gelebt. Auch in der Unternehmenswelt gibt es noch Aufholbedarf, wie Lukas Haider, Niederlassungsleiter Wien bei der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), sagt. Warum sich Firmen der Thematik jetzt aber unbedingt stellen müssen, erklärt er im Interview.

KURIER: Herr Haider, Ihre aktuelle Studie zeigt, dass jede dritte LGBTQ+-Person ihr „wahres Ich“  verschleiern würde, um so die Karrierechancen zu optimieren. Spielt die sexuelle Orientierung in der Berufswelt wirklich eine so große Rolle?

Lukas Haider: Es gibt empirische Belege dafür, dass LGBTQ+-Personen, die geoutet sind und damit ihr persönliches Selbst zur Arbeit bringen, selbstbewusster, risikobereiter und sozial stärker integriert sind. Das sind drei wesentliche Faktoren für ein erfolgreiches Berufsleben. Gleichzeitig gibt es ein Spannungsverhältnis, weil nicht alle Unternehmen ein inklusives Umfeld aktiv fördern. 

Diversität in der Arbeitswelt: "Es ist noch ein weiter Weg"

Lukas Haider von BCG weiß, was Unternehmen in Sachen Diversität heute bieten müssen.

Dabei müsste man gerade in Zeiten des Talentemangels meinen, dass Unternehmen Diversität stärker in den Vordergrund rücken.
Es gibt Fortschritte. Arbeitgeberattraktivität und Employer Branding rücken  in den Fokus. Gerade was Diversität betrifft – und diese umfasst nicht nur sexuelle Orientierung und Geschlecht, sondern auch  Religion, Herkunft oder sozialen Hintergrund – hinkt die kontinentaleuropäische Unternehmensrealität  noch zehn bis 15 Jahre dem angloamerikanischen Raum hinterher. 

Das zeigt sich auch bei der Chancengleichheit der Geschlechter. Hierzulande sind 72 Prozent der Vorstände in börsennotierten Unternehmen ausschließlich von Männern besetzt.
Das ist  mehr als unbefriedigend und zeigt, dass wir in Sachen Gender Diversity in Österreich noch einen weiten Weg gehen müssen. Und trotzdem weiß ich, dass sich viele Firmen heute ernsthaft darüber Gedanken machen, wie sie ein diverseres und inklusiveres Umfeld schaffen.

Wie schafft man ein solches Umfeld?
Es gibt  keinen Schalter in der HR-Abteilung, den man einfach umlegt. Aber es gibt eine Reihe von Hebeln, die man betätigen kann. Es ist Führungsaufgabe hier die richtige Tonaliät zu setzen. Die Grundlage ist, sich  mit den HR-Policies des Unternehmens zu befassen. Dort finden sich oft Ausprägungen historischer Bilder, die beispielsweise nur traditionelle Familienbilder miteinbeziehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Maßnahmen, die man entlang des gesamten „Employee-Lifecycles“ setzen sollte.

Und die wären?
Schon beim Recruiting kann der Arbeitgeber  diverse Zielgruppen ansprechen. Dann geht es weiter beim Onboarding, wo Aspekte wie Inklusion und Diversität konkret thematisiert werden sollten. Im Arbeitsalltag sollte ein respektvolles Miteinander erlebbar gemacht werden. Unternehmen muss es ein Anliegen sein, Mitarbeiternetzwerke, die sich spezifischen Diversitätsdimensionen annehmen, zu fördern.  Unternehmen können viel tun und  viel Positives bewirken.

Es reicht also die Eigenverantwortung aus? Braucht es staatliche Vorgaben wie Quoten?
Gesetzlich vorgesehene Quoten entfalten zweifelsfrei ihre Wirkung. Ich bin aber überzeugt,  dass Selbstverpflichtungen der Unternehmen auf Zielgrößen  sehr viel bewegen. Jedenfalls haben sie eine große Signalwirkung. Wie gesagt, es gibt bereits Fortschritte und mich stimmt dies positiv für die Zukunft.

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