Dieser Service sollte auch genutzt werden. Denn gut gemeinte „Verschönerungsmaßnahmen“ an Presshäusern können enorme Schäden anrichten – einfach nur durch mangelndes Wissen über die Tradition dieser speziellen Architektur seitens der Besitzer oder der Handwerker. „Denn die wahre Schönheit und Besonderheit dieser Gebäude liegt in ihrer Schlichtheit“, so Doris Knoll, Amtssachverständige für Baukultur. Private müssen für die Beratung einen Kostenbeitrag von 90 Euro leisten, für Gemeinden wird sie gratis angeboten.
Typische Architektur
In Niederösterreich gibt es mehr als 1.100 Kellergassen mit rund 37.000 Presshäusern, die sich durch architektonische Besonderheiten auszeichnen. Typisch für die Presshäuser ist zum Beispiel, dass sie keinen Kamin haben. Daher kommt auch die oft verwendete Bezeichnung „Dörfer ohne Rauchfang“.
Ein Presshaus wurde ursprünglich für eine bestimmte Presse errichtet. Die Presse nimmt dabei fast die gesamte Länge des Gebäudes ein und bestimmte somit die Funktion und Größe des Gebäudes.
Ein besonderes Merkmal an der Front des Hauses ist das sogenannte Gaitloch. Das ist eine kleine, bodennahe Rechtecköffnung, die dem Einbringen der Traubenmaische diente.
Besonders während der Gärung des Traubenmostes war bei vielen Presshausbauten zusätzlich – oder statt eines Torflügels – ein so genanntes Gärgitter angebracht. Dadurch konnten die Gärgase besser entweichen und der Keller war dennoch vor unbefugtem Zutritt gesichert.
Weißer Kalkanstrich
Die Mauern der Presshäuser sind in der Regel aus Lehm errichtet. Zum Schutz des Lehmziegelmauerwerks erhielt dieses eine deckende Schicht aus Kalk- oder Lehmputz. Der weiße Kalkanstrich, der den Häusern ihr typisches Erscheinungsbild verleiht, muss bis heute jedes Jahr neu gekalkt werden. Der geschlossene Kalkanstrich ist für den Fortbestand des gesamten Bauwerks von wesentlicher Bedeutung. Bei einer Beschädigung der schützenden Schicht droht das Eindringen von Feuchtigkeit, was zum Aufquellen des verbauten Lehms führt.
Werden abdichtende Systeme wie Dispersionen oder zementhaltige Putze verwendet, können diese zu einem Anstieg der Mauerfeuchte und damit zu gravierenden Schäden des Mauerwerks führen. „Für die Sanierungsarbeiten an diesen alten Gebäuden ist es daher sehr wichtig, dass Unternehmen, traditionelle Handwerkstechniken noch beherrschen. Vieles muss dabei von Hand anstatt mittels Maschinen erledigt werden“, weiß die Expertin.
Wie sieht die Zukunft aus?
In vielen Gemeinden sind Hunderte Presshäuser zu erhalten. Hier wird es sinnvoll sein, auch Personen ohne Landwirtschaft die Nutzung von Presshäusern zu ermöglichen. Das ist für den Bestand der Kellergassen wichtig, da die Erhaltung der Bausubstanz nicht alleine von den wenigen verbleibenden Weinhauern getragen werden kann.
Auf Plattformen wie der Kellerbörse Niederösterreich können sich Kaufinteressenten nach passenden Objekten umsehen – die Preise befinden sich je nach Lage und Zustand im Aufwind.
Schutzzone
Auf die Frage, ob das Kulturgut vor Abriss geschützt ist, antwortet Doris Knoll: „Man kann den Abbruch besonders erhaltenswerter Presshäuser kaum verbieten. Gelingen kann es mit einem Bebauungsplan in Kombination mit einer sogenannten Schutzzone, in welcher der Abbruch ausgewählter, erhaltenswerter Objekte untersagt wird. Oder durch die Unterschutzstellung des erhaltenswerten Presshauses nach dem Denkmalschutzgesetz.“ Allerdings stehen bisher nur zwei Kellergassen unter Denkmalschutz: Mailberg (Zipf) und Aspersdorf (Kirchenberg).
Mit dem neu ins Leben gerufenen „Kellergassenmanagement NÖ“ werden alle Agenden rund um Kellergassen beim Team von Agrar Plus in Hollabrunn gebündelt. Dort werden u. a. auch Praxisseminare angeboten. „Seit 23 Jahren gibt es zudem ein vielfältiges Angebot von Kellergassenführungen, etwa auch für Schüler der Oberstufen, um das Bewusstsein für dieses Kulturgut unserer Region zu schärfen“, erzählt Stefan Hiller von Agrar Plus.
Orte der Begegnung
Kellergassen sind bis heute Orte der Begegnung, des gesellschaftlichen Lebens. Darüber hinaus gewinnen sie immer mehr an touristischer Relevanz und bringen als attraktive Ausflugsziele Wertschöpfung in die Regionen. Die Weinviertler Kellerkultur ist 2022 in das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen worden. Dabei geht es etwa um die „Köllastund“, zu der sich Kellerbesitzer regelmäßig treffen, um „bei einem Glas Wein über das Leben nachzudenken“.
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