Irland-Votum: "Sind anders als die Griechen"
Fiona McGrath arbeitet für den internationalen Autovermieter Hertz in Dublin. Für die dreifache Mutter war die Entscheidung am Donnerstag klar: "Ich habe für den Fiskalpakt gestimmt. Ein Nein würde multinationale Unternehmen in Irland wie Hertz nur noch mehr verunsichern. Wir müssen Europa zeigen, dass wir anders sind als die Griechen."
Mit genau diesem Argument hatte die Regierung in Dublin in den vergangenen Wochen an die Bürger appelliert, am Donnerstag beim Referendum über den EU-Fiskalpakt mit Ja zu stimmen. Irland ist das einzige Land, in dem die Bevölkerung entscheidet. Die Stimmen werden erst Freitag ausgezählt. Laut Umfragen zeichnet sich ein Ja ab, die Beteiligung war jedoch schleppend. Heftiger Regen schien viele Wähler von einer Stimmabgabe abzuhalten, das provozierte bei Befürwortern die Angst vor einem "Nein". Dennoch könne es als sicher angesehen werden, dass sich mehr als 60 Prozent für den Pakt für mehr Haushaltsdisziplin ausgesprochen hätten, sagten zwei Vertreter der irischen Regierung, die namentlich nicht genannt werden wollten kurz nach Schließung der Wahllokale.
William Watson aus einem Dubliner Vorort ist einer jener, die für den Pakt gestimmt haben: "Wenn wir nicht dabei sind, bekommen wir keine EU-Hilfen. Das können wir uns nicht leisten."
Aufwärtstrend
Irland war im Dezember 2010 als erstes Land unter den Euro-Rettungsschirm geflüchtet. Nach dem Platzen einer riesigen Immobilienblase musste der Staat eine Reihe von Banken verstaatlichen. Die Grüne Insel erhielt rund 80 Milliarden Euro aus dem EU-Hilfsfonds.
Seither hat Irland alle Vorgaben von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank umgesetzt. Trotz Sparpakete wächst die Wirtschaft sogar wieder leicht.
Aber die Unsicherheit ist groß. Viele Fachleute befürchten, dass Irland noch einmal vergleichsweise billige Hilfsgelder aus dem Euro-Rettungsschirm brauchen werde. Die gibt es nur für Länder, die den Fiskalpakt ratifiziert haben (siehe Artikel rechts).
Der Pakt kann zwar auch ohne Irland in Kraft treten. Trotzdem ist das Resultat des Referendums für den Rest Europas wichtig: Ein Nein Irlands hätte große Signalwirkung und möglicherweise negative Konsequenzen für die Stabilität in der Eurozone.
Thomas Weldon hat am Donnerstag trotz entsprechender Warnungen des Ja-Lagers mit Nein gestimmt. Der Dubliner befürchtet, dass die im Vertrag verankerten strengen Defizit-Ziele noch mehr Einschnitte in Irland nötig machen werden: "Ich glaube nicht an dieses Kaputt-Sparen in Europa. Meine Kinder haben überhaupt keine Zukunft."
Stimmungswandel
Mehr Sparmaßnahmen gebe es so oder so, entgegnet Pat O’Connor, der mit Ja gestimmt hat: "Der Fiskalpakt ist das kleinere Übel. Das Einzige, das Ländern wie Irland jetzt hilft, ist, dass Europa mehr zusammenrückt." Vor der schweren Wirtschaftskrise waren die Iren noch deutlich EU-skeptischer. Bei den letzten beiden EU-Referenden zu den Verträgen von Nizza und Lissabon 2001 und 2008 gab es zunächst zwei Mal ein Nein der Iren. Erst im zweiten Anlauf stimmten die Bürger jeweils mit Ja. In diesen Jahren erlebte Irland einen international viel beachteten Wirtschaftsboom ("Keltischer Tiger"). Europa wurde damals auf der Grünen Insel von vielen nur belächelt. Diese Zeiten sind aber vorbei.
Der Fiskalpakt im Detail
Welche Länder beteiligen sich?
Von den 27 EU-Ländern beteiligen sich nur Großbritannien und Tschechien nicht an dem Abkommen. Der Fiskalpakt macht strenge Haushaltsdisziplin und die Verankerung einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in nationalem Recht zur Pflicht. Die nationale Ratifizierung ist nach der bereits Anfang März erfolgten Unterzeichnung nun der nächste Schritt. In Deutschland oder Österreich sind dafür Parlamentsbeschlüsse geplant, Irland hält als einziges Land ein Referendum ab.
Welche Länder haben den Fiskalpakt schon ratifiziert?
Als erstes Land ratifizierte das Sorgenkind Griechenland das Abkommen Ende März. Seitdem folgten Portugal, Slowenien und in der vergangenen Woche Rumänien.
Warum gilt die Abstimmung in Irland als heikel?
Die Iren haben bereits zweimal in Referenden einen EU-Vertrag zunächst abgelehnt, in einem zweiten Anlauf dann aber doch zugestimmt. Umfragen sagen diesmal eine Zustimmung in dem Euro-Land voraus. Ein irisches Nein wäre jedoch angesichts der anhaltenden Sorgen um Griechenland und Spanien ein negatives Signal. In der Debatte um Europas Weg aus der Schuldenkrise würden zudem die Kritiker des harten Sparkurses gestärkt.
Welche Rolle spielt Frankreich?
Der Anfang Mai gewählte neue französische Präsident Francois Hollande weigert sich bisher, den Fiskalpakt in seiner jetzigen Form zu ratifizieren. Der Sozialist hatte im Wahlkampf eine Neuverhandlung des Vertrags gefordert, um das Abkommen um ein Wachstumsprogramm zu ergänzen. Mit dieser Forderung wird Hollande auch zum
EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel anreisen.
Wie ist die Situation in Österreich?
In Österreich wurde der Fiskalpakt im März im Ministerrat beschlossen, der Beschluss im Nationalrat steht noch aus. Bundeskanzler Werner Faymann will den Fiskalpakt wie geplant ratifizieren, Vizekanzler Michael Spindelegger am liebsten noch vor der Sommerpause des Parlaments. Aus der SPÖ gibt es allerdings auch kritische Stimmen gegen den Pakt zur Überwachung der strengen Sparziele. Die Opposition lehnt den Pakt ab.
Wie sieht es in den restlichen Unterzeichnerstaaten aus?
In den übrigen Ländern werden bisher keine Probleme bei der Ratifizierung erwartet. In Schweden und Dänemark sowie in Spanien, Italien und Polen soll die Ratifizierung noch vor der Sommerpause abgeschlossen sein.
Wann tritt der Fiskalpakt in Kraft?
Der Vertrag soll möglichst zum 1. Jänner 2013 in Kraft treten. Dazu müssen ihn mindestens zwölf Euro-Länder ratifiziert haben. Dann haben die Teilnehmer ein weiteres Jahr Zeit, um die Anforderungen wie die Schuldenbremse in ihr nationales Recht zu übertragen. Nach fünf Jahren will die
EU versuchen, den Kern des bisher zwischenstaatlichen Vertrags in allgemeines EU-Recht zu überführen. Dazu müssten aber auch die bisherigen Verweigerer Großbritannien und Tschechien mit im Boot sein. Ist der Vertrag einmal in Kraft getreten, sollen nur noch Länder Hilfe aus dem künftigen Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können, die den Fiskalpakt unterzeichnet und fristgerecht umgesetzt haben.
Was bedeutet der Fiskalpakt für die nationalen Budgets?
Die Unterzeichnerstaaten müssen beim Haushaltsdefizit doppelt so scharfe Kriterien erfüllen wie bisher: Das strukturelle - also das von der Konjunkturentwicklung unabhängige - Defizit darf fortan die Grenze von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht mehr überschreiten. Beim Verfehlen des Ziels werden automatisch Strafverfahren ausgelöst, die nur durch ein Mehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Zielabweichungen sind nur für Länder erlaubt, deren Gesamtverschuldung "deutlich unter 60 Prozent" der Wirtschaftsleistung liegt.
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