Hundstorfer: Achtung, wir schrumpfen

Ein Mann im Anzug lehnt nachdenklich an einer hölzernen Wand.
Sozialminister warnt vor künftigen Lücken am Arbeitsmarkt - an Migration führt für ihn kein Weg vorbei. FPÖ und BZÖ üben Kritik.

Derzeit ist Arbeitslosigkeit noch das große Thema am Arbeitsmarkt, in naher Zukunft könnte sich das aber ändern, warnt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. "Wir werden in den nächsten acht Jahren 170.000 Arbeitnehmer weniger haben, weil wir ganz einfach schrumpfen" sagte der SPÖ-Politiker am Dienstag im ORF-Morgenjournal. Sein Gegenrezept? "Wenn wir unsere Gesamtwirtschaftsleistung aufrechterhalten wollen, brauchen wir Migration". FPÖ und BZÖ stößt das jedoch sauer auf.

Hundstorfer wolle nur "mit Drohszenarien weitere Ausländer ins Land holen", dabei gehe es "in Wahrheit nicht um die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsleistung, sondern um den fortgesetzten Zustrom potenzieller SPÖ-Wähler", wettert FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl in einer Aussendung. Der vom Sozialminister als Argument ins Spiel geführten schrumpfenden Gesellschaft müsse mit "einer gerechten Familienpolitik, die Chancengleichheit sicherstellt und nicht jene Familien diskriminiert, die sich für zwei oder mehr Kinder entscheiden", gegengesteuert werden, meint Kickl.

Auch für BZÖ-Bündniskoordinator Markus Fauland ist die Aussage Hundstorfers "ein weiterer Versuch der SPÖ, mittels Zuwanderung einen noch stärkeren Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt zu erzeugen". Auch würden damit ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Allerdings gehe es nicht darum, Zuwanderung generell zu verhindern, "sondern mittels Punktesystem nach kanadischem oder australischem Vorbild sich diejenigen Arbeitskräfte ins Land zu holen, die die Wirtschaft wirklich braucht und aus dem eigenen Arbeitslosenpool nicht zu besetzen sind".

"Zuwanderung aktiv gestalten"

Hundstorfer hatte im ORF-Morgenjournal erklärt, dass man einen Teil der auftretenden Lücke bei den künftigen Arbeitnehmern zwar mit mehr Qualifikation für Junge und einer höheren Erwerbsquote von Frauen auffangen könne. Auch müssten Menschen über 60 länger arbeiten. Das allein werde aber nicht reichen.

An Migration am Arbeitsmarkt führe kein Weg vorbei, so Hundstorfer. Österreich wäre daher gut beraten, die Zuwanderung aktiv und positiv zu gestalten. Zusätzliche Möglichkeiten für Zuwanderung fordert er aber nicht, es sollten nur die bestehenden Wege auch gelebt werden.

OECD: Arbeitslosigkeit bleibt auf Rekordniveau

In den OECD-Ländern waren im Mai 2012 rund 48 Millionen Menschen ohne Arbeit, um fast 15 Millionen mehr als zu Beginn der Finanzkrise Ende 2007. Eine kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht, auch im kommenden Jahr dürfte die Arbeitslosenquote bei etwa 8 Prozent verharren, heißt es im aktuellen Arbeitsmarkt-Ausblick der OECD. Noch düsterer sieht es in der Eurozone aus: Hier hat die Arbeitslosigkeit im Mai mit 11,1 Prozent ihren bisher höchsten Wert erreicht.

Insgesamt stehen die Nicht-Euroländer am Arbeitsmarkt spürbar besser da als die Eurozone und drücken den Wert für die gesamte EU auf 10,3 Prozent Arbeitslosigkeit im Mai 2012 - 10,1 Prozent im ersten Quartal. Für die Euroländer rechnen die OECD-Experten mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit, bevor sich die Lage im Laufe des kommenden Jahres stabilisiert. Wesentlich günstiger sieht der Trend jenseits des Atlantiks aus: Während die Arbeitslosigkeit in Europa in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist, ist sie in den USA gesunken und betrug zuletzt 8,2 Prozent.

Besonderen Anlass zur Sorge gibt die hartnäckig hohe Jugendarbeitslosigkeit. Sie betrug im Mai in der OECD knapp über 16 Prozent und war damit so hoch wie vor einem Jahr. Besonders erfolgreich ist hier Deutschland mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 8 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres. Auch Österreich schneidet mit 8,7 Prozent im internationalen Vergleich sehr gut ab. Hoffnungslosigkeit macht sich hingegen unter den Jugendlichen in den Euro-Krisenländern breit: In Griechenland und Spanien hat nicht einmal jeder zweite junge Mensch unter 25 Jahren Arbeit. In Portugal, Italien und Irland sucht jeder Dritte vergeblich einen Job. In der gesamten Eurozone betrug die Jugendarbeitslosigkeit im ersten Quartal 22,2 Prozent und erhöhte sich bis Mai auf 22,6 Prozent.

Beunruhigend ist auch die Tatsache, dass es in der Regel auch sehr lang dauert, bis man einen neuen Job findet. Mehr als 35 Prozent aller Arbeitslosen brauchten mindestens ein Jahr, um wieder eine Anstellung zu finden. In den EU-Ländern waren im Durchschnitt rund 44 Prozent aller Arbeitslosen langzeitarbeitslos. In den USA ist die Langzeitarbeitslosigkeit von etwa 10 Prozent im Jahr 2007 auf ein rund 30 Prozent im ersten Quartal 2012 gestiegen.

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