Unfreiwillig selbstständig
„Man wurde gedrängt in ein Leben, wo man sich nur als Selbstständiger hat durchschlagen können“, erinnert sich ihr Sohn, Bestsellerautor David Safier, während er durch seine Heimatstadt Bremen spaziert und mit dem KURIER telefoniert. Er selbst schaffte vor über 15 Jahren mit „Mieses Karma“ den Durchbruch. Doch sein persönlichstes Werk veröffentlichte der Schriftsteller erst heuer.
„Solange wir leben“ erzählt die Lebensgeschichte seiner Eltern, die vor allem durch eines geprägt war: von harter Arbeit, die sie leisten mussten, weil es schlichtweg keine Alternative gab. Und von dem Mut, sich selbstständig zu machen, weil der Arbeitsmarkt keinen Platz für sie zu haben schien.
Als Vater Joschi der Liebe wegen in das Land seiner Feinde zog, probierte er zuerst den sicheren Weg. Suchte nach Anstellungen und wurde in einem Varieté und dann in einem Restaurant fündig. Doch er blieb nur kurz, nachdem klar wurde, dass es der gewiefte Umgang mit Geld war, den man sich von ihm versprach. „Joschi traf es wie ein Schlag“, schreibt Safier in seinem Buch. Zu wissen, dass der Krieg vorbei, aber das Gedankengut vieler Menschen noch immer dasselbe war. Also kündigte er. Und eröffnete mit Waltraut die erste Kneipe.
Der „Kamin“ lief gut, bis er das nicht mehr tat. Bis die Arbeit über den Kopf wuchs, die zwei Kinder parallel betreut werden mussten und man sich von einem neuen Restaurant für die feine Gesellschaft Verbesserung erhoffte. Doch diese Unternehmung und alle weiteren – ein Nachtclub und ein Geschäftslokal für Dessous und Diamanten – scheiterten. Nicht immer war es ihr eigenes Verschulden.
Wenn auch manche Idee sich im Nachhinein als nicht besonders klug herausstellte, gesteht Safier. „Mein Vater war kein sensationeller Geschäftsmann. Lausig wäre abwertend und wird ihm nicht gerecht, aber Talent hatte er auch nicht.“ Besonders hart traf das Paar die erste Pleite, ausgelöst von der Ölpreiskrise im Jahr 1973, die wiederum vom Nahost-Konflikt angestoßen wurde.
Wie auch heute schoss die Inflation in die Höhe, die Schulden ebenso. „Damals bedeutete eine Insolvenz, 30 Jahre lang Schulden abzubezahlen, da gab es keinen Neustart.“ Doch Waltraut regelte den Schuldenberg, holte finanzielle Unterstützung vom Schwager ein und stürzte sich mit Joschi in das nächste Projekt. „Sie haben unter den vorherrschenden Umständen ihr Bestes gegeben. Zusammen sind sie Risiken eingegangen.“ Auch wenn sich diese kaum bezahlt machten.
Der größte Erfolg
Wenn der Vater abends in der Wohnung verzweifelt auf und ab ging, spürte der junge Safier, dass das nächste Geschäft am Platzen war. „Ich hatte zwei Eltern, die ich oft erschöpft erlebt habe.“ Selbst als Joschi schon fast 70 war, wagte er sich an die nächste Idee, um die Familie zu versorgen. Die physische Kraft aber musste Waltraut aufbringen, die durch die langjährige Pflege der eigenen Mutter und der später schwer erkrankten Tochter kaum noch Energie übrig hatte.
Dass am Ende des Erwerbslebens für die Mutter nicht einmal eine Pension übrig blieb, von der sie hätte leben können, stimmt David Safier nicht wütend. „Ich weiß ja, wie es dazu kam.“ Um selbst nie an diesen Punkt zu gelangen, traf Safier zwei Entscheidungen: „Ich habe mir immer Geld auf die Kante gelegt, damit ich das machen kann, worauf ich Lust habe“, sagt er. Und: „Die einzige Investition, die ich tätige, ist meine Arbeitszeit. Denn das Genick brechen einem die Schulden.“
Dass Safier heute die Möglichkeit hat, beruflich frei zu entscheiden, hat er letztlich der harten Arbeit seiner Eltern zu verdanken, weiß er. „Ich bin mit Liebe aufgewachsen. Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass ich bessere Startvoraussetzungen hatte als sie selbst.“
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