Irland: „Wir sind die braven Buben“

Irland: „Wir sind die braven Buben“
Die irische Regierung schnürt ihr siebentes Sparpaket und erfüllt damit die Vorgaben von EU und IWF – trotzdem wächst die Wirtschaft.

Eugene O’Shea arbeitet als Fleischhauer in dem kleinen Städtchen Donabate nördlich von Dublin. So schlecht wie derzeit ging sein Geschäft schon lange nicht. „Obwohl ich meine Preise in den vergangenen vier Jahren um ein Fünftel gesenkt habe“, sagt der zweifache Vater.

In O’Sheas Umgebung leben besonders viele öffentlich Bedienstete, die täglich nach Dublin pendeln. Deren Gehälter seien nach dem großen wirtschaftlichen Crash vor drei Jahren auf der Grünen Insel im Schnitt um ein Viertel gekürzt worden, erklärt der Fleischhauer.

Mit dem großen Sparen ist es noch lange nicht vorbei auf der Grünen Insel – im Gegenteil. Gestern präsentierte die Mitte-links-Regierung von Premierminister Enda Kenny das siebente Sparpaket für das Land seit 2008. Im kommenden Jahr werden die staatlichen Ausgaben um weitere 2,2 Milliarden Euro gekürzt; 1,6 Milliarden sollen durch neue und höhere Steuern hereinkommen.

Aufschwung

Damit erfüllt Irland – im Gegensatz zu anderen EU-Problemländern – die strikten Sparvorgaben von EU, EZB und IWF. Irland agiere vorbildlich, lobte die die Troika; das Land sei auf einem guten Weg. Trotz der rigorosen Sparmaßnahmen ist die irische Wirtschaft heuer zum ersten Mal seit 2007 wieder leicht gewachsen. Das hat sonst kein EU-Problemland geschafft.

Im Gegensatz etwa zu Griechenland und Italien gab es es in Irland bisher kaum Proteste gegen die staatlichen Einschnitte. Als die Regierung beschloss, das Pensionsantrittsalter schrittweise von 65 auf 68 anzuheben, war das ein Nebenthema in vielen Medien.

„Wir sind die braven Buben in der schlimmen Klasse“, beschreibt Fleischhauer O’Shea seine Landsleute. „Ich glaube, wir Iren sind flexibel. Und wir kennen harte Zeiten aus unserer Vergangenheit.“

Ähnlich sieht das Rory McDonald, der in Dublin für das Internet-Unternehmen „WeddingsOnline“ arbeitet: „Wir sind pragmatische Menschen und müssen da einfach durch.“ Bei „WeddingsOnline“ stimmten heuer alle 20 Angestellten dafür, dass die Gehälter um 15 Prozent gekürzt werden. Das spürt auch McDonalds Familie: „Meine Frau ist US-Amerikanerin. Normalerweise fliegt sie jedes Jahr nach Hause auf Urlaub. Heuer werden wir eine Woche Urlaub in Irland machen.“

Materialismus

Der Vater zweier Mädchen versucht, das Positive in der Krise zu sehen: „Die Leute sind nicht mehr so materialistisch wie in den Boom-Jahren. Wir kümmern uns wieder mehr um das, was im Leben wirklich wichtig ist.“

Amanda Doyle aus Swords findet ebenfalls, dass in Irland vor der Krise „die Gier überhand genommen hat“. Dass ihre Landsleute „sich jetzt einfach hinlegen und alles hinnehmen“, was ihnen die Regierung als Sparmaßnahme vorsetzt, gefällt ihr aber nicht. „Man hat uns versprochen, dass die Reichen zahlen, es sind aber die Armen.“

Rund 700 Millionen Euro werden 2012 in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung gespart. Die Mehrwertsteuer wird von 21 auf 23 Prozent angehoben; die Kfz-Steuern steigen um bis zu 60 Prozent. Die Regierung müsse all das tun, um das Land wieder auf Kurs zu bringen, verteidigt Premier Kenny sein Sparpaket.

Ob der wirtschaftliche Aufschwung in Irland anhält, ist seit einigen Wochen aber wieder fraglich. Schuld daran ist vor allem die Euro-Krise. „Vor zwölf Monaten waren wir Europas Problem. Jetzt bedrohen die Probleme der europäischen und globalen Wirtschaft unsere Erholung“, sagt Irlands Minister für Öffentliche Ausgaben, Brendan Howling. Fleischhauer Eugene O’Shea hofft, dass es nicht so schlimm kommt: „Sonst waren alle unsere Entbehrungen umsonst.“

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