Die geheime Wunschliste des Star-Architekten Bjarke Ingels

Die geheime Wunschliste des Star-Architekten Bjarke Ingels
Der KURIER traf Architektur-Star Bjarke Ingels in Mailand. Er verriet offen, was er im Leben noch unbedingt erreichen will.

Schauplatz ist das „Portrait Milano“ – ein einstiges Priesterseminar, das kürzlich von den Modemachern Ferragamo übernommen und zum Fünf-Sterne-Hotel umfunktioniert wurde. Den imposanten Innenhof ziert während dem Mailänder „Salone del Mobile 2024“ eine Installation des dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels

Für Audi, der dort seinen neuen Q6 e-tron erstmals dem Publikum präsentierte, entwarf er „Reflaction“ – eine Verschmelzung von „Reflexion“ und „Aktion“, die auch im wörtlichen Sinn durch seine Reflexionen in Staunen versetzt. Denn jedes verspiegelte Abteil der plus-förmigen Installation bildet optisch ein in sich geschlossenes Quadrat. In einem hat der KURIER Bjarke Ingels zum Gespräch getroffen.

Die geheime Wunschliste des Star-Architekten Bjarke Ingels

Der KURIER traf Ingels im kreisrunden Amphitheater zum Interview 

Die geheime Wunschliste des Star-Architekten Bjarke Ingels

Die Installation „Reflaction“ für Audi aus der Vogelperspektive 

Die geheime Wunschliste des Star-Architekten Bjarke Ingels

Bjarke Ingels im Gespräch

KURIER: Was hat Sie zu dieser Installation inspiriert?

Bjarke Ingels: Als wir diesen Innenhof das erste Mal gesehen haben, dachten wir sofort, dass es ein wunderschöner Raum mit eindrucksvoller Historie ist. Er ist in alle Richtungen symmetrisch und genau diese Idee hat uns fasziniert: Wenn man eine doppelte Symmetrie hat, kann man aus einem Viertel tatsächlich das Ganze darstellen. Jedes Viertel wird zweimal verdoppelt und bildet so den gesamten Hof. Der Bereich, in dem wir jetzt sitzen, bildet ein perfektes Forum, gehen wir in das nächste Viertel, kreiert ein Ring aus roten Ahornbäumen einen kleinen Garten. Aus den zwei Audis konnten wir im nächsten Abschnitt visuell acht erzeugen. Direkt danach werden auf Bildschirmen, fast wie im britischen Stonehenge, verschiedene Artefakte des Autos zur Schau gestellt. Wir fanden es also interessant, dass man den Innenhof auf vier sehr unterschiedliche Arten bewohnen kann, die alle im selben Raum koexistieren.

Abseits der Mailänder Design-Woche: Welche Projekte halten Sie derzeit auf Trab?

Ich werde Ende des Jahres 50, also habe ich versucht, eine kleine Liste mit Dingen zu erstellen, die ich noch erledigen möchte, bevor ich „das Ticket löse“ (lacht). Normalerweise will man sich ja nicht zu sehr zu etwas bekennen. Denn dann ist es fast peinlich, wenn es nicht klappt. Also habe ich es simpel gehalten: Ich möchte eine Philharmonie, beziehungsweise ein Opernhaus, eine Nationalbibliothek und ein Nationalmuseum sowie ein Flughafen kreieren.

Das mit dem Flughafen hat jedenfalls direkt geklappt – Sie haben den Wettbewerb um den Flughafen Zürich gewonnen. 

Es soll das größte Holzgebäude der Welt werden. Man wird in wenigen Jahren in Zürich landen und den Schweizer Wald riechen können – eine besondere Erfahrung. Der Wettbewerb fand in Corona-Zeiten statt. Damals wurde es als Risiko angesehen, ein so großes Gebäude aus Holz zu bauen. Aber dann kam der Krieg in der Ukraine und mit ihm die Energiekrise, gefolgt von Unterbrechungen entlang der Lieferkette. Plötzlich wurde die Tatsache, dass das gesamte Holz für das Gebäude nur eineinhalb Stunden entfernt ist, die sicherste Wette.

Ist Holz die nachhaltigste Variante, die wir aktuell nutzen können?

Es ist eine der einfachsten Möglichkeiten, den CO2-Fußabdruck eines Gebäudes deutlich zu verringern. Doch nicht immer ist es eine gute Idee, deshalb glaube ich nicht, dass in Zukunft alles aus Holz gebaut wird.

Ihre Liste ist rasch kurz geworden, auch die Philharmonie in Prag ist kurz darauf in Erfüllung gegangen. 2032 soll sie fertiggestellt werden.

Das haben wir fast zur gleichen Zeit gewonnen. Prag ist eine der schönsten Städte der Welt und hat eines der besten Sinfonieorchester. Als ich mit dem Dirigenten gesprochen habe, erzählte er, dass er mit seinem Orchester gerade in der japanischen „Suntory Hall“ war. Das Klangbild war dort so klar, dass er die gesamte Symphonie und gleichzeitig jeden einzelnen Musiker und jedes Instrument heraushören könne. Er fand es herzzerreißend, dass er und sein Orchester die eigene Musik in Prag nie in dieser Form hören konnten. Damit sie nicht nach Japan fahren müssen, um zu hören, wie gut sie sind, arbeiten wir jetzt mit demselben Akustiker zusammen.

Mit neuen Kreationen gehen immer auch Unsicherheiten einher – wie gehen Sie mit Kritik um?

Wir sind sehr an sie gewöhnt (lacht). Die Art und Weise, wie man architektonisches Design praktiziert, besteht im Grunde darin, dass man sich ständig selbst und gegenseitig kritisiert. Man stellt eine Vision vor und bittet um Feedback. Natürlich ist es schön, wenn man gelobt wird, aber noch wichtiger ist es, kritisches Feedback zu erhalten, das etwas erkennen lässt, an das man nicht gedacht hätte. Es bietet die Möglichkeit, den Plan zu verbessern. Im öffentlichen Raum gibt es jedoch unterschiedliche Arten und Qualitäten von Kritik. Um relevant zu sein, muss Kritik auf Information und Wissen basieren. Ist das nicht der Fall, kann sie keinen Beitrag leisten. Das ist oft die große Herausforderung.

Gibt es Entwürfe, die wir nie von Ihnen sehen werden? 

Ich denke, dass Dogmen nicht unbedingt ein fruchtbarer Weg nach vorne sind. Sehr oft birgt etwas, das vergessen, aufgegeben oder als hässlich verworfen wurde, das Versprechen, irgendwann wiederentdeckt zu werden. Ich bin mir also sicher, dass es Dinge gibt, die wir jetzt nicht tun würden, die aber in ein paar Jahren unglaublich produktiv sein könnten.

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