IWF-Einsicht: Sparkurs schadet Aufschwung

IWF-Einsicht: Sparkurs schadet Aufschwung
Neue Einsicht beim IWF: Übermäßiges Sparen schadet den jeweiligen Wirtschaften mehr, als es ihnen nutzen könnte. Die Sparpolitik soll flexibler werden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sich für eine größere Flexibilität bei der Sparpolitik in den stärkeren Euro-Staaten ausgesprochen. Wichtiger als konkrete Defizitziele seien Reformen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde am Dienstag im französischen Fernsehsender LCI. Eine größere Flexibilität könne es in den Ländern geben, die nicht unter dem Druck von Investoren stünden. Frankreich nahm Lagarde ausdrücklich aus.

Nach Ansicht der IWF-Chefin sollten in verschiedenen Ländern auch unterschiedliche Inflationsraten zugelassen werden, um wirtschaftliche Ungleichheiten zu korrigieren. Dies wäre sehr hilfreich, sagte Lagarde.

IWF räumt Fehler in Schuldenpolitik ein

Der Internationale Währungsfonds zählt 188 Mitgliedsstaaten. Seine Aufgabe ist es, Finanzsysteme weltweit zu überwachen und bei drohendem Staatsbankrott oder anderen Zahlungsbilanzproblemen einzugreifen. Seine Millionen- und Milliardenhilfe an verschuldete Staaten knüpft der IWF an harte Sparauflagen. Immer wieder war und ist vom Kaputtsparen die Rede.

Von diesem Kurs verabschiedet sich der IWF in seinem jüngsten globalen Wirtschaftsausblick nun: Hauseigene Studien zeigen, dass der wirtschaftliche Schaden einer aggressiven Sparpolitik bis zu dreimal höher sein kann als ursprünglich angenommen. Bislang ging man im Währungsfonds von einem fiskalpolitischen Multiplikator von 0,5 aus. Heißt: Für jeden eingesparten Euro schrumpft eine Volkswirtschaft um 50 Cent. Die neuen Berechnungen zeigen aber, dass der Schaden für die Konjunktur zwischen 90 Cent und 1,70 Euro betragen kann.

Schadenfreude

Eine Mischung aus Schadenfreude und Frust - so lässt sich die Reaktion einstiger Schuldnerländer zusammenfassen. Länder wie Argentinien, Indonesien oder Südkorea sehen ihre leidvollen Erfahrungen endlich anerkannt: dass nämlich harsche Sparpolitik allein den Karren nur noch tiefer in den Dreck zieht.

"Sie haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt", freut sich der indonesische Handelsminister Gita Wirjawan. "Was wir 1998 durchgemacht haben, war schmerzlich. Ich habe das erlebt und ich hoffe, dass die Schwierigkeiten, die wir ausgestanden haben, eine Lehre sind." Indonesien hatte 1997 einen zehn Milliarden Dollar (7,71 Mrd. Euro) schweren Hilfskredit erhalten. Als Gegenleistung musste das Land seine Ausgaben kürzen, Steuern erhöhen, Banken schließen und seine Geldpolitik straffen. All das sollte den konjunkturellen Abschwung im Schach halten. Doch es kam anders: Statt eines anvisierten drei-prozentigen Wachstums brach die indonesische Wirtschaft 1998 um 13 Prozent ein.

Ähnlich erging es Südkorea. Nach Einschätzung von Chung Duck-koo, der damals für Südkorea die Verhandlungen mit dem IWF leitete, hatte der Fonds fälschlicherweise eine Währungskrise als finanzpolitische Krise diagnostiziert und die falschen Reformen verordnet. "Das war wie ein Feuerwehrmann, der zu spät kommt, zu wenig Wasser dabei hat und dann auch noch den Brandherd nicht richtig erkennt", sagt Chung Duck-koo. "So wurde das Feuer noch größer." Bis heute ist die Reputation des IWF in Asien angeschlagen. Länder der Region haben gut sechs Billionen Dollar an Währungsreserven angesammelt, unter anderem, um niemals wieder beim IWF vorsprechen zu müssen.

Argentinien

Nach Einschätzung des argentinischen Wirtschaftsministers Hernan Lorenzino ist die Einsicht des IWF ein "erster Schritt", um in den verschuldeten europäischen Ländern einen umsichtigeren Kurs einzuschlagen. Die bis heute beispiellose Staatspleite Argentiniens vor gut zehn Jahren und das damit verbundene Leid der Bevölkerung hätte Kritikern zufolge durch flexiblere Auflagen des Fonds verhindert werden können. Inzwischen wieder auf gesunden Beinen stehend, findet das Land auch heute kaum gute Worte für den IWF. Der Unterstützung der Finanzwirtschaft weit mehr Bedeutung als der Realwirtschaft beizumessen, führe dazu, dass am Ende die Arbeiter die Krise auszubaden hätten, wurde Wirtschaftsminister Lorenzino kürzlich von einer Konferenz in Buenos Aires zitiert.

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