Was Arbeitgeber von Bewerbern verlangen (dürfen)
„Das werde ich sicher nicht machen“, entschied die Bewerberin. „Das fällt unter Gratisarbeit für mich.“ Die gibt es in Österreich nicht, was wiederum die Seriosität des Ganzen infrage stellt. Die Absicht des Firmenbetreibers – ob es wirklich nur darum ging, die Fähigkeiten seiner Bewerber akribisch zu testen – lassen sich trotz intensiver Bemühungen nicht klären. Der KURIER nahm Kontakt auf, eine Antwort, wie sich der aufwendige Bewerbungsprozess rechtfertige, gab es bis Redaktionsschluss nicht. HR-Expertin Ursula Löffler von der Personalvermittlung Hill Woltron äußert ihre Einschätzung.
Üblich und seriös sei die Aufgabenstellung in diesem Umfang nicht. Erst recht nicht vor dem ersten persönlichen Gespräch. „Nur wenn man schon auf der Shortlist steht, alle anderen Faktoren wie gehaltlicher Rahmen, Beginnzeit und fachliche Qualifikation abgeklärt sind“, würden seriöse Arbeitgeber darum bitten, Aufgaben zu bearbeiten. Das gilt auch für Branchen, in denen Leistungsnachweise gängig wären, etwa im Kreativbereich oder in der IT.
Generell sagt Löffler: Je niedriger die Position, desto seltener sind Vorarbeiten. Bei Hearings von Managern oder Geschäftsführern wären zwei bis drei Stunden Vorbereitungszeit bzw. maximal ein halber Tag, vertretbar. Für „ausführende, einfache Positionen“ zieht Löffler die Grenze bei maximal einer Stunde Aufwand. Das trifft wohl auf die vom AMS vermittelte Stelle des Social-Media-Managers mit 38.000 Euro Brutto-Jahresgehalt zu.
Zu hinterfragen ist außerdem, was mit den überlieferten Inhalten passiert (Stichwort: geistiges Eigentum). Löffler kennt Fälle, in denen diese von Firmen – obwohl dem Bewerber eine Absage erteilt wurde – später verwendet wurden. Ohne dafür zu bezahlen. „Ein Kandidat hat sich kürzlich darüber beschwert, aber keine rechtlichen Schritte unternommen“, berichtet sie. Doch wie häufig ist diese Praxis? Dass Firmen von Bewerbern profitieren wollen, noch bevor diese einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben?
Keine offiziellen Fälle sind bekannt
Der Arbeiterkammer sind solche Fälle nicht bekannt – berät allerdings auch nicht im Bereich des Urheberrechts bzw. geistigen Eigentums, teilt sie dem KURIER auf Nachfrage mit. Auch bei der Gewerkschaft GPA kennt man sie nur vom Hörensagen. Offizielle Fälle wurden bislang nicht bearbeitet.
Wo landen also die Beschwerden, wenn sich Bewerber von Unternehmen ausgenutzt fühlen? Im Internet – hier bedarf es keiner langen Suche.
„Wann ist es Mode geworden, dass Unternehmen eine Probearbeit vor dem ersten Gespräch verlangen?“, ärgert sich ein Nutzer auf der Diskussionsplattform Reddit. Er berichtet von mehrseitigen Aufgaben und Präsentationen, die anzufertigen sind, „bevor man überhaupt ein Gesicht zu sehen bekommt.“ Ein weiterer Nutzer erzählt, dass er seine aufwendige Probearbeit später auf Social Media entdeckt hat. Also richtet er der Firma via Reddit aus, wie es sein kann, dass die „Arbeit nicht ausreichend geeignet war, um mich einzustellen“, aber sie trotzdem verwendet wird „zur Förderung Ihres Geschäfts?“ Er fragt: Kann das rechtens sein?
Was das Gesetz dazu sagt
„Entscheidend ist, ob der Bewerber als Urheber der Probe dem Ausschreibenden ein Werknutzungsrecht bzw. eine Werknutzungsbewilligung eingeräumt hat“, sagt Clemens Bernsteiner, Experte für Urheberrecht. Eine solche Lizenz könnte auch stillschweigend erteilt werden, „etwa indem der Ausschreibende den Bewerber vorab darauf hinweist, dass der Ausschreiber zur weiteren Nutzung der Probe berechtigt ist.“ Das ist für den Ausschreibenden jedoch riskant, weil unklar ist, wie weit die Lizenz (sachlich, räumlich, zeitlich) reicht.
Martin Müller, Jurist des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) drückt es so aus: „Der potenzielle Arbeitgeber könnte im Vorfeld sagen: Was mit der Arbeitsprobe passiert, ist unentgeltlich.“ Der Bewerber hat somit die Wahl: zustimmen oder ablehnen. Wobei die Gewerkschaft freilich abrät, Arbeitsleistungen unentgeltlich zu erbringen.
Ist der Umgang mit Arbeitsproben nicht geklärt und werden diese anschließend verwertet, könne man Ansprüche geltend machen – auch bei Gericht. Worauf sich berufen lässt, erklärt Anwalt Klaus Cavar im Infokasten unten. Wobei er betont, dass es immer auf den Einzelfall ankäme.
Bleibt noch die Frage: Hat nur die unerlaubte Nutzung von Arbeitsproben Konsequenzen oder lässt sich auch gegen überbordende Bewerbungsprozesse vorgehen?
Bisher gibt es kaum Konsequenzen
Beim AMS kann diesbezüglich Beschwerde eingelegt werden, teilt Sprecher Gregor Bitschnau mit. Berater würden dann umgehend Kontakt mit dem Unternehmen aufnehmen und überprüfen, ob man sich hier an die (sehr überschaubaren) Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält. Bei Fehlverhalten „stellt das AMS die Zusammenarbeit ein“, so Bitschnau.
Gemeldete Vorfälle wären jedoch „wirklich selten“, betont er. Im Vorfeld verhindern ließen sich diese aber kaum. Um über das AMS Jobs auszuschreiben, genügt die Kennzahl des Unternehmensregisters (die sogenannte KUR) sowie die GISA-Kennzahl. Die konnte offenbar auch der Wiener Agenturbetreiber vorlegen. Ob das AMS die Zusammenarbeit mit diesem einstellt, teilt es dem KURIER aus Datenschutzgründen nicht mit.
Klar ist aber: Das AMS ist nicht die einzige Job-Plattform Österreichs. Bis vor Kurzem hatte der Agenturinhaber mehrere Stellen beim AMS ausgeschrieben – vom Vertriebsmitarbeiter bis zum Marketing-Allrounder. Jetzt sind sie inaktiv, finden sich aber womöglich auf anderen Portalen wieder.
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