„Delegieren Sie Ihre Lieblingsaufgaben“

„Delegieren Sie Ihre Lieblingsaufgaben“
Business-Trainer Michael Steiner kennt die Rolle des Sandwich-Managers aus eigener Erfahrung. Ein Gespräch über Hürden und Chancen.

KURIER: Kaum eine Position ist so ungemütlich wie der Sandwich-Manager. Warum eigentlich?

Michael Steiner: Am Beginn einer Führungslaufbahn steht in der Regel der Rollenwechsel vom Fachspezialisten zur Führungskraft. Der Auftrag lautet oft: „Machen Sie das weiter, was Sie bisher so toll gemacht haben – und führen Sie bitte diese Abteilung und leiten Sie auch weiter Ihre großen Projekte.“

Da die meisten äußerst ungern ihre Komfortzone verlassen, setzen sie weiter auf ihre Fachkompetenz. Das haben sie gelernt, über Jahre entwickelt und geübt. Und gerade hier liegt die größte Falle für den Sandwich-Manager: Er verbringt seine Zeit weiter mit den Tätigkeiten, die ihm den Karrieresprung ermöglicht haben. Dabei wäre jetzt vielmehr seine Führungskompetenz gefragt – die eigentliche Arbeit.

Was kann man also tun?

Ganz bewusst die Lieblingsaufgaben an die Mitarbeiter delegieren und ihnen dabei die Fertigkeiten vermitteln. Das ist mit Ängsten verbunden: Kann mein Mitarbeiter es genauso gut wie ich? Verliere ich dadurch meine allseits anerkannte Kompetenz? Mitarbeiter schätzen die Fachkompetenz ihres Vorgesetzten, aber Respekt und Loyalität bekommt der Manager für die täglich gelebte Führungskompetenz.

Hier beginnt es ungemütlich zu werden: Welche Erwartungen habe ich in dieser Rolle an mich selbst? Wo habe ich Führen gelernt? Welche Erwartungen haben meine Vorgesetzten und meine Mitarbeiter an mich?

Welche Vorteile kann man in dieser Position für sich nutzen, welchen Lerneffekt gibt es?

Die größte Chance in mittlerer Ebene besteht darin, erfahrenen Kollegen aus nächster Nähe und in unterschiedlichen Situationen über die Schulter schauen zu können. So kann man gute Beispiele für das eigene Führungsrepertoire sammeln und sich eine eigene, passende Version zu eigen machen. Gleichzeitig erstellt man seine „So will ich sicher nicht sein“-Liste.

Zu Beginn einer Führungslaufbahn scheint mir die Reflexion des eigenen Rollenbildes, der Erwartungen und der Erfahrungen besonders wichtig. Wie führe ich, wenn alles perfekt läuft? Wie führe ich in einer Krise? Es kann hilfreich sein, sich einen neutralen, erfahrenen Gesprächspartner zu diesem Thema zu suchen.

Wie kann man die eigene Rolle als Führungskraft grundsätzlich schärfen, welche Handlungsspielräume hat man hier?

Man hat in Sandwichpositionen oft weit mehr Spielraum, als man denkt. Jener nach unten ist eine Frage des persönlichen Stils. Ganz wesentlich sind hier die Fähigkeiten als „Übersetzer“ oder „Vermittler“ gefragt. Es gilt, die Anforderungen von oben in eine Sprache zu übersetzen, die in der aktuellen Situation für die Mitarbeiter passend ist und nicht einfach 1:1 weiterzugeben.

Haben Sie dazu ein Beispiel aus der Praxis?

Das Weiterleiten von Vorgesetzten-eMails mit den heute üblichen Kommentaren „bitte befolgen“ oder „zur Info“ etwa sind eine verpasste Chance, Führungskompetenz zu leben. Die Mitarbeiter sind an der Meinung ihres Chefs interessiert. Sie wollen von einem Menschen geführt werden, der das Team nach Außen vertritt – nicht von einem Automaten, der eMails weiterleitet. Aber auch der ständige Austausch mit dem Team ist essenziell – selbst dann, wenn es vordergründig keinen akuten Anlass oder aktuelle Neuigkeiten gibt.

Sorgt man so für eine gute Atmosphäre im Team…

Es ist viel mehr als das. Ein Projekt- oder Abteilungsleiter bekommt in seinem Büro nicht mit, was gerade in seinem Team los ist. Das spürt und erfährt man ausschließlich an den Schreibtischen der Mitarbeiter, in Betriebskantinen, etc. Das Interesse an den Mitarbeitern und das Teilhaben an ihrem Joballtag stärkt nicht nur die Loyalität, sondern hilft generell, Konflikte oder Probleme früh zu erkennen und anzusprechen.

In Krisensituationen steht das Team nur hinter einem Chef, der mit breiten Schultern auch vor seinen Mitarbeitern steht. Intern darf es dann durchaus ein „Donnerwetter“ geben, wenn wirklich was schief gegangen ist, nach außen bzw. oben aber nicht.

Persönliche Erfahrungen dazu?

Ich war viele Jahre bei IBM tätig, in den diversen Managementebenen. Einer der dortigen hochrangigen Vorgesetzten hat es sich zur Routine gemacht, regelmäßig durch die Abteilungen zu gehen und mit den Menschen zu reden – über deren Job aber auch über Alltägliches. So kannte er nicht nur die meisten Mitarbeiter persönlich, sondern wusste auch über die Stimmung und die Bedürfnisse Bescheid. Manche haben sich auf solche Begegnungen extra vorbereitet.

Worauf sollten Sandwich-Manager achten, wenn sie nach oben hin kommunizieren?

Folgende Frage ist hilfreich: Wie kann ich meinen Chef erfolgreicher machen? Das heißt auch: Was ist der Führungsstil meines Vorgesetzten? Wie kann ich mein Verhalten anpassen? Man sollte sicherstellen, dass man die Ziele der Vorgesetzten und anderer Kollegen im mittleren Management kennt, um die eigenen Ziele besser zu definieren und letztendlich als Team erfolgreich agieren zu können.

Woran mangelt es heute in der Position?

Früher wurde man besser auf diese Rolle vorbereitet. Heute werden die meisten eher hineingestoßen. Zugleich habe ich das Gefühl, dass richtige Persönlichkeiten an der Spitze aussterben. Es gibt kaum noch echte Typen da oben, Menschen mit Ecken und Kanten, Charaktere mit Profil, denen es nicht an Selbstironie fehlt. Die ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen, zugleich aber die Marschrichtung vorgeben und Grenzen setzen.

Führungspersonen, die unabhängig von der Politik das Beste für die Firma und das Team wollen, und die ihre Haltung von Anfang an klar vermitteln: „Ich stehe da vorne und kämpfe für euch, aber ich sage auch, wo’s lang geht“.

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