Justiz-Skandal um den „Fall Gustl“

Porträt eines Mannes mit grau meliertem Haar und Schnurrbart.
Das Verfahren wird nach Auftauchen neuer Dokumente der Hypo Vereinsbank neu aufgerollt.

Kann es sein, dass die bayerische Justiz vor beinahe sieben Jahren einen Mann zwangsweise in eine psychiatrische Klinik einweisen ließ, damit dessen Schwarzgeld-Vorwürfe gegen die Hypo Vereinsbank ( HVB) nicht untersucht werden müssen? Diese Frage regt nicht nur die deutsche Öffentlichkeit auf, sondern bringt Justizministerin Beate Merk (CSU) schwer in Bedrängnis.

Denn erst nach dem Auftauchen interner Dokumente der HVB, die die Schwarzgeld-Anschuldigungen erhärten und massivem medialen Druck, beauftragte Merk am Freitag die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, das Verfahren wieder aufzunehmen. Der Mann, der seit 2006 gegen seinen Willen in der Psychiatrie sitzt, ist der Nürnberger Maschinenbauer Gustl Mollath. Sein Unglück begann 2002: Damals zerstritt er sich mit seiner Frau, einer Mitarbeiterin der HVB. Die Zerwürfnisse wurden derart groß, dass er von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt wurde. Im folgenden Scheidungsverfahren warf sie Mollath eine „ernsthafte psychische Erkrankung“ vor.

Verstand verloren

Im Dezember 2003 schlug Mollath zurück und zeigte seine Frau, weitere HVB-Mitarbeiter und 24 Kunden der Bank wegen Schwarzgeld-Geschäften an. Das wurde ihm zum Verhängnis. Denn die Nürnberger Finanzbehörden haben die Anzeige schnell zu den Akten gelegt. Der Grund laut Nürnberger Nachrichten: Ein Anruf aus der Justiz. Der für Mollath zuständige Richter soll den Finanzbehörden gesagt haben, Mollath sei „nicht klar bei Verstand“. Erst später attestierte ein Gutachten Mollath „ein paranoides Gedankensystem“, er sei „gemeingefährlich“. Der Mann soll unter anderem Autoreifen aufgestochen haben. Als vollkommen abwegig sollten damit möglicherweise auch seine Schwarzgeld-Vorwürfe eingestuft werden.
Das Landesgericht Nürnberg verfügte daraufhin im Jahr 2006 die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.
Heute, fast sieben Jahre später, kommt der Verdacht auf, Mollath sei damals willkürlich weggesperrt worden. Diese Einschätzung wird durch einen internen Revisionsbericht der HVB aus dem Jahr 2003 unterstützt, der allerdings erst vor wenigen Tagen publik wurde. Dieser Bericht bestätigt im Wesentlichen die Vorwürfe Mollaths. Die HVB soll den Bericht erst 2011 an die Staatsanwaltschaft weiter geleitet haben.

Steuerhinterziehung

Die HVB, die so wie die Bank Austria mittlerweile zum italienischen UniCredit-Konzern gehört, macht derzeit auch in einem ganz anderen Fall – unabhängig von Mollath – ein schlechtes Bild: Die Bank soll mit speziell kreierten Aktienhandelsgeschäften Kunden zur schweren Steuerhinterziehung verholfen haben.
Am Donnerstag haben mehr als 60 Staatsanwälte, Polizisten und Steuerfahnder deswegen die Büros der Bank durchsucht.

Der „Fall Gustl“ in Bayern schlägt enorme Wellen. Die Zwangspsychiatrierung von Gustl Mollath und seine Vorwürfe an die HypoVereinsbank (HVB), deren Mitarbeiter hätten im großen Stil deutsches Schwarzgeld in die Schweiz transferiert, haben das Zeug zu einem riesigen Skandal.

Noch ist gar nichts bewiesen. Aber das Vorgehen der Behörden und Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ist derart blamabel, dass für die Öffentlichkeit die Schuldfrage längst geklärt ist. Nichts passt als Kontrast besser zum katastrophalen Image der Großabkassierer und politisch einflussreichen „Bankster“ als die Geschichte vom armen Gustl. Interne Dokumente der Bank sollen ihm bereits recht geben. Das ist zu wenig. Die ganze Wahrheit gehört auf den Tisch.

Kommentare