Jede fünfte Überstunde blieb 2011 unbezahlt

Silhouetten von Menschen, die in einem modernen Bürogebäude arbeiten.
Arbeitnehmer in Österreich leisteten im vergangenen Jahr 303 Mio. Überstunden. Der ÖGB spricht von "Diebstahl".

Jede fünfte von Arbeitnehmern geleistete Überstunde wurde 2011 von den Arbeitgebern nicht entlohnt. Für genau 22 Prozent der von ihnen geleisteten Mehrarbeit habe die Arbeitnehmer also weder einen Geldzuschlag noch einen Zeitausgleich erhalten. In Summe wurden von den Arbeitgebern im Vorjahr 66,9 Mio. Mehr- bzw. Überstunden nicht abgegolten. Wieviel Geld dadurch den Arbeitnehmern vorenthalten wurde, konnte Sozialminister Rudolf Hundstorfer in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Walter Schopf nicht angeben. Diese Daten werden nicht erhoben.

Der Anteil der nichtbezahlten Überstunden ist bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Während bei Männern 2011 nur 19,65 Prozent der Mehrarbeit nicht bezahlt wurde, waren es bei Frauen 28,25 Prozent. Bei Männern ist der Anteil von 33,8 Prozent im Jahr 2004 auf 25,3 Prozent im Jahr 2008 auf zuletzt 19,65 Prozent gesunken. Bei Frauen hingegen von 47,25 Prozent auf 40,9 Prozent und nunmehr auf 28,25 Prozent.

Keine Sanktionen

Die Nichtbezahlung von Überstunden bzw. die Nichtgewährung von Freizeitausgleich steht nicht unter Strafsanktion. Arbeitnehmer müssen ihrer Forderungen beim Arbeitsgericht geltend machen. Bei Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen durch ungesetzliche Überstunden sind im Arbeitsgesetz Verwaltungsstrafen von 72 bis 3.600 Euro vorgesehen. Die Einhaltung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit - Tagesarbeitszeiten bis zu 10 Stunden und Wochenarbeitszeiten bis zu 50 bzw. 48 Stunden - sind vom Arbeitsinspektorat zu kontrollieren.

Wie aus der Anfragebeantwortung weiter hervorgeht, wurden im Vorjahr bei Schwerpunkt-Kontrollen 1.231 mangelhaft geführte und 2.144 fehlende Arbeitszeitaufzeichnungen beanstandet. 2010 waren es 1.431 und 2009 1.513 Beanstandungen. Gefälschte Arbeitszeitaufzeichnungen können nur sehr schwer und meist nicht ohne Zeugenaussage von Arbeitnehmern nachgewiesen werden, betont Hundstorfer, wobei dies wegen der negativen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis von den Arbeitsinspektoren möglichst vermieden werde. Bei bisher erfolgten Anzeigen an die Staatsanwaltschaft wegen Fälschung von Beweismitteln seien die Verfahren eingestellt worden.

Die Nichtführung bzw. mangelhafte Führung von Arbeitsaufzeichungen unterliegt einer eigenen Strafbestimmung. Es könne auch eine Strafe pro Arbeitnehmer beantragt werden, wenn durch das Fehlen der Aufzeichnungen die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar wird.

"Diebstahl"

"Überstunden nicht zu bezahlen grenzt an Diebstahl, denn die Firmen haben ja eine Leistung von ihren Beschäftigten bekommen", sagte ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. Diese Anzahl sei "verheerend und sollte sich dringend ändern", kritisiert auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hoschek. Sie forderte die Unternehmen auf, sich an die Gesetze zu halten. "Auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird hier großflächig das Arbeitsrecht missachtet", so die Frauenministerin.

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