Smarte Start-ups: Das Zuhause der Zukunft
Einen guten Hausgeist, der sich um alles kümmert – das würden sich viele gestresste Bürger wünschen. Solch einen Hausgeist hatte wohl auch der Wiener Immobilienunternehmer Daniel Jelitzka vor Augen. In den vergangenen zwei Jahren hat er rund eine Million Euro in die Entwicklung einer App namens „puck“ investiert. Vergangene Woche präsentierte er die App als „die digitale Zukunft der Immobilienwirtschaft“.
Mit „puck“ sollen Bewohner und Hausverwaltung künftig ganz unkompliziert kommunizieren können. Mehr noch: die App, so wie ein digitales Schwarzes Brett im Eingangsbereich des Hauses, erinnert an Termine, informiert Bewohner über die aktuelle Verkehrs- und Wetterlage, bringt News aus dem Grätzel und kann sogar als Tauschbörse verwendet werden. Daniel Jelitzka: „Unser Ziel ist es, in den kommenden zwei Jahren 100.000 Haushalte für puck zu gewinnen.“
Der Hype um die Digitalisierung erfasst die heimische Immobilienwirtschaft in rasantem Tempo. In den vergangenen drei Jahren ist weltweit – und etwas verzögert auch in Österreich – die Anzahl von Start-up-Unternehmen aus dem Immobilienbereich regelrecht explodiert. Laut Branchenschätzungen gibt es im deutschsprachigen Raum rund 400 Immobilien-Start-ups. Die Investments in die Branche sind enorm gewachsen: Laut CB Insights wurden 2015 weltweit fast zwei Milliarden Euro in neue Unternehmen gepumpt. Zwei Jahre später, 2017, waren es bereit zehn Milliarden Euro. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, denn wir befinden uns erst am Anfang der Digitalisierungswelle in der Immobilienbranche“, sagt der Branchenkenner und Blogger Nikolai Roth aus Hamburg.
„PropTech“ heißt das neue Schlagwort. Damit werden alle neuen Technologien rund um Immobilien (Englisch: properties) bezeichnet. Das können neue Tools für die Suche und Vermittlung von Objekten sein, genauso wie Planungstechnologien, Smart-Home-Produkte, Crowd-Finanzierungen und Datenbanken. Genau genommen ist auch die Plattform ein PropTech.
Wie schnell sich die Branche verändert, zeigt ein Vergleich: Der Hotel-Konzern Hilton – Stellvertreter der „old economy“ – brauchte 93 Jahre, um 610.000 Zimmer weltweit zu bauen. Das Start-up Airbnb benötigte für 650.000 Zimmer nur vier Jahre.
Am schnellsten sichtbar werden die Veränderungen in der Vermittlung von Liegenschaften. In diesem Bereich sind derzeit rund die Hälfte aller heimischen PropTechs tätig. So wie „3motion“. Christian Friesenegger gründete mit einem Partner das Unternehmen vor zwei Jahren. Sie bieten virtuelle Besichtigungen für ihre Kunden an. Vor allem Bauträger und Makler nutzen diese Möglichkeit. Christian Friesenegger: „In zwei bis drei Jahren wird es ganz normal sein, dass Interessenten die Erstbesichtigung einer Immobilie virtuell machen.“
3motion ist in der Lage, auf Basis von 2D-Plänen Bauwerke voll digital darzustellen. Kunden setzen sich dann beispielsweise eine Virtual Reality-Brille auf und können virtuell durch das Bauwerk spazieren. Per Klick können Ausstattungsdetails wie Böden und Sanitärarmaturen ausgetauscht oder Möbelstücke verrückt werden.
Für Bauprojekte, die vom Plan weg verkauft werden, ist das ein großer Vermarktungsvorteil. Bei einem neuen Büroprojekt am Wiener Flughafen etwa wurde die neue Technologie kürzlich eingesetzt. „Derzeit sind wir auf der Suche nach frischem Kapital. Wir wollen stark wachsen“, so Friesenegger, der kürzlich zwei Monate Zeit im Silicon Valley und London verbrachte.
Planradar aus Wien hat das bereits geschafft: Das Start-up wurde 2013 gegründet und vergangenen Herbst beim renommierten MIPIM Protech Summit in New York sogar als bestes Start-up Europas ausgezeichnet. Planradar hat eine Software entwickelt, die auf Baustellen für Mängelmanagement und Baudokumentation eingesetzt wird. Mit iPad oder Smartphone können mehrere Baufirmen und Subunternehmer an einem gemeinsamen digitalen Plan arbeiten, Informationen eintragen und Arbeitsschritte dokumentieren. „Früher war das eine Zettelwirtschaft. Man hatte hunderte Excel-Listen, Protokolle und Fotos. Keiner wusste, welche Version gerade aktuell war“, so Mitbegründer Domagoj Dolinsek, der selbst aus der Bauwirtschaft kommt. „Mit unserer Software kann man innerhalb weniger Minuten ein Hochhaus managen.“
Das Unternehmen ist mittlerweile in 26 Ländern bei rund 1.900 Kunden vertreten. Vor einem Jahr stiegen internationale Venture Capital-Fonds ein. Derzeit arbeitet Planradar an neuen Produkten, die den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks abdecken.
Und wie steht es um einen lukrativen Ausstieg der Gründer? Dolinsek: „Einen Exit planen wir nicht.“
Die dynamische Entwicklung birgt freilich auch Risiken: Geschäftsmodelle funktionieren nicht oder Investoren schießen kein Geld mehr nach. So erging es etwa dem Wiener Start-up zoomsquare, das vor zwei Wochen Insolvenz anmeldete. 2013 gegründet, wollte das Unternehmen zum „Google für die Immobiliensuche“ werden. Zwar hatte zoomsquare eine Reihe prominenter Investoren an Bord, doch blieben Umsätze aus. Im Herbst übernahmen zwei Immo-Profis die Chefetage und änderten das Geschäftsmodell. „Die Umpositionierung ist zwar gelungen. Für weiteres Wachstum hätten wir mehr Geld und Zeit benötigt“, so die ehemalige Chefin Anita Körbler.
Das Start-up wird nun von der Masseverwalterin weitergeführt. Mehrere Angebote für Teile der Insolvenzmasse gibt es bereits. Wie groß ist die Enttäuschung? Anita Körbler, die davor acht Jahre beim Start-up ImmoUnited werkte, sagt: „Ich habe viel gelernt und möchte auf jeden Fall an der Digitalisierung in der Branche arbeiten. Eines ist für erfolgreiche PropTechs wichtig: Es braucht neben guten Technikern auch Immobilienprofis, die das Geschäft verstehen.“
Die besten Ideen sprießen bekanntlich dann, wenn es ein Problem gibt. Als Martin Öller und Thomas Moser ein Haus bauten, installierten sie die neuesten BUS-Systeme. Schließlich sollte das neue Heim von selbst wissen, was zu tun ist. „Doch wir waren überhaupt nicht zufrieden“, so Öller.
So schritten die Techniker selbst zur Tat und gründeten das Smart-Home-Unternehmen Loxone. Das war 2009. Im oberösterreichischen Mühlviertel beheimatet, ist Loxone mit 250 Mitarbeitern heute Weltmarktführer für Smart-Home-Gesamtlösungen. Das wichtigste Produkt ist ein Mini-Server, der verschiedene Bereiche im Haus wie die Beleuchtung, Heizung, Zutrittssystem, Sprechanlage und Musikinstallationen zentral und von selbst steuert.
Rund 50.000 Handgriffe pro Jahr soll ein Loxone-Haus den Bewohnern ersparen. Dazu wird ein Gefühl von Sicherheit geliefert. Gerade für eine älter werdende Gesellschaft ist das wichtig. Etwa schlägt das Haus von selbst Alarm, wenn Unbefugte ins Haus eindringen, ungewollt Feuer brennt oder sich ein Wasserschaden anbahnt.
Beim Datenschutz ist Loxone streng. Die Daten bleiben dort, wo sie hingehören: im Haus, nämlich auf den Mini-Server. „Mein Haus, meine Daten“ lautet die Devise. Nichts wird auf externen Clouds oder sonst wo gespeichert.
Doch gerade die Daten sind – wie in anderen Branchen auch – das Gold der Zukunft. Erste Unternehmen wie Evana aus Frankfurt sind in diesem Feld bereits aktiv. Evana wertet Datenbanken und Dokumente wie Mietverträge mit lernenden Algorithmen aus. Wohnkonzerne beispielsweise erhalten dadurch auf Knopfdruck detaillierte Analysen ihrer Mieterstruktur für ganze Stadtviertel oder Wohnhäuser.
Außerdem hinterlassen Menschen in ihrem Wohnumfeld unglaublich viele Informationen über ihren Lebensstil und ihre Konsumgewohnheiten. Es gibt bereits Start-ups, die mittels Sensoren verschiedenste Daten in Immobilien sammeln können. „Informationen über Menschen sind unglaublich wichtig. Sie sind sogar mehr Wert, als die Miete“, meint Julia Arlt, Innovation Real Estate Director beim internationalen Beratungsunternehmen PwC und Mitbegründerin der Austrian PropTech Initiative.
Nicht umsonst kursiert derzeit in der PropTech-Szene folgende geflügelter Spruch: „Gib mir deine Daten. Die Wohnung kannst du umsonst benutzen.“
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