Historisch: Ein Gründungsmitglied fällt aus dem Börseindex DAX

China fährt Stahl- und Kohleproduktion stark zurück.
Deutscher Leitindex verliert eines seiner Urgesteine: Ein gut 120 Jahre alter Industrieriese zählt nicht mehr zu den Top 30.

Es ist ein herber Prestigeverlust, das verhehlt Vorstandschef Guido Kerkhoff nicht: „Dass uns der Abstieg aus dem Dax enttäuscht, steht außer Frage. Als Gründungsmitglied wären wir dem Leitindex gern erhalten geblieben“, sagte der Vorstandschef von Thyssenkrupp. „Man muss aber auch ehrlich sein: Unsere Performance war zu schwach, daher ist der Gang in den MDax die logische Konsequenz.“

Der Stahlkonzern hat in den vergangenen zwölf Monaten einen Kursrutsch von fast 50 Prozent erlebt. Somit fliegt der mehr als 120 Jahre alte Industrieriese aus der Riege von Deutschlands Top-30-Börseunternehmen.

Thyssenkrupp-CEO Guido Kerkhoff

 

Höhenflug

Thyssenkrupp muss für den Münchner Triebwerksbauer MTU Aero Engines Platz machen. Dessen Geschäft sind auch abseits der Börse Aufstiege. In den Triebwerken jedes dritten Flugzeugs weltweit - vom zivilen Airbus bis hin zum Kampfjet - steckt ein Teil des Münchner Traditionskonzerns.

Dass das Unternehmen nun im deutschen Leitindex Dax vertreten ist, dürfte weiteren Auftrieb geben und zumindest kurzfristig auch den Kurs befeuern, da Indexfonds (ETF), die den Dax  abbilden, sich mit MTU-Aktien eindecken müssen.

MTU-Vorstandschef Reiner Winkler freute sich bereits im Vorfeld auf den Aufstieg in die erste Börsenliga. „Ein solcher Schritt würde unsere Sichtbarkeit deutlich erhöhen, insbesondere   international“, sagte er zum „Handelsblatt“: „Wir versprechen uns natürlich auch etwas mehr Prestige.“

Historisch: Ein Gründungsmitglied fällt aus dem Börseindex DAX

Der Börsenwert von MTU liegt mittlerweile bei rund 13 Milliarden Euro, der Konzern ist damit an der Börse nur gut eine halbe Milliarde Euro weniger wert als die Deutsche Bank. Der Finanzinvestor KKR hatte die damalige MTU München („Motoren- und Turbinen-Union“) 2003 vom Autobauer Daimler übernommen und zwei Jahre später an die Börse gebracht.

In einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen setzte sich MTU schließlich dank der Kursentwicklung im August durch.Der Konzern mit 10.000 Mitarbeitern, der lange unter dem Radar vieler Anleger flog, steuert nach einem Rekordjahr 2018 auch in diesem Jahr auf Wachstumskurs.

Getrieben wird der maßgeblich vom Erfolg des A320neo, des neuen Verkaufsschlagers des europäischen  Flugzeugbauers Airbus. Pratt & Whitney liefert dafür die neuen, kerosinsparenden Triebwerke, an denen MTU mit knapp einem Fünftel beteiligt ist.

Nach Anlaufschwierigkeiten haben die beiden Triebwerkshersteller die Auslieferungen 2018 nahezu verdoppelt. Im laufenden Jahr soll die Produktion der A320neo-Triebwerke nach Winklers Worten um 25 bis 30 Prozent steigen.

Zivil und militärisch

Wie in der Branche üblich, sind die Konkurrenten von MTU auf dem Weltmarkt in anderen Projekten Partner - und umgekehrt: Dazu zählen die französische Safran, die britische Rolls-Royce sowie die US-Konzerne Pratt & Whitney und General Electric.

Getrieben vom Geschäft mit der zivilen Luftfahrt schraubte der Konzern, der sowohl Airbus als auch den US-Erzrivalen Boeing beliefert, die Erwartungen weiter nach oben. Der bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll 2019 nun auf rund 750 (2018: 671) Millionen Euro steigen, gut 20 Millionen mehr als ursprünglich erwartet. Der Umsatz soll 4,7 Milliarden Euro erreichen.

Licht und Schatten

Im Militär-Geschäft, das bei MTU etwa ein Zehntel ausmacht und im ersten Halbjahr neun Prozent zulegte, gibt es Licht und Schatten: Einerseits haben die Münchner gemeinsam mit Safran den Zuschlag für die Entwicklung des Triebwerks des neuen deutsch-französischen Kampfjets bekommen, der ab 2040 nach und nach den Eurofighter und die Rafale ablösen soll.

Andererseits bleibt der deutsche Rüstungsexport-Stopp gegen Saudi-Arabien ein Risiko: MTU ist mit Airbus an einem von BAE Systems geführten Konsortium beteiligt, das 48 Eurofighter-Kampfjets für zehn Milliarden Pfund an das Wüstenkönigreich liefern soll.

Stahlriese mit neuen Börsenplänen

Thyssenkrupp steckt hingegen seit langem in der Krise. Die Finanzdecke ist dünn - auch eine Folge von milliardenschweren Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA. Eine als Befreiungsschlag geplante Stahlfusion mit dem indischen Konkurrenten Tata wurde von der EU untersagt.

Vorstandschef Kerkhoff sagte daraufhin auch die Aufspaltung des Konzerns in zwei eigenständige Unternehmen ab.

Um Geld in die leeren Kassen zu bekommen, plant Kerkhoff den Börsengang oder einen Verkauf der profitablen Aufzugssparte. Ihr Wert wird von Analysten deutlich höher eingeschätzt als der des gesamten Konzerns mit seinen weltweit rund 160.000 Mitarbeitern.

Für diese Beschäftigten hat der Dax-Abstieg keine direkten Folgen. Sie sind allerdings massiv vom Konzernumbau betroffen, bei dem 6.000 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen, davon 4.000 in Deutschland.

Kommentare